Beweisarchiv: Zahlentheorie: Analytische Zahlentheorie: Irrationalität von Zeta(3)

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Beweisarchiv: Zahlentheorie

Elementare Zahlentheorie: Kleiner Satz von Fermat · Satz von Euklid · Satz von Wilson · Vollständige Multiplikativität der p-adischen Exponentenbewertung
Algebraische Zahlentheorie: Pythagoraszahl nicht-reeller Körper · Korrespondenzsatz der algebraischen Zahlentheorie · Zerlegungsgesetz
Analytische Zahlentheorie: Irrationalität von ζ(3) · Primzahlsatz


Im Folgenden wird (mit Hilfe des Primzahlsatzes) gezeigt, dass der Wert

ζ(3):=n=11n3

der Riemann'schen Zeta-Funktion eine irrationale Zahl ist. Dieses wurde 1979 durch Roger Apéry bewiesen, weswegen man diese Zahl gelegentlich auch als Apéry-Konstante bezeichnet.

Bemerkung

Das Polynom

Pn(x):=1n!dndxn[xn(1x)n]=:ν=0naνxν

hat ausschließlich ganzzahlige Koeffizienten aν.

Beweis

Nach der Leibniz'schen Formel gilt

Pn(x)=1n!ν=0n(nν)n(n1)(nν+1)xnνn(n(nν)+1)(1x)n(nν)(1)nν=1n!ν=0n(nν)n!(nν)!xnνn!ν!(1x)ν(1)nν=ν=0n(nν)2(1)nνxnν(1x)ν ,

d.h.,

Pn

hat nur ganzzahlige Koeffizienten.

Lemma

Ist f:Q:=[0,1]2 stetig, so existiert das Integral Qf(x,y)1xydxdy<.

Beweis

Da f auf dem Kompaktum Q stetig, also beschränkt ist, muss Q11xydxdy< gezeigt werden. Dies ist offenbar äquivalent zu Q11(1u)(1v)dudv< mit x=1u, y=1v. Weil der Integrand nur in u=v=0 singulär wird, brauchen wir die Endlichkeit nur auf dem Viertelkreis V:={(rcosφ,rsinφ) | 0<r1, 0φπ2} zu zeigen. Hier können wir Polarkoordinaten einführen und erhalten

V11(1u)(1v)dudv=0π/201r1(1rcosφ)(1rsinφ)drdφ=0π/2011sinφ+cosφrsinφcosφdrdφ=0π/4011sinφ(1rcosφ)+cosφdrdφ+π/4π/2011cosφ(1rsinφ)+sinφdrdφ0π/4011cosφdrdφ+π/4π/2011sinφdrdφ2π4+2π4< ,

was zu zeigen war.

Wir untersuchen im Folgenden das Integral

In:=0101lnxy1xyPn(x)Pn(y)dxdy=r,s=0naras0101xrys1xy(lnxy)dxdy .

Die Wohldefiniertheit wird im folgenden Lemma formuliert:

Lemma

Für alle r,s0 gilt

0101xrys1xy(lnxy)dxdy={1rsν=s+1r1ν2 ,fallsr>s ,2[ζ(3)ν=1r1ν3] ,fallsr=s ,1srν=r+1s1ν2 ,fallsr<s .

Insbesondere ist In wohldefiniert.

Beweis

Die Wohldefiniertheit ist lediglich für r=s=0 zu zeigen. Sei m und V:={(Rcosφ,Rsinφ) | R(0,2], φ(0,π2)}. Wegen |lnx|mcx für x(0,2] ist

V|lnxy|mdxdycV1xydxdy=c0π/202RRcosφRsinφdRdφ=2c0π/21cosφsinφdφ=2c0π/4φsinφ1φcosφdφ+2cπ/4π/2π2φcosφ1π2φsinφdφC[0π/41φdφ+π/4π/21π2φdφ]< .

Nach Lemma Nummer 2 ist jedes Integral 0101xrys1xy|lnxy|mdxdy und somit In wohldefiniert. Um den Wert dieses Integrals auszurechnen, müssen wir die Funktion

I(t):=0101xr+tys+t1xydxdy , t0 ,

welche nach Lemma Nummer 2 wohldefiniert ist, genauer untersuchen. Und zwar ist

I(t)=0101k=0xr+t+kys+t+kdxdy nach geometrischer Reihe=k=00101xr+t+kys+t+kdxdy nach Satz von Beppo Levi=k=0(01xr+t+kdx)(01ys+t+kdy)=k=01r+t+k+11s+t+k+1 .

Der Trick besteht nun darin, dass man I im Nullpunkt (rechtsseitig) differenzieren darf und daraus die entsprechenden Formeln erhält. Es ist nämlich für h>0

|I(h)I(0)h0101xryslnxy1xydxdy|0101|xr+hys+hxrys(1xy)hxryslnxy1xy|dxdy=0101xrys1xy|(xy)h1hlnxy|dxdy=0101xrys1xy|h(lnxy)22(xy)ξ|dxdy mit ξ=ξ(h,x,y)(0,h)h20101(lnxy)21xyxrysdxdy0 fu¨r h0

wegen 0101(lnxy)21xyxrysdxdy<, wie wir oben gesehen haben.

Insgesamt haben wir somit I(0)=0101xryslnxy1xydxdy. Im Falle r=s gilt

I(0)=ddt[k=01(r+t+k+1)2]t=0=k=0[ddt1(r+t+k+1)2]t=0=2k=01(r+k+1)3=2[ζ(3)ν=1r1ν3] ,

weil wir wegen der normalen Konvergenz der Zeta-Funktion auf Res>1 gliedweise differenzieren dürfen. Im Falle r>s (und analog r<s) ist I(t)=1rsk=0[1s+1+t+k1r+1+t+k]=1rsν=s+1r1ν+t und somit

I(0)=ddt[1rsν=s+1r1ν+t]t=0=1rsν=s+1r1ν2 ,

wie behauptet wurde.

Lemma

Es gilt dn:=kgV(1,,n)=pnplnnlnpnπ(n).

Beweis

Jedes r{1,,n} hat nach dem Fundamentalsatz der Arithmetik eine Primfaktorzerlegung r=pnpα(p,r)n mit α(p,r)0. Dann muss pα(p,r)n, also α(p,r)lnnlnp und somit wegen der Ganzzahligkeit α(p,r)lnnlnp gelten.

Daraus folgt

dnpplnnlnp=pnplnnlnp

. Die umgekehrte Ungleichung folgt, weil

plnnlnpn

gilt. Also ist

dn=pnplnnlnppnplnnlnp=nπ(n)

.

Korollar

Es sind (dr)3ν=1r1ν3 und (dr)31rsν=s+1r1ν2 für r>s jeweils ganze Zahlen.

Beweis

Ist νr, so ist ν=prpα(p,ν) mit α(p,ν)lnrlnp. Dann ist

ν3=prp3α(p,ν) | prp3lnrlnp=(prplnrlnp)3=(dr)3 ,

also (dr)3ν=1r1ν3. Sei nun r>s. Dann ist rs=prpα(p,rs) mit α(p,rs)lnrlnp. Dann folgt

(rs)ν2=prp2α(p,ν)+α(p,rs) | prp3lnrlnp=(prplnrlnp)3=(dr)3 ,

also

(dr)31rsν=s+1r1ν2

.

Korollar

Es gibt

An,Bn

mit

In=An+Bnζ(3)(dn)3

.

Unser Ziel ist es, den Ausdruck In in beide Richtungen abzuschätzen:

Lemma

Es gilt

0<In2ζ(3)(21)4n .

Beweis

Es ist lnxy=xy11udu. Mit der Transformation u=1(1xy)v folgt lnxy=01dv1(1xy)v(1xy), also lnxy1xy=01dv1(1xy)v. Es folgt

In=01Pn(y)01(011n!dndxn[xn(1x)n]11(1xy)vdx)dvdy .

Im inneren Integral wende man partielle Integration an. Da alle Ableitungen dνdxν[xn(1x)n] für ν<n in x=0 und x=1 verschwinden, treten bei n-maliger partieller Integration keine Randterme auf. Wir bekommen somit

011n!dndxn[xn(1x)n]11v+xyvdx=(1)n011n!xn(1x)nnxn[11v+xyv]dx=01xn(1x)n1(1v+xyv)n+1(yv)ndx .

Daraus folgt

In=01Pn(y)yn01xn(1x)n01vn(1(1xy)v)n+1dvdxdy .

Nun substituieren wir v=1z1z(1xy). Dann ist dvdz=xy(1z(1xy))2<0, also haben wir eine gültige Variablentransformation. Wegen 1(1xy)v=xy1z(1xy) ist

In=01Pn(y)yn01xn(1x)n01(1z)n(1z(1xy))n(1z(1xy))n+1(xy)n+1xy(1z(1xy))2dzdxdy=01Pn(y)01(1x)n01(1z)n11z(1xy)dzdxdy=01(1z)n01(1x)n011n!dndyn[yn(1y)n]11z+xyzdydxdz .

Wir führen wiederum n-malige partielle Integration (ebenfalls ohne Randterme) durch und erhalten

In=01(1z)n01(1x)n(1)n011n!yn(1y)nnyn[11z+xyz]dydxdz=01(1z)n01(1x)n01yn(1y)n(xz)n1(1z+xyz)n+1dydxdz=010101[F(x,y,z)n]1(1xy)zdxdydz

mit F(x,y,z):=x(1x)y(1y)z(1z)1(1xy)z. Es ist In>0, da der Integrand echt positiv auf (0,1)3 ist. Das folgende Lemma Nummer 8 besagt F(x,y,z)(21)4 auf (0,1)3. Nutzen wir diese Abschätzung vorab aus, so folgt

0<In(21)4n01010111(1xy)zdzdxdy=(21)4n0101lnxy1xydxdy nach Rechnung zu Beginn des Beweises=2(21)4nζ(3) nach Lemma Nummer 3 mit r=s=0 ,

was zu beweisen war.

Lemma

Es gilt F(x,y,z):=x(1x)y(1y)z(1z)1(1xy)z(21)4 für alle (x,y,z)(0,1)3.

Beweis

Zunächst zeigen wir, dass F auf den Rand von (0,1)3 durch null stetig fortgesetzt werden kann. Offenbar müssen wir nur den Bereich mit z=1 untersuchen. Ist nun zn1, so folgt

|F(xn,yn,zn)|=|1xn||1yn||zn||xnyn(1zn)1(1xnyn)zn||xnyn(1zn)xnyn+(1zn)xnyn(1zn)|=1|11zn+1xnyn1|1|11zn1|=1zn1(1zn)0 .

Also besitzt f ein globales Maximum (x0,y0,z0) auf [0,1]3, welches im Inneren liegt und somit ein kritischer Punkt von F ist.

Wir haben xF(x,y,z)=[1(1xy)z](12x)(yy2)(zz2)yz(xx2)(yy2)(zz2)[1(1xy)z]2, also

0=[1(1x0y0)z0](12x0)y0z0(x0x02)

und analog mit yF(x,y,z)=[1(1xy)z](xx2)(12y)(zz2)xz(xx2)(yy2)(zz2)[1(1xy)z]2

0=[1(1x0y0)z0](12y0)x0z0(y0y02) .

Subtrahieren der Gleichungen impliziert 0=[1(1x0y0)z0](2y02x0)z0[(x0x02)y0(y0y02)x0]=(y0x0)(22z0+x0y0z0), also x0=y0, weil der zweite Faktor echt positiv ist. Weiter ist zF(x,x,z)=[1(1x2)z](xx2)2(12z)+(1x2)(xx2)2(zz2)[1(1x2)z]2, und man erhält

0=12z0+z02x02z02 .

Zieht man das

z0

-fache der ersten Gleichung vom

x0

-fachen der dritten Gleichung ab, liefert dies

0=x0z0+z02x0z02

, also

x0=z02z0z021=11z0+1

. Einsetzen in das

(z0+1)2

-fache der dritten Gleichung impliziert

0=2z02+1

, also

z0=12

und

x0=y0=21

. Aus

F(x0,y0,z0)=F(21,21,12)=(21)4

folgt die Behauptung.

Satz von Apéry

ζ(3) ist irrational.

Beweis

Angenommen, es wäre ζ(3)=pq mit p,q und ggT(p,q)=1. Nach dem Euklidischen Algorithmus gibt es wegen ggT(p,q)=1 Zahlen m0,n0 mit m0p+n0q=1. Dann ist inf{|mqnp| | m,n, mqnp0}=1, also

inf{|mnζ(3)| | m,n, mnζ(3)0}=1q .

Nach Lemma Nummer 4, Korollar Nummer 6 und Lemma Nummer 7 ist somit

1q2ζ(3)(21)4n(dn)32ζ(3)(21)4nn3π(n)=2ζ(3)e4nln(21)+3π(n)lnn .

Dies ist äquivalent zu

π(n)lnnn13nln(12qζ(3))43ln(21)

. Übergang zum Grenzwert impliziert gemäß dem Primzahlsatz

143ln(21)

, aber es ist

43ln(21)>1

.

Literatur

  • Roger Apéry: Irrationalité de ζ(2) et ζ(3). Astérisque, 61, 11-13, 1979.
  • Frits Beukers: A note on the irrationality of ζ(2) and ζ(3). Bulletin of the London Mathematical Society, 11, 268-272, 1979.

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