Varianten der klassischen Mechanik/ Erweiterung auf mehrdimensionale Systeme

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Die Erkenntnisse bei der Verallgemeinerung auf eindimensionale Vielteilchensysteme können wir beinahe unmittelbar auf mehrdimensionale Systeme übertragen. Beim d'Alembert'schen Prinzip der virtuellen Arbeit finden wir z.B.


DNi=1(p˙iFi)δxi=0.


wieder. Hier bezeichne D die Anzahl der Komponenten, die Orts-, Geschwindigkeits- oder Kraftvektoren besitzen mögen (in der dreidimensionlen Welt der Mechanik ist in der Regel D=3). Jede dieser Komponenten trägt im Allg. zur gesamten virtuellen Arbeit bei. Betrachten wir z.B. dreidimensionale Vielteilchensysteme, dann haben wir bei N Teilchen DN=3N Beiträge zur virtuellen Arbeit. D.h. auch hier werden die Beiträge zur gesamten virtuellen Arbeit einfach addiert. Bei der Einführung verallgemeinerter Koordinaten, xi=xi(q1,...,qM,t)(i=1,...,DN), ist es möglich, dass deren Anzahl M kleiner ist als DN: MDN. Denn evtl. gibt es ν sog. »Nebenbedingungen«, die die Anzahl der sog. »Freiheitsgrade« auf f=DNν reduzieren. Beim quasi-zweidimensionalen Problem eines Körpers, der eine schiefe Ebene herunter rutscht (d.h. D=2 und N=1), benötigt man zwei Komponenten zur Beschreibung der vektoriellen Größen wie z.B. der Kräfte, d.h. DN=2. Der Körper kann sich jedoch nur entlang der schiefen Ebene bewegen (was die Nebenbedingung darstellt), also entlang einer Dimension, d.h. es gibt nur einen Freiheitsgrad: f=1. Die Anzahl der Nebenbedingungen DNf beträgt also gleichermaßen Eins. Die Anzahl M der gewählten verallgemeinerten Koordinaten kann aber immer noch größer sein als die wirkliche Anzahl f der Freiheitsgrade des betrachteten Systems: Mf, wie z.B. M=DN, im betrachteten Beispiel also 2. Bei M>f, d.h. wenn wir mehr (nämlich M) Komponenten der virtuelle Verrückung δqi als Systemfreiheitsgrade f haben, hat dies zur Folge, dass wir in


0=Mi=1[DNj=1fjxjqi(ddtLq˙iLqi)]δqi.


nicht mehr darauf schließen können, dass die Koeffizienten der virtuellen Verrückungen δqi alle einzeln verschwinden. Die virtuellen Verrückungen sind dann nämlich nicht mehr alle voneinander linear unabhängig. In der Regel können aber z.B. mit Hilfe der Methode der sog. »Lagrange'schen Multiplikatoren« auch diese Schwierigkeiten überwunden, d.h. die Nebenbedingungen berücksichtigt werden. Bei M=f, also einer optimalen Koordinatenwahl (was aber evtl. nicht immer gelingen wird), treten diese Probleme hingegen nicht auf, d.h. wir können dann ganz analog zum Kapitel über die (eindimensionalen) Vielteilchensystemen vorgehen.

D'Alembert'sches Prinzip, Nebenbedingungen und Zwangskräfte

Bleiben wir bei einem Körper, der im Schwerefeld der Erde reibungslos eine schiefen Ebene herab gleitet. Der Versuchsaufbau ist in der Fig. 1 skizziert.


Datei:Varianten der klass Mechanik Schiefe Ebene.jpg
Fig. 1: Körper, der sich im Gravitationsfeld entlang einer schiefen Ebene bewegt.


Die Bewegung vollziehe sich dabei in der xy-Ebene, wobei x1=x und x2=y seien. Das kartesiche Koordinatensystem werde durch die Einheitsvektoren e^1=e^x=(10) und e^2=e^y=(01) aufgespannt, d.h. e^i2=1,i=1,2 und e^1e^2=0. Man erkennt in der Fig. 1 sofort, dass die Bewegung am einfachsten in einem Koordinatensystem beschrieben werden kann, dessen 1-Achse entlang der schiefen Ebene (in der xy-Ebene) verläuft. Ein solches Koordinatensystem geht aus dem ursprünglichen durch eine Drehung um den Winkel φ hervor und ist gleichermaßen kartesisch. Es werde von den Einheitsvektoren e^q1 und e^q2 aufgespannt: e^qi2=1,i=1,2 und e^q1e^q2=0. Bei Drehungen ist der Zusammenhang zwischen den Basisvektoren e^q1, e^q2 und e^1, e^2 der folgende:


e^q1=(e^q1e^1)e^1+(e^q1e^2)e^2=2i=1(e^q1e^i)e^i=cosφe^1+sinφe^2,
e^q2=(e^q2e^1)e^1+(e^q2e^2)e^2=2i=1(e^q2e^i)e^i=sinφe^1+cosφe^2,


was man wegen der Skalarprodukt-Eigenschaft e^qie^j=cos(e^qi,e^j) für Einheitsvektoren durch Ablesen der Winkel (e^qi,e^j) zwischen den jeweiligen Vektoren e^qi und e^j aus der Fig. 1 (und z.B. durch Anwenden der Additionstheoreme für Sinus und Kosinus) erhält. Wenn ein Punkt (x1,x2) im Koordinatensystem der e^i durch einen Punkt (q1,q2) im Koordinatensystem der e^qi beschrieben werde, dann gilt also folgender Zusammenhang zwischen den beiden Koordinaten-Paaren bzw. den zugehörigen Ortsvektoren x und q:


q=2i=1qie^qi=(q1cosφq2sinφ)e^1+(q1sinφ+q2cosφ)e^2=
(q1cosφq2sinφq1sinφ+q2cosφ)=(cosφsinφsinφcosφ)(q1q2),


wobei dieser Vektor gleich


x=2i=1xie^i=(x1x2),


sein muss, da beide Ortsvektoren ja denselben Punkt beschreiben (s. Fig. 1), d.h. es gilt


(x1x2)=D_(φ)(q1q2)


mit der Matrix D_(φ)=(cosφsinφsinφcosφ) für eine Drehung um die z- bzw. 3-Achse e^3=e^z (die auf der xy-Ebene senkrecht stehe; der Vektor zeige in Fig. 1 dabei in Richtung des Betrachters) mit dem Winkel φ (im Gegenuhrzeigersinn). Die Koordinaten von q lassen sich auch umgekehrt durch jene von x ausdrücken:


(q1q2)=D_1(φ)(x1x2)=(cosφsinφsinφcosφ)(x1x2)=(x1cosφ+x2sinφx1sinφ+x2cosφ),


wobei das Inverse D_1(φ) von D_(φ) aus letzterer Matrix durch Vorzeichenumkehr beim Drehwinkel hervorgeht, da ja einfach nur um den gleichen Winkel »zurückgedreht« werden muss (sodass also diesmal die Drehung im Uhrzeigersinn, d.h. mit φ erfolgt): D_1(φ)=D_(φ). Man überzeuge sich leicht, dass dann tatsächlich D_1(φ)D_(φ)=D_(φ)D_1(φ)=1_=(1001) gilt.


Ob wir jetzt das D'Alembert'sche Prinzip mit Hilfe der alten Koordinaten x oder der neuen Koordinaten q beschreiben, darf aber am Resultat dieser Betrachtungen, d.h. den Bewegungsgleichungen für den Körper auf der schiefen Ebene, nichts ändern. Das eine Koordinatensystem (nämlich jenes von q) ist aber der Problemstellung angepasster als das andere. Die Nebenbedingung für die Bewegung entlang der schiefen Ebene lässt sich nämlich im System von q leicht beschreiben: q2=0 , während im System von x die gleiche Bedingung folgendermaßen lautet: 0=q2=x1sinφ+x2cosφ. Die Zeitableitung des Impulses kann in beiden Koordinatensystemen dargestellt werden:


p˙=m2i=1x¨ie^i=m2i=1q¨ie^qi.


Weil die Basisvektoren e^qi wie die Vektoren e^i zeitlich konstant sind (denn der Winkel φ, der die Schräge der schiefen Ebene angibt, verändert sich ja nicht mit der Zeit), haben wir keine zusätzlichen Terme durch Differenziation der Basisvektoren nach der Zeit erhalten.

Auf die Masse m wirke eine Gravitationskraft FG=mge^2 mit der konstanten Beschleunigung g anti-parallel zur 2-Achse, d.h. Letzterer entgegen gerichtet.

Das D'Alembert'sche Prinzip ergibt im System der neuen Koordinaten q unter der Nebenbedingung q2=0 und somit auch δq2=0 bzw. δq=δq1e^q1 (statt δq=δq1e^q1+δq2e^q2) folgende Gleichung:


0=(p˙FG)δq=(mq¨1e^q1+mq¨2e^q2+mge^2)δq1e^q1=(mq¨1+mgsinφ)δq1.


Unter der sinnvollen Forderung, dass δq1 im Allg. nicht gleich Null ist, schließen wir hieraus:


0=mq¨1+mgsinφ.


Die Bewegungsgleichung sieht übrigens auf dem ersten Blick so aus, als hätten wir darin einen Vorzeichenfehler: Man beachte aber, dass im Gegensatz zu der in der übrigen Literatur oft gewählten Koordinate unsere q1-Achse die schiefe Ebene hinauf, d.h. sozusagen entgegen der Fahrtrichtung, zeigt.

Das D'Alembert'sche Prinzip, formuliert im System der alten Koordinaten x, führt unter der Nebenbedingung 0=δx1sinφ+δx2cosφ auf:


0=(p˙FG)δx=mx¨1δx1+(mx¨2+mg)δx2=[mx¨1+(mx¨2+mg)sinφcosφ]δx1,


woraus wir


0=mx¨1cosφ+(mx¨2+mg)sinφ=mq¨1+mgsinφ


erhalten, wobei wir darin q1=x1cosφ+x2sinφ ausgenutzt haben.

Als Alternative hierzu hätten wir auch die Nebenbedingung mit Hilfe sog. »Lagrange'scher Multiplikatoren« berücksichtigen können. Hierzu wird jede Nebenbedingung mit einem beliebigen Multiplikator versehen und von der D'Alembert'schen Gleichung abgezogen. In diesem Falle heiße dieser λ:


0=(p˙FG)δqλδq2=(mq¨1e^q1+mq¨2e^q2+mge^2)(δq1e^q1+δq2e^q2)λδq2.
=(mq¨1+mgsinφ)δq1+(mq¨2+mgcosφλ)δq2.


An der Gültigkeit dieser Gleichung ändert der zusätzliche Summand nichts, da er ja gleich Null ist. Weil λ zunächst als beliebig angenommen wurde, können wir ihn auch so wählen, dass der Koeffizient von δq2 verschwindet. Somit muss auch der Summand mit δq1 gleich Null sein. Zudem wissen wir ja bereits, dass aufgrund der Nebenbedingung zwar δq2 verschwindet, aber auch, dass dies im Allg. für δq1 nicht gilt. Daher muss der Koeffizient von δq1 gleich Null sein: 0=mq¨1+mgsinφ. Nicht immer sind die Verhältnisse so einfach wie hier: Der frei wählbare Parameter λ trat nur in einem der beiden Summanden der Gleichung auf, was die Schlussfolgerung enorm erleichtert hat. Aber selbst dann, wenn dies nicht der Fall gewesen wäre, hätten wir durch das Einführen des zusätzlichen Parameters λ sowieso davon ausgehen dürfen, dass aus 0=(a1λA1)δq1+(a2λA2)δq2 a1λ=a2λ=0 folgt, wenn allgemein formuliert 0=a1δq1+a2δq2 die D'Alembert'sche Gleichung und 0=A1δq1+A2δq2 die Nebenbedingung darstellen. Denn wir können die letzteren beiden Gleichungen als ein lineares Gleichungssystem in Matrixform darstellen:


0=A_δx=(a1a2A1A2)(δq1δq2)=(a1A1)δq1+(a2A2)δq2=A1δq1+A2δq2.


Es gilt, dass der Vektor δq~=(δq1,δq2)T0 ist (d.h. dass wenigstens eine seiner beiden Komponenten nicht verschwindet, was ja eine sinnvolle und notwendige Voraussetzung ist, damit wir überhaupt so etwas wie eine Nebenbedingung haben), wenn die Spaltenvektoren A1 und A2 der Matrix A_ linear abhängig sind. Die Determinante der Matrix A_ muss dann aber verschwinden: det(A_)=0. Bei Determinanten sind zudem einige Operationen möglich, ohne ihren Wert zu verändern, z.B. gilt det(A_)=det(A_T), wobei A_T die Transposition von A_ ist, d.h. in ihr alle Zeilen und Spalten vertauscht sind. Wir können auch einer Spalte das Vielfache, z.B. λ-fache, einer weiteren Spalte in der Determinate hinzu addieren, ohne den Wert der ursprünglichen Determinante zu verändern. Dies haben wir genau in dieser Reihenfolge an unserer Determinante det(A_) so durchgeführt:


0=det(A_)=|a1a2A1A2|=|a1A1a2A2|=|(a1λA1)A1(a2λA2)A2|=a1A2a2A1.


Der Parameter λ ist aber eine beliebige Zahl, die wir auch so wählen können, dass z.B. a2λA2=0 gilt (zumindest, wenn bei a20 auch A20 ist). Aus


0=det(A_)=|a1λA1A10A2|=A2(a1λA1)


folgt somit a1λA1=0 (da wir ja zuvor A20 vorausgesetzt haben).

Wir hätten also auch folgendermaßen argumentieren können: Mit der Forderung a2λA2=0 (da ja λ frei wählbar ist, d.h. eine beliebige Zahl sein darf) können wir in 0=(a1λA1)δq1+(a2λA2)δq2 direkt auf 0=(a1λA1)δq1 schließen. Da δq~=(δq1,δq2)T0 sein soll, muss mindestens eine seiner Komponente ungleich Null sein, z.B. δx10. Wegen δx10 können wir somit a1λA1=0 folgern. Wenn hingegen δx1=0 gewesen wäre, dann hätten wir lieber 0=(a1λA1) gefordert. Da bei δx1=0 nach Voraussetzung aber δx20 gelten muss, können wir aus 0=(a2λA2)δq2 auf 0=(a2λA2) schließen. D.h. durch eine entsprechende Umnumerierung 12 bzw. 21 der Indizes i=1,2 von ai,Ai,δqi hätten wir auch bei der ersten Variante unserer Forderung verbleiben können.

Das D'Alembert'sche Prinzip, formuliert im System der alten Koordinaten x, führt auf genau diese Situation:


0=(p˙FG)δxλ(δx1sinφ+δx2cosφ)=(mx¨1+λsinφ)δx1+(mx¨2+mgλcosφ)δx2.


Hier dürfen wir also dennoch getrost fordern:


0=mx¨1+λsinφ,
0=mx¨2+mgλcosφ.


Multiplizieren wir die erstere Gleichung mit cosφ und die Letztere mit sinφ und addieren anschließend beide Gleichungen, dann erhalten wir erneut 0=mx¨1cosφ+(mx¨2+mg)sinφ=mq¨1+mgsinφ.

Wir können das D'Alembert'sche Prinzip statt mit der geometrisch motivierten Nebenbedingung δq2=0 natürlich auch mit Hilfe der Zwangskraft FN=mgcosφe^q2 formulieren, die senkrecht auf der schiefen Ebene (und somit parallel zu e^q2) steht und verhindert, dass der betrachtete Körper durch Letztere einfach hindurch fällt:


0=(p˙(FGFN))δq=(mq¨1e^q1+mq¨2e^q2+mge^2mgcosφe^q2)(δq1e^q1+δq2e^q2).


Wegen mge^2(δq1e^q1+δq2e^q2)=mgsinφδq1+mgcosφδq2 erhalten wir daraus


0=mq¨1+mgsinφ und 0=mq¨2.


Kehren wir noch einmal zurück zu den Bewegungsgleichungen mit den Lagrange'schen Multiplikatoren, formuliert im System von x. Multiplizieren wir 0=mx¨1+λsinφ dieses Mal mit sinφ und 0=mx¨2+mgλcosφ mit cosφ und addieren anschließend jene beiden Gleichungen, dann erhalten wir durch Berücksichtigen von 0=q2=x1sinφ+x2cosφ eine Aussage darüber, was der Langrange-Multiplikator λ ist: λ=mgcosφ. Diesen Wert für λ in die Gleichung 0=mq¨2+mgcosφλ eingesetzt, ergibt natürlich wieder 0=mq¨2 (was wir wegen 0=q2 natürlich auch sofort erraten hätten). Wir erkennen aber auch an den letzten beiden Gleichungen, dass λe^q2=mgcosφe^q2=FN gleich der Zwangskraft ist. D.h. die Formulierung des D'Alembert'schen Prinzips mit Hilfe von Zwangskräften oder Lagrange'schen Multiplikatoren ist völlig gleichwertig. Es ist oft jedoch einfacher, aus der Geometrie des Versuchsaufbaus Nebenbedingungen (wie in diesem Beispiel 0=q2) abzulesen als die auftretenden Zwangskräfte zu bestimmen.


Ein Beispiel, in dem mehr als nur eine Nebenbedingung berücksichtigt werden muss, stellt z.B. das sog. physikalische Pendel dar, das aus zwei nicht notwendigerweise gleichen Massen bestehen soll, die an den Enden einer starren (und als masselos gedachten) Stange in der xy-Ebene befestigt sind. Dieses System kann sich nur in der xy-Ebene um eine Achse senkrecht zu dieser Ebene drehen (d.h. die Drehachse ist parallel zur z-Achse). Die Achse verlaufe dabei durch einen Punkt auf der Stange, dem Ursprung des gewählten Koordinatensystems, der im Allg. nicht der Schwerpunkt des Systems sei: Siehe folgende Fig. 2. Auf jede Masse mi wirke eine Gravitationskraft entlang der y-Achse:

FG,i=mige^y

mit i=1,2.


Datei:Phys pendel.jpg
Fig. 2: Physikalisches Pendel aus zwei Massen bestehend.


Die Masse m1 am Ort x1 befinde sich also immer im festen Abstand vom Koordinatenursprung:


x12=const.0=x1δx1.


Letztere Gleichung lässt sich durch eine infinitesimale Drehung um den Winkel δφ1 erfüllen:


δx1=δφ1×x1.


Entsprechendes gilt für die Masse m2 am Ort x2:


x22=const.0=x2δx2.


Auch diese Gleichung lässt sich durch eine infinitesimale Drehung um den Winkel δφ2 erfüllen:


δx2=δφ2×x2.


Die Drehungen erfolgen um die z- bzw. 3-Achse, d.h.


δφi=δφie^z.


Daher erhalten wir aus δxie^x+δyie^y=δxi=δφ×xi=xiδφie^yyiδφie^x die beiden Nebenbedingungen δxi=yiδφi und δyi=xiδφi.

Der Tatsache, dass beide Massen während der Drehbewegung fest an den Enden einer starren Stange sitzen (und die Rotation um einen Achse senkrecht zu Letzterer erfolgt), können wir durch die Forderung


0=δφ1δφ2


Rechnung tragen, da die Drehwinkel bei beiden Massen immer gleich sein müssen.

Für unser 2-Teilchen-System in einer Ebene, d.h. Teilchenzahl N=2 und die Anzahl der Dimensionen D=2, haben wir somit drei Nebenbedingungen (ν=3), woraus sich für die Anzahl der Freiheitsgrade wieder f=DNν=1 ergibt: Der einzige Parameter, den wir benötigen, um die Bewegung des Systems zu beschreiben, ist ja der Drehwinkel φ.

Diese Nebenbedingungen lassen sich in der Form δxi=yiδφ bzw. δyi=xiδφ beispielsweise wieder direkt in die D'Alembert'sche Gleichung einsetzen:


0=2i=1(pi˙FG,i)δxi=2i=1[mi(x¨ie^x+y¨ie^y)+mige^y](δxie^x+δyie^y)=
2i=1[mix¨iδxi+(miy¨i+mig)δyi]=2i=1[mi(xiy¨iyix¨i)+gmixi]δφ


Hierin stellt die Größe 2i=1mi(xiy¨iyix¨i)=ddt2i=1mi(xiy˙iyix˙i)=ddtLz=Mz die z-Komponente des gesamten Drehmomentes M=2i=1xi×mix¨i dar, der wiederum gleich der Zeitableitung des Gesamtdrehimpulses L=2i=1xi×mix˙i ist. Hier wird die Vielseitigkeit des D'Alembert'schen Prinzips erneut deutlich: Kräfte und Drehmomente treten dort nämlich gleichberechtigt auf. Denn wir sind von einem Term des Typs p˙δx ausgegangen und schließlich zu einem Term Mδφ gelangt:


p˙δx=p˙(δφ×x)=(x×p˙)δφ=Mδφ .


Beiden Termen ist aber gemeinsam, dass sie die Dimension einer Energie besitzen.

Die z-Komponente des Drehimpulses lässt sich über den Parameter φ z.B. mittels Polarkoordinaten ausdrücken: xi=ricosφ und yi=risinφ, worin ri=|xi| bedeuten. Die zugehörigen Geschwindigkeiten lauten dann x˙i=φ˙risinφ und y˙i=φ˙ricosφ, woraus sich


Lz=2i=1mi(xiy˙iyix˙i)=2i=1miri2φ˙


ergibt. Der Term 2i=1miri2 ist hierbei das Trägheitsmoment Θ33.

Den Term 2i=1mixi=2i=1miricosφ gibt im Wesentlichen die x-Komponente des Schwerpunktes an. In der Literatur erscheint an dieser Stelle meist ein Sinus anstelle der Kosinus-Funktion hier. Dies hängt davon ab, wie der Winkel gemessen wird. Drücken wir unseren Winkel φ durch einen Winkel α aus, der zwischen der negativen y-Achse und der Stange gemessen wird, dann erhalten wir folgende Zusammenhänge: φ=34π+α bzw. cosφ=sinα. In dieser Koordinate erhalten wir also folgende Bewegungsgleichung für unser physikalisches Pendel:


Θ33α¨+g2i=1mirisinα=0.


Das D'Alembert'sche Prinzip, mittels Lagrange-Multiplikatoren formuliert, lautet:


0=2i=1[(pi˙FG,i)δxi+λi(xiδxi+yiδyi)]+λ3(δφ1δφ2)=
2i=1[mi(xiy¨iyix¨i)+gmixi+λi(yixixiyi)]δφi+λ3(δφ1δφ2)


Für jede der drei Nebenbedingungen haben wir einen Lagrange-Multiplikator λi eingeführt, wobei in obiger Gleichung die Koeffizienten von λ1 und λ2 aber offensichtlich verschwinden. Übrig bleibt nur der Parameter λ3, was zu zwei Gleichungen führt:


m1(x1y¨1y1x¨1)+gm1x1+λ3=0,
m2(x2y¨2y2x¨2)+gm2x2λ3=0.


Beim Bilden der Summe aus beiden Gleichungen wird λ3 eliminiert, woraus wir wieder die Gleichung


2i=1[mi(xiy¨iyix¨i)+gmixi]=0


erhalten. Der Lagrange'sche Multiplikator λ3 besitzt hier offensichtlich die Bedeutung einer Zwangskraft im verallgemeinerten Sinne und drückt das gesamte Drehmoment auf ein Teilchen aus, das durch das jeweils andere Teilchen (übertragen durch die Stange) auf ihn einwirkt. Auch hier ist die »Kraft« in Wirklichkeit ein Drehmoment.

Zusammenfassend können wir feststelen, dass das D'Alembert'sche Prinzip insbesondere dann nützlich wird, wenn wir Nebenbedingungen an das betrachtete System stellen. Werden die Nebenbedingungen mit Hilfe von Lagrange'schen Multiplikatoren berücksichtigt, ermöglicht dies ein Aufstellen von Kräfte- oder Drehmoment-Bilanz-Gleichungen wie in der Newton'schen Dynamik, da die Terme mit jenen Multiplikatoren letztlich auch nichts andres als Zwangskräfte (oder -drehmomente) darstellen, die durch die Nebenbedingungen verursacht werden. Im Folgenden wollen wir dies ganz allgemein an einem System mit z.B. M=DN Koordinaten qi diskutieren, das ν<M Nebenbedingungen der Form


0=Mi=1Ai(κ)δqi,κ=1,...,ν


unterliegt. Dies sind ν Gleichungen mit M Unbekannten δqi. Im Idealfall können ν der δqi mit Hilfe der restlichen Mν δqi ausgedrückt werden: Das System besitzt dann f=Mν Freiheitsgrade. Z.B. könnten die ν δqi,i=(f+1),...,M dank der ν Nebenbedingungen durch die f=Mν Variablen δqj,j=1,...,f mit Hilfe von in den letzteren Variablen linearen Funktionen Fi,i=(f+1),...,M ausgedrückt werden: δqi=Fi(δq1,...,δqf),i=(f+1),...,M.

Die ν Größen δqi,i=(f+1),...,M sind daher linear abhängig, während die übrigen f=Mν Variablen δqj,j=1,...,f voneinander linear unabhängig sind. Lineare Unabhängigkeit der δqj,j=1,...,f bedeutet ja, dass aus 0=fi=1biδqi das Verschwinden der f Koeffizienten bi folgt: b1=...=bf=0.

Die ν Nebenbedingungen multiplizieren wir jetzt jeweils mit einem beliebigen Paramater λκ, dem Lagrange'schen Multiplikator, und addieren die daraus entstehenden Gleichungen:


0=νκ=1λκMi=1Ai(κ)δqi.


Letztere Gleichung ziehen wir jetzt von der D'Alembert'sche Gleichung ab, die im Allgemeinen folgende Form besitzt:


0=Mi=1aiδqi


mit ai=p˙iFi.

D.h. wir erhalten dadurch eine Gleichung


0=Mi=1(aiνκ=1λκAi(κ))δqi,


die wir auch als zwei Summen aus Termen in den f linear unabhängigen δqj,j=1,...,f bzw. aus Termen in den ν=Mf linear abhängigen δqi,i=(f+1),...,M darstellen können:


0=fj=1(ajMfκ=1λκAj(κ))δqj+Mi=f+1(aiMfκ=1λκAi(κ))δqi.


Der zweite Summand in letzterer Gleichung enthält dann somit ausschließlich die ν linear abhängigen δqi,i=(f+1),...,M. In deren Koeffizienten befinden sich die gleichermaßen ν beliebigen, d.h. noch frei wählbaren Lagrange-Multiplikatoren λκ. Wenn wir jene ν Koeffizienten jeweils gleich Null setzen, erhalten wir aus diesen ein lineares Gleichungssystem bestehend aus ν Gleichungen mit gleichermaßen ν Unbekannten λκ:


0=aiMfκ=1λκAi(κ).


für i=(f+1),...,M.

Da dieses lineare Gleichungssystem (aufgrund des oben bereits angenommenen Idealfalls) erfüllt werden kann, ist es also möglich, durch eine entsprechende Wahl der ν beliebigen Parameter λκ jene ebenfalls ν Koeffizienten zum Verschwinden zubringen. Es bleiben dann nur noch die Summanden in den f=Mν voneinander linear unabhängigen δqj,j=1,...,f übrig:


0=fj=1(ajMfκ=1λκAj(κ))δqj.


Aber gearde wegen der linearen Unabhängigkeit dieser f δqj dürfen wir auf


0=ajMfκ=1λκAj(κ),j=1,...,f


schließen. Insgesamt erhalten wir also M Gleichungen (die sog. Langrange'schen Gleichungen 1. Art)


0=(p˙lFl)Mfκ=1λκAl(κ),l=1,...,M


aus der D'Alembert'schen Gleichung


0=Ml=1[(p˙lFl)Mfκ=1λκAl(κ)]δql.


In den vorangegangenen Beispielen sind wir bei den Nebenbedingungen von Gleichungen vom Typ


0=Φκ(q1,...,qM,t),κ=1,...,(Mf)


ausgegangen, aus denen wir durch Anwenden der Variation δ


0=Ml=1Φκqlδql


gewonnen haben (wobei in unseren Beispielen Φκ nicht explizit von der Zeit abhing): d.h. Al(κ)=Φκql. Solche Nebenbedingungen werden »holonom« genannt. Denkbar wären aber z.B. auch solche, die sich nicht auf ein totales Differenzial zurückführen lassen (die dann »anholonom« heißen), oder solche, die Ungleichungen oder Differenzialgleichungen darstellen.

Die Nebenbedingungen lassen sich selbst für ein N-Teilchensystem (in D Dimensionen) auch bequem in vektorieller Form schreiben:


0=Φκ(q1,...,qN),κ=1,...,(DNf),


d.h.

0=Nl=1qlΦκδql,κ=1,...,(DNf)


mit dem Gradienten qj=qj.

Die Lagrange-Gleichungen 1. Art lauten dann unter diesen Nebenbedingungen folgendermaßen:


0=p˙jFjDNfκ=1λκqjΦκ(q1,...,qN),j=1,...,N


mit dem Impuls pj=mjq˙j des j-ten Teilchens und der Kraft Fj auf das j-te Teilchen.

Wir können uns jetzt auch dem Problem widmen, dass wir in


0=Mi=1[(ddtLq˙iLqi)DNj=1fjxjqi]δqi.


nicht mehr darauf schließen können, dass die Koeffizienten der virtuellen Verrückungen δqi alle einzeln verschwinden, indem wir vom D'Alembert'schen Prinzip ausgehen, in dem die an das betrachtete System gestellten Nebenbedingungen berücksichtigt sind:


0=Ml=1[(p˙lFl)Mfκ=1λκAl(κ)]δql.


Wir können hier alle Überlegungen übernehmen, die wir schon für den eindimensionalen Fall angestellt haben, und mit denen wir von der D'Alembert'schen Gleichung zu den Euler-Lagrange-Gleichungen gelangt sind: Der zusätzliche Term, mit dem den Nebenbedingungen Rechnung getragen wird, stört hierbei nicht. D.h. es ergibt sich unmittelbar:


0=DNi=1[(ddtLq˙iLqi)DNj=1fjxjqiDNfκ=1λκAi(κ)]δqi.


Weil wir hierin die Nebenbedingungen ja berücksichtigt haben, dürfen wir wieder davon ausgehen, dass alle Koeffizienten der δqi verschwinden. Hieraus ergeben sich die sog. Langrange'schen Gleichungen 2. Art:


0=(ddtLq˙iLqi)DNj=1fjxjqiMfκ=1λκAi(κ),i=1,...,DN.


In unserem Beispiel der schiefen Ebene lässt sich die natürliche Lagrangefunktion als L=TV sehr leicht angeben: Im Koordinatensystem von x erhalten wir die kinetische Energie


T=12m(x˙12+x˙22),


die potentielle Energie


V=mgx2


sowie für die Nebenbedingung A1(1)=sinφ und A2(1)=cosφ.

Im Koordinatensystem von q sind dies


T=12m(q˙12+q˙22),
V=mgx2=mg(q1sinφ+q2cosφ)


und für die Nebenbedingung A1(1)=0 und A2(1)=1. In beiden Fällen (als auch im zweiten Beispiel) traten ja keine Nicht-Potenzialkräfte auf, d.h. fj=0. Durch Einsetzen in die Lagrange'sche Gleichung 2. Art überzeuge man sich selbst davon, dass wieder die bereits bekannten Bewegungsgleichungen (d.h. die Lagrange'schen Gleichungen 1. Art) hieraus folgen. Im letzteren Fall hätte man natürlich wegen der Nebenbedingung q2=0 auch direkt auf diese Koordinate und somit auf die Methode mit den Lagrange'schen Multiplikatoren verzichten können.

Im Beispiel des betrachteten physikalischen Pendels stellen wir zunächst fest, dass wegen ri2=xi2=xi2+yi2=const. nicht nur 0=xiδxi=xiδxi+yiδyi sondern auch 0=xix˙i=xix˙i+yiy˙i gilt, was ja (wie wir oben bereits gesehen haben) auf δxi=yiδφi und δyi=xiδφi bzw. analog hierzu auf x˙i=yiφ˙i und y˙i=xiφ˙i führt. Hieraus folgt für die kinetische Energie:


T=122i=1mix˙i2=122i=1miri2φ˙i2.


Die potentielle Energie ist wieder


V=2i=1migyi(φi).


Wegen y˙i=xiφ˙i gilt übrigens auch yiφi=xi, was wir beim Bilden von Vφi in den Euler-Lagrange-Gleichungen bzgl. der Variablen φi,i=1,2 benötigen. Die Nebenbedingungen hinsichtlich dieser Variablen führen auf A1(1)=A2(2)=0 und A1(3)=1 sowie A2(3)=1.

Natürlich hätten wir auch direkt φ1=φ2=φ setzen und Polarkoordinaten xi=ricosφ bzw. yi=risinφ einführen können. D.h. durch eine geschickte Wahl der neuen Koordinaten ist es auch hier wieder möglich, die an das System gestellten Nebenbedingungen direkt zu berücksichtigen, so dass das System nur noch durch genau so viele Variablen beschrieben wird, wie es Freiheitsgrade besitzt: Langrange'schen Multiplikatoren werden dann somit nicht benötigt. In solch einem Fall gilt also bei f Freiheitsgraden


0=(ddtLq˙iLqi)DNj=1fjxjqi,i=1,...,f.


Dies wird aber voraussichtlich nicht für alle zu betrachtenden physikalischen Systeme immer so gelingen.