Mathe für Nicht-Freaks: Rechenregeln für Reihen

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Wir haben die Reihen als unendliche Summe kennen gelernt. Wie geht man aber mit ihr um? Darf man bei unendlichen Summen dieselben Rechenregeln anwenden, die für endliche Summen gelten? Kann man beispielsweise „wahllos“ Klammern setzen und entfernen (Assoziativgesetz der Addition) oder Summanden „nach Lust und Laune“ umordnen (Kommutativgesetz der Addition)? Nein, nicht unbedingt: Wie wir sehen werden, gibt es beim Setzen von Klammern und beim Umordnen von Summanden bei Reihen Einschränkungen. Jedoch gibt es auch nützliche Rechenregeln: So darf man konvergente Reihen miteinander addieren und diese mit einer Konstanten multiplizieren.

Übersicht

Rechenregeln

Im Kapitel zu den Grenzwertsätzen von Folgen haben wir unter anderem gezeigt, dass limn(an+bn)=limnan+limnbn für konvergierende Folgen (an)n und (bn)n ist. Auch für Reihen können ähnliche Sätze gezeigt werden. So gelten die folgenden Formeln für konvergente Reihen k=1ak und k=1bk sowie für eine Konstante λ:

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Ferner konvergiert eine Reihe k=1ak, wenn die beiden Reihen k=1a2k und k=1a2k1 konvergieren, welche man erhält, wenn man die Reihe aufteilt. Dabei ist:

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Innerhalb einer konvergenten Reihe k=1ak können neue Klammern eingefügt werden. Es gilt also:

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Dabei ist (jl)l die streng monoton steigende Folge natürlicher Zahlen mit j1=1, bei der jl jeweils den Index der ersten Summanden einer Klammer bezeichnen. Demgegenüber können bei divergenten Reihen beliebig viele Klammern weggelassen werden. Divergiert nämlich die Reihe l=1(k=jljl+11ak), dann divergiert auch die Reihe k=1ak.

Was bei Reihen nicht so einfach funktioniert Vorlage:Anker

Für die Partialsummen gilt: (k=1nak)(k=1nbk)k=1nakbk. Das Multiplizieren von zwei oder mehr Reihen ist bei weitem komplexer, derart, dass wir es hier nicht behandeln werden.

Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Frage

Ein allgemein gültiges Assoziativ- und Kommutativgesetz für Reihen existiert nicht. Bei endlichen Summen kommt es nicht auf die Reihenfolge der Summanden an, man darf sie also nach Belieben umordnen und ebenso nach Belieben darf man Klammern setzen und entfernen: Nicht aber bei unendlichen Summen, denn das Setzen bzw. Entfernen von Klammern sowie das Umordnen von Gliedern ist bei Reihen nicht zwangsläufig wirkungslos. An Stelle eines allgemeinen Assoziativ- und Kommutativgesetz für Reihen gibt es stattdessen den Umordnungssatz und das Cauchy-Produkt für Reihen. Bei diesen gelten jedoch zusätzliche Voraussetzungen an die konvergenten Reihen.

Summenregel

Beweis der Summenregel

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Beispielaufgabe Summenregel

Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Aufgabe

Faktorregel

Beweis der Faktorregel

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Beispielaufgabe Faktorregel

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Aufteilungsregel

Beweis der Aufteilungsregel

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Beispielaufgabe Aufteilungsregel

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Das Assoziativgesetz bei Reihen

Warum es kein allgemeines Assoziativgesetz für Reihen gibt

Bei endlichen Summen ist es dank des Assoziativgesetzes der Addition erlaubt, beliebige Klammern zu setzen. Beispielsweise ist

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Analog gilt

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Bei unendlichen Reihen müssen wir hingegen aufpassen. Betrachten wir in Analogie die Reihe

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Diese Reihe hat die folgende Folge von Partialsummen:

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Diese Folge springt zwischen den Werten 0 und 1 hin und her und ist damit divergent (da sie mit 0 und 1 zwei verschiedene Häufungspunkte besitzt). Durch Setzen von Klammern erhalten wir jedoch eine gegen Null konvergente Reihe:

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In einer divergenten Reihe dürfen Klammern nicht beliebig gesetzt oder weggelassen werden, da sonst das Konvergenzverhalten der Reihe verändert werden kann. Obiges Beispiel zeigt auch, dass bei konvergenten Reihen Klammern nicht weggelassen werden dürfen. Die obige Reihe k=1((1)2k+(1)2k+1) ist konvergent. Wenn wir aber die Klammern weglassen, erhalten wir die Ausgangsreihe k=1(1)k+1, welche divergiert.

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Beispiel: Eine Situation, wo Klammern gesetzt werden können

Betrachten wir die konvergente Reihe k=02k. Diese Reihe stellt die unendliche Summe 1+12+14+18+ dar. Zu ihr gehört die Partialsummenfolge:

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Was passiert, wenn wir neue Klammern in der unendlichen Folge einfügen? Beispielsweise können wir zwei benachbarte Summanden durch eine Klammer zusammenfassen und erhalten so den Ausdruck (1+12)+(14+18)+. In der Reihenschreibweise erhalten wir k=0(22k+2(2k+1)). Damit erhalten wir folgende Partialsummenformel

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Diese Partialsummenfolge ist eine Teilfolge der ursprünglichen Partialsummenfolge. Nun konvergiert die Reihe k=02k und damit auch die dazugehörige Partialsummenfolge. Da bei konvergenten Folgen auch jede Teilfolge gegen denselben Grenzwert konvergiert, muss auch die neu geklammerte Partialsummenfolge k=0(22k+2(2k+1)) gegen denselben Grenzwert wie die ursprüngliche Partialsummenfolge konvergieren. Es ist also möglich, Klammern in Reihen zu setzen.

Wann Klammern gesetzt und weggelassen werden können

Wenn wir in einer Reihe benachbarte Summanden durch Klammern zusammenfassen, bevor die Reihe gebildet wird, dann entsteht eine Teilfolge der ursprünglichen Partialsummenfolge. Nun gilt:

  • Konvergiert eine Folge, dann konvergiert jede Teilfolge.
  • Divergiert eine Teilfolge, dann divergiert auch die ursprüngliche Folge.

Da Klammersetzung in einer Reihe eine Teilfolge der ursprünglichen Partialsummenfolge ergibt, erhalten wir:

  • In konvergierenden Reihen können Klammern beliebig gesetzt werden.
  • In divergenten Reihen können Klammern beliebig weggelassen werden.

Wir erhalten den folgenden Satz:

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Warnbeispiel: Summe aller natürlichen Zahlen gleich -1/12?!

In vielen Youtube-Videos und Presse-Artikeln[1] findet sich ein „Beweis“, dass die Summe der natürlichen Zahlen gleich 112 sei:

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Diese offensichtlich falsche Aussage zeigt, was passiert, wenn mit falschen Grenzwerten hantiert und die Rechenregeln für Reihen ohne Prüfung der Voraussetzungen angewendet werden. Der „Beweis“ dazu lautet wie folgt: Zunächst gilt mit der Formel für die geometrische Reihe:

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Weiter erhalten wir für die Reihe k=1(1)k1k die Identität

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Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Frage

Dividieren wir diese Gleichung durch 2, so erhalten wir k=1(1)k1k=14. Subtrahieren wir nun dies von unserer ursprünglichen Reihe k=1k, so ergibt sich

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Daraus folgt

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q.e.d. bzw. w.t.f.

Ausblick: Reihen und Vektorräume

Für Reihen k=1ak und k=1bk sowie λ geltenden die folgenden Rechenregeln:

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Mit Hilfe des Begriffs des Vektorraums und der lineare Abbildungen können diese Regeln auch so interpretiert werden: Die Menge aller reellwertigen Folgen V={(an)nV:an} bildet unter der punktweisen Addition und der skalaren Multiplikation einen Vektorraum (Vektorräume sind Mengen, deren Elemente man addieren und skalieren kann). Aus den obigen Regeln folgt, dass die Menge U={(an)n:k=1ak konvergiert} aller Folgen (an)n, bei denen die Reihe k=1ak konvergiert, ein Untervektorraum der Menge V aller Folgen ist. Außerdem ist die Abbildung f:U:(an)nk=1ak, die einer Folge (an)n den Grenzwert von ihrer Reihe k=1ak zuordnet, eine lineare Abbildung.

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  1. Siehe zum Beispiel diesen Spiegel-Artikel.