Mathe für Nicht-Freaks: Konvergenz und Divergenz beweisen

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In diesem Kapitel wird erläutert, wie man die Konvergenz und Divergenz einer Folge beweisen kann. Normalerweise teilt sich diese Arbeit in zwei Arbeitsschritte auf: Zunächst versucht man auf einem Schmierblatt, eine Beweisidee zu finden, die man danach im zweiten Schritt in einem Beweis umsetzt und ins Reine schreibt. Dabei ist oftmals der Lösungsweg auf dem Schmierblatt ein völlig anderer als die letztendliche Beweisargumentation. Dies werden wir auch bei den Beispielaufgaben in diesem Kapitel sehen.

Jedoch gibt es kein Schema F zur Lösung von Grenzwertaufgaben! Auch wenn ich dir in diesem Kapitel einige Tipps und Tricks mit an die Hand gebe und dir im Studium auch immer wieder neue Lösungen für Konvergenzaufgaben begegnen werden, wirst du auf Übungsaufgaben stoßen, bei denen die bisher gelernten Lösungsstrategien nicht funktionieren. Hier musst du selbst kreativ werden und auf Basis der dir bereits bekannten Sätze versuchen, neue Lösungswege zu finden. Dies ist aber gewollt. Denn du sollst im Mathematikstudium lernen, innovative Lösungsstrategien für neue Problemtypen zu entwickeln Vorlage:Smiley.

Beweise für Konvergenz führen Vorlage:Anker

Datei:Beispielaufgabe zum Konvergenzbeweis einer Folge 01.webm

Allgemeine Beweisstruktur

Bevor wir uns einer konkreten Beispielaufgabe zuwenden, ist es sinnvoll, die allgemeine Beweisstruktur für die Konvergenz einer Folge zu verstehen. So weiß man nämlich, wie der finale Beweis aussehen muss. Die Konvergenz der Folge (an)n gegen a wird durch folgende Aussage beschrieben:

Vorlage:Einrücken

Diese Aussage gibt die allgemeine Beweisstruktur vor:

Vorlage:Einrücken

Der Satz „N existiert, weil…“ kann im Übrigen entfallen, wenn dies offensichtlich ist. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn N explizit angegeben wird und klar ist, dass N eine natürliche Zahl ist.

Beispielaufgabe und allgemeines Vorgehen

Die Beispielaufgabe lautet

Vorlage:-

Der Lösungsweg involviert folgende Schritte:

  1. Grenzwert finden
  2. notwendige Beweisschritte auf Schmierblatt finden
  3. Beweis nach obiger Beweisstruktur aufschreiben

Grenzwert finden

Zunächst müssen wir bestimmen, ob die Folge an=nn+1 konvergiert und welchen Grenzwert sie im Fall der Konvergenz besitzt. Hierzu bieten sich folgende Techniken an:

  • Erste Folgenglieder berechnen: Du kannst die ersten Folgenglieder berechnen und gegebenenfalls in ein Diagramm einzeichnen. Möglicherweise bekommst du so schon Ideen über die Eigenschaften der Folge und über einen möglichen Grenzwert.
  • Große Folgenglieder ausrechnen: Mit einem Taschenrechner oder einem Computer kannst du sehr große Folgenglieder ausrechnen. Liegen all diese Folgenglieder in der Nähe einer bestimmten reellen Zahl? Dann könnte diese Zahl der Grenzwert der Folge sein.
  • Mutmaßungen anstellen: Du kannst deine Intuition verwenden, um den Grenzwert zu erraten. Du kannst aber auch Überlegungen anstellen, was der Grenzwert sein müsste.

Fangen wir also damit an, die ersten zehn Folgenglieder von an=nn+1 zu berechnen:

n nn+1
1 0,5
2 0,666…
3 0,75
4 0,8
5 0,833…
6 0,857…
7 0,875
8 0,888…
9 0,9
10 0,909…

Diese können wir in einem Diagramm einzeichnen:

Die ersten zehn Folgenglieder der Folge a_n=n/(n+1)
Die ersten zehn Folgenglieder der Folge a_n=n/(n+1)

Wir sehen, dass die ersten Folgenglieder monoton steigen, wobei der Anstieg zwischen den Folgengliedern immer kleiner wird. Wir können deswegen vermuten, dass die Folge konvergiert. Ein klarer Kandidat für einen Grenzwert ist noch nicht erkennbar. Hierfür können wir hohe Folgenglieder ausrechnen, weil diese in der Nähe des Grenzwerts liegen müssten. Es ist

Vorlage:Einrücken

und

Vorlage:Einrücken

Große Folgenglieder liegen also in der Nähe von 1 und deswegen liegt die Hypothese nahe, dass 1 der Grenzwert der betrachteten Folge ist. Aber auch folgende Überlegungen stützen diese Hypothese: Wenn n sehr groß ist, dann ist n+1n, weil die Addition von eins bei großen Zahlen kaum etwas am Wert ändert. Es müsste also gelten

Vorlage:Einrücken

Wegen diesen Betrachtungen kommen wir zur Hypothese, dass 1 der Grenzwert der Folge an=nn+1 ist.

Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Warnung

Beweisschritte finden

Der Kern des Beweises ist die Abschätzung |ana|<<ϵ. Um diese zu finden, fängt man am Besten mit dem Betrag |ana| an und versucht diesen so lange zu vereinfachen und nach oben abzuschätzen, bis man einen Ausdruck findet, der kleiner als ϵ ist. Bei den Abschätzungen dürfen wir beliebige Bedingungen für n der Form nN stellen, wobei N eine natürliche Zahl ist, die nur von ϵ und a abhängen darf (N darf also nicht von an abhängen!).

Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Frage

Auch kann man probieren, |ana|<ϵ nach n umzustellen, um die gewünschte Bedingung für n zu finden. Jedoch muss man hier darauf achten, dass man nur Äquivalenzumformungen verwendet. Am Ende müssen nämlich alle Umformungen auch in die Gegenrichtung geführt werden können, damit man im Beweis aus n wieder die Zielungleichung |ana|<ϵ zeigen kann. In diesem und nächsten Kapitel sind dafür einige Beispiele.

Vorlage:Noprint

Kehren wir zur obigen Beispielaufgabe zurück und fangen an, |1nn+1| zu vereinfachen:

Vorlage:Einrücken

Von diesem Ausdruck wissen wir aufgrund des archimedischen Axioms, dass er irgendwann kleiner als ϵ ist. Das archimedische Axiom fordert nämlich, dass es für alle ϵ>0 ein M mit 1M<ϵ gibt. Um 1n+1<ϵ zu erreichen, kann n+1M gewählt werden. Dann folgt nämlich 1n+11M<ϵ. Damit reicht es, wenn n die folgende Bedingung erfüllt:

Vorlage:Einrücken

Damit haben wir die gewünschte Abschätzung mit der einzigen Bedingung nM1. Wir wählen im Beweis also N=M1, wobei M, wie oben genannt, mit dem archimedischen Axiom gewählt wird.

Beweis aufschreiben

Wir schreiben nun den Beweis ins Reine (zur Übung kannst du selbst probieren, den Beweis nach dem obigen Schema aufzuschreiben):

Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Beweis

Wenn wir den Beweis und den Lösungsweg miteinander vergleichen, dann sehen wir, dass sie völlig verschieden formuliert sind. Im Beweis scheint die Wahl von M und N vom Himmel zu fallen, weil ohne bekannten Lösungsweg nicht klar ist, warum man diese Zahlen so wählen sollte. Dies zeigt, dass man niemals den Beweis eines Mathematikers mit dem Lösungsweg zum Beweis verwechseln sollte!

Übungsaufgabe

Wir empfehlen euch, genau wie eben beschrieben, die folgende Aufgabe zu versuchen.

Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Aufgabe

Beweise für Divergenz führen Vorlage:Anker

Allgemeine Beweisstruktur

Die Divergenz einer Folge tritt per Definition genau dann ein, wenn die Folge nicht konvergent ist. Die aussagenlogische Formulierung von Divergenz ist also genau die Negation der Konvergenz-Definition. Dafür tauschen wir alle Quantoren aus und ändern im Teil nach den Quantoren < zu . (Analog würden wir bei Negation > zu und = zu umändern.) Bei Divergenz der Folge (an)n haben wir also folgende Aussage zu beweisen:

Vorlage:Einrücken

Die damit verbundene Beweisstruktur ist:

Vorlage:Einrücken

Hier können Teile des Beweisschemas weggelassen werden, wenn sie offensichtlich sind. Jedoch muss die grundlegende Beweisstruktur erhalten bleiben.

Beispielaufgabe

Die Folge (2n)n

Schauen wir uns den Divergenzbeweis exemplarisch an folgender Aufgabe an:

Vorlage:-

Auch hier können wir mit den obigen Techniken (erste Folgenglieder berechnen, große Folgenglieder ausrechnen usw.) eine Vermutung aufstellen, ob diese Folge divergiert. Wir sehen aber schnell, dass die Folge über alle Grenzen hinweg wächst und sich dabei keiner reellen Zahl annähert. Die Folge (an)n sollte also divergieren. Jetzt versuchen wir, einen Beweis für diese Behauptung zu finden.

Lösungsweg

Kern des späteren Beweises ist die zu zeigende Ungleichungskette

Vorlage:Einrücken

Starten wir also wieder mit dem Betrag |ana|. Auf einem Schmierblatt versuchen wir diesen Ausdruck so lange zu vereinfachen und nach unten abzuschätzen, bis wir einen Term ϵ>0 haben. a ist dabei beliebig vorgegeben und wir können keinen Einfluss auf den Wert von a nehmen. Schließlich müssen wir den Beweis für alle Zahlen a führen.

Jedoch können wir ϵ und n frei wählen. Es muss nur gesichert sein, dass ϵ>0 und nN ist, wobei N eine beliebige natürliche Zahl ist. Da ϵ nach a im Beweis eingeführt wird, darf ϵ von a abhängen (jedoch nicht von n). Die natürliche Zahl n darf sowohl von a, als auch von ϵ abhängen. Wir können also während der Abschätzung nach unten beliebige Bedingungen an ϵ und n sammeln. Diese Bedingungen werden zum Schluss ähnlich wie beim Konvergenzbeweis zusammengefasst.

Fangen wir also an mit |2na|. Um den Term zu vereinfachen, können wir 2na fordern, weil wir dann den Betrag weglassen können. Dass für ein n die Ungleichung 2na erfüllt ist, erhalten wir aus den Folgerungen der Bernoulli-Ungleichung. Eine davon besagt:

Vorlage:-

Wir müssen nur M=a und p=2 setzen. So erhalten wir mit der Bedingung 2na:

Vorlage:Einrücken

Nun müssen wir 2naϵ beweisen, also formen wir dies durch Äquivalenzumformungen um:

Vorlage:Einrücken

So erhalten wir die neue Bedingung 2na+ϵ, womit wir die letzte Ungleichung beweisen können. Für ϵ haben wir noch keine Bedingungen und können damit diese Zahl frei wählen. Dass es tatsächlich für jedes ϵ ein n gibt mit 2na+ϵ , liegt daran, dass wir die Folgerung aus der Bernoulli-Ungleichung auch mit M=a+ϵ benutzen können. Wir müssen nur aufpassen, dass ϵ>0 ist. So wählen wir einfach ϵ=1. Für n haben wir die beiden Bedingungen 2na und 2na+ϵ=a+1. Also wählen wir 2nmax{a,a+1}=a+1, um beide Bedingungen zusammenzufassen.

Beweis aufschreiben

Nun haben wir alle notwendigen Schritte, um den Beweis zu führen:

Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Beweis

Weitere Beweismethoden für Konvergenz und Divergenz

In den obigen beiden Abschnitten haben wir die Konvergenz beziehungsweise die Divergenz einer Folge direkt über die Epsilon-Definition des Grenzwerts geführt. In den folgenden Kapiteln wirst du auch folgende weitere Möglichkeiten kennen lernen, mit denen du Beweise zur Konvergenz und Divergenz führen kannst:

  • Jede unbeschränkte und monotone Folge divergiert. Beispiel: Die Folge an=n divergiert, weil sie unbeschränkt ist.
  • Jede beschränkte und monotone Folge konvergiert. Beispiel: Die Folge an=112n ist nach unten durch 12 und nach oben durch 1 beschränkt. Außerdem ist die Folge monoton steigend. Deswegen konvergiert sie.
  • Sei (an)n eine Folge. Wenn es für alle ϵ>0 ein N gibt, so dass |anam|<ϵ für alle n,mN ist, dann konvergiert die Folge (an)n. Dieses Kriterium wird Cauchy-Kriterium genannt, und ich werde es dir später genauer vorstellen. Es wird hauptsächlich in allgemeineren Beweisen verwendet und weniger dazu, die Konvergenz einer speziellen Folge zu zeigen.
  • Mit Hilfe der Grenzwertsätze und des Sandwichsatzes kannst du auch den Grenzwert von Folgen berechnen, ohne die Epsilon-Definition des Grenzwerts verwenden zu müssen.

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