Beweisarchiv: Mengenlehre: Ordinalzahlen: Definitionen

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Beweisarchiv: Mengenlehre: TOPNAV Historisch gibt es zahlreiche verschiedene, jedoch auf der Basis des Axiomensystems von Zermelo-Fraenkel ohne Fundierungsaxiom (und ohne Unendlichkeitsaxiom) äquivalente Definitionen des Begriffs der Ordinalzahl. Die Äquivalenz der verschiedenen Definitionen mit der hier verwendeten (siehe Ordinalzahlen) ist jeweils ein Satz, der nachfolgend bewiesen wird. Verwendet werden hierbei jeweils in verschiedenem Umfang die in den vorhergehenden Abschnitten bewiesenen Aussagen über Ordinalzahlen, also

(1) Ordinalzahlen enthalten sich nicht selbst als Element
(2) Elemente von Ordinalzahlen sind Ordinalzahlen
(3) Durchschnitte von Ordinalzahlen sind Ordinalzahlen
(4) Wohlordnung der Klasse aller Ordinalzahlen
(5) Ordinalzahlen bilden eine echte Klasse
(6) Der Nachfolger einer Ordinalzahl ist Ordinalzahl
(7) Vereinigungen von Ordinalzahlen sind Ordinalzahlen

Bei den nachfolgenden Sätzen beziehen sich die Definitionsnummerierungen in Klammern auf die Nummerierung im Wikipedia-Artikel Ordinalzahl. Die hier im Archiv verwendete Definition ist in diesem Sinne die Definition VII.

Zermelo, 1915/1941 (Definition II)

Satz

Die Menge X ist genau dann Ordinalzahl, wenn für jedes yX die Menge y{y} [entweder] ein Element von X oder identisch mit X ist und für jede Teilmenge Y von X die Vereinigung der Elemente von Y [entweder] ein Element von X oder identisch mit X ist.

Bemerkung: Im vorstehenden Satz wurde das Wort „entweder“ jeweils in Klammern gesetzt. Zermelo formulierte ursprünglich ohne „entweder“ (also mit inklusivem Oder), während einige spätere Autoren zum exklusiven Oder übergingen. Der nachfolgende Beweis zeigt genau gelesen, dass jede Ordinalzahl die Zermelo-Definition mit sogar exklusivem Oder erfüllt und dass jede die Zermelo-Definition mit lediglich inklusivem Oder erfüllende Menge eine Ordinalzahl ist. Mithin ist es gleichgültig, ob man in dieser Definition inklusives oder exklusives Oder verwendet.

Beweis

Sei zunächst X Ordinalzahl. Dann ist für jedes yX gemäß (2) und (6) y{y} eine Ordinalzahl und für jede Teilmenge YX ist gemäß (2) und (7) die Vereinigung Y eine Ordinalzahl. Da diese Ordinalzahlen gemäß (4) mit X vergleichbar sind, sind sie jeweils entweder Element von X oder identisch mit X oder enthalten X als Element. Es genügt also, die Annahme, dass eine dieser Mengen X als Element enthält, auf einen Widerspruch zu führen. Aus yX und Xy{y} ergäbe sich X=yX oder XyX und wiederum XX, auf jeden Fall ein Widerspruch zu (1). Aus YX und XY folgte XZ für ein ZY also XZX, wiederum im Widerspruch zu (1).

Umgekehrt erfülle jetzt X die Zermelo-Definition. Sei Y={xXxOn}. Dann ist u:=Y gemäß (7) eine Ordinalzahl und nach Voraussetzung u=X oder uX. Im ersten Fall sind wir fertig. Im zweiten Fall setze s:=u{u}. Gemäß (6) ist auch s Ordinalzahl und nach Voraussetzung s=X oder sX. Im ersten Fall sind wir wieder fertig. Der zweite Fall führt dagegen wegen usY über usu auf uu im Widerspruch zu (1).

Von Neumann, 1923 (Definition III)

Satz

Eine Menge X ist genau dann Ordinalzahl, wenn es eine Wohlordnung < auf X gibt mit yX:y={zXz<y}.

Beweis

Sei zunächst X Ordinalzahl. Nach Voraussetzung ist <:= Wohlordnung auf X. Sei yX. Dann ist y:={zXz<y}=Xy und mit (3) folgt y=min{X,y}=y.

Sei nun umgekehrt X eine Von-Neumann-Ordinalzahl und < die zugehörige Wohlordnung. Wegen y={zX} ist jedes Element y von X auch Teilmenge, also ist X transitiv. Für z,yX gilt zyz<y, d. h. die Relationen und < stimmen überein, so dass auch eine Wohlordnung auf X ist.

Gödel, 1937 (Definition IV)

Satz

Eine Menge X ist genau dann Ordinalzahl, wenn sie transitiv ist, jedes Element transitiv ist und jede nichtleere Teilmenge fundiert ist.

Beweis

Ist X Ordinalzahl, so ist laut (2) auch jedes Element Ordinalzahl und folglich transitiv. Ist AX eine nichtleere Teilmenge, setze man y=minA. Dann gilt yA=, denn für zyA würde zA und zy folgen im Widerspruch zur Minimalität von y.

Sei nun umgekehrt X Gödel-Ordinalzahl. Sei

A={xXxOn}.

Angenommen A ist nicht leer. Dann ist A fundiert, d. h. es gibt ein aA mit aA=. Für jedes ta gilt tA und wegen der Transitivität von X auch tX, d. h. jedes Element von a ist Ordinalzahl. Daher ist a durch wohlgeordnet und nach Voraussetzung als Element von X transitiv, also selbst eine Ordinalzahl im Widerspruch zu aA. Folglich ist A leer und X selbst eine transitive Menge von Ordinalzahlen, mithin wie eben selbst Ordinalzahl.

Robinson, 1937 (Definition V)

Satz

Eine Menge X ist genau dann Ordinalzahl, wenn sie transitiv ist, jede nicht-leere Teilmenge fundiert ist und für jede zwei verschiedene Elemente y und z von X entweder yz oder zy gilt.

Beweis

Ist X Ordinalzahl, so ist X transitiv und jede nicht-leere Teilmenge ist fundiert (durch ihr Minimum, vgl. Beweis zu Gödel). Da X durch (wohl-)geordnet ist, folgt auch die letzte Eigenschaft.

Sei nun umgekehrt X eine Robinson-Ordinalzahl. Zu zeigen ist, dass X durch wohlgeordnet ist. Für yX ist yy ausgeschlossen, da {y} fundiert ist. Somit gilt für y,zX genau eine der Beziehungen yz, y=z oder zy. Für y,z,wX mit yz und zw folgt so zunächst yw. Ferner muss die Menge A:={y,z,w}X fundiert sein. Wegen zwA und yzA bleibt nur die Möglichkeit yA=, was wy, also yw bedeutet. Somit ist eine Totalordnung auf X. Falls AX nicht leer ist, gibt es ein aA mit aA=. Da für yA dann stets ya folgt, ist a minimales Element von A, d. h. X ist wohlgeordnet.

Bernays, 1941 (Definition VI)

Satz

Eine Menge X ist genau dann Ordinalzahl, wenn sie transitiv ist und jede transitive echte Teilmenge von X Element von X ist.

Beweis

Ist X Ordinalzahl, so ist X transitiv. Jede transitive echte Teilmenge A von X ist laut (2) eine Menge von Ordinalzahlen, also gemäß (4) wohlgeordnet, d. h. eine Ordinalzahl. Da XAX laut (1) und X=A laut Voraussetzung ausgeschlossen sind, folgt mit (4), dass AX gilt, und mithin ist X auch eine Bernays-Ordinalzahl.

Sei nun umgekehrt X eine Bernays-Ordinalzahl. Da Die Ordinalzahlen gemäß (5) eine echte Klasse bilden, gibt es Ordinalzahlen, die nicht in X enthalten sind. Sei Y die gemäß (4) existente kleinste solche Ordinalzahl. Dann ist Y nach Voraussetzung keine transitive echte Teilmenge von X. Da Y als Ordinalzahl auf jeden Fall transitiv ist, ist Y also keine echte Teilmenge von X. Andererseits gilt aufgrund der Minimalität von Y gewiss zX für jedes zY, denn solche y sind laut (2) Ordinalzahlen. Also gilt YX. Zusammen bedeutet dies Y=X, also ist X Ordinalzahl.

Moderne Variante (Definition VIII)

Satz

Ordinalzahlen sind genau die Bilder der Funktionen E(a)={E(x)x<a;xA} für wohlgeordnete Mengen A.

Beweis

Sie zunächst A Ordinalzahl, also durch wohlgeordnet. Dann ist das wie im Satz definierte E die Identität: Ansonsten sei aA minimal mit E(a)a. Dann folgt E(a)={E(x)xa;xA}={xxa;xA}=a, also ein Widerspruch. Somit ist A das Bild dieser Abbildung E.

Sei umgekehrt A eine beliebige wohlgeordnete Menge und E wie im Satz. Zu zeigen ist, dass X:={E(a)aA} eine Ordinalzahl ist. Ist zyX, so y=E(a) für ein aA, also z=E(x) für ein xA mit x<a, folglich zX. Somit ist X transitiv. Wegen E(x)E(a)x<a ist E ein Ordnungsisomorphismus und folglich mit A auch X wohlgeordnet.

Äquivalent nur mit Fundierungsaxiom (Definition I)

Satz

Eine Menge X ist Ordinalzahl genau dann, wenn jedes Element von X auch Teilmenge von X ist und X bezüglich der Mengeninklusion total geordnet ist.

Bemerkung: Sofern man, wie in der Kapiteleinleitung angegeben, das Fundierungsaxiom der Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre nicht voraussetzt, gilt die eine Richtung des Satzes nicht allgemein. Der nachfolgende Beweis verwendet daher an entscheidender Stelle das Fundierungsaxiom.

Beweis

Sei X eine Ordinalzahl. Die erste Bedingung des Satzes ist gleichbedeutend mit Transitivität. Da Elemente von X gemäß (2) ihrerseits Ordinalzahlen sind, folgt für solche aus ab stets auch ab. Da eine der Aussagen ab , a=b, ba zutrifft, gilt ab oder ba, d. h. die partielle Ordnung ist total.

Sei nun umgekehrt X eine transitive und durch total geordnete Menge. Betrachte die Menge A:=XOn der nicht-ordinalen Elemente. Angenommen A ist nicht leer. Das Fundierungsaxiom behauptet dann die Existenz eines aA mit aA=. Wegen (5) gibt es Ordinalzahlen, die nicht Element von a sind, wegen (4) gibt es hierunter eine kleinste. Sei also z die kleinste Ordinalzahl mit za. Somit gilt ya für jede kleinere Ordinalzahl, wegen (2) also für jedes yz. Mit andern Worten gilt za, aber wegen aOn ist gewiss az. Es gibt also ein Element ba mit bz. Wegen der Transitivität von X gilt auch bX, aber wegen aA= muss bA gelten. Wir schließen, dass b Ordinalzahl ist. Wegen ba und za ist gewiss bz und wegen bz bleibt gemäß (4) nur die Möglichkeit, dass zb gilt. Wegen zb und za ist ba gewiss falsch. Aber wegen ba und bb (gemäß (1) oder erneut per Fundierungsaxiom) kann auch nicht ab gelten. Da weder ab noch ba gilt, ergibt sich ein Widerspruch zur vorausgesetzten Totalordnung durch auf X. Somit war die oben gemachte Annahme falsch. Es folgt, dass A leer ist. Demnach ist X eine Menge von Ordinalzahlen und als solche laut (4) durch wohlgeordnet. Da X auch transitiv ist, ist X selbst Ordinalzahl.