Maxwell-Gleichungen in der klassischen Elektrodynamik/ Strahlung einer bewegten Ladung

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Um das elektromagnetische Strahlungsfeld einer bewegten Ladung zu bestimmen, haben wir bereits alle notwendigen Mittel bereit gestellt: die retardierte Greensfunktion, um zu einer gegebenen Ladungs- und Stromverteilung (hier also zu einer bewegten Punktladung gehörend) das elektromagnetische Viererpotential zu errechnen. Zunächst machen wir uns aber Gedanken darüber, ob sich die Viererstromdichte und die retardierte Greensfunktion relativistisch kovariant formulieren lassen.

Der Vektor


Jμ=(J0,J)=(cρ,J)=(cρ,ρv)=ρ(c,v)=1γρ(γc,γv)=1γρuμ


ist bereits ein Vierervektor. Denn wenn die Ladungsdichte ρqd3x und cdxμdx0=(c,v) sind, dann gilt Jμ=ρ(c,v)qd3xdxμdx0=qd4xdxμ, wobei dxμ ein Vierervektor und d4x relativistisch invariant ist: Sei x=Λ_x z.B. mit einem Lorentz-Boost entlang der x-Achse. Dann gilt

d4x=|(x0,x1,x2,x3)(x0,x1,x2,x3)|d4x mit der Jacobi-Determinante


(x0,x1,x2,x3)(x0,x1,x2,x3)=|γγβ00γβγ0000100001|=|γγβγβγ|=γ2(1β2)=1,


d.h. d4x=d4x.

Die Ladungsdichte für eine Punktladung ist


ρ=qδ3(xr(t)).


Die Stromdichte lässt sich wie folgt relativistisch kovariant schreiben:


Jμ(x)=ρ(c,v)=qδ3(xr(t))(c,v(t))=qdt¯δ(tt¯)δ3(xr(t¯))(c,v(t¯))
=dt¯=γdτ¯qγdτ¯cδ(ctct¯(τ¯))δ3(xr(τ¯))(c,v(τ¯))
=qcdτ¯δ(x0r0(τ¯))δ3(xr(τ¯))uμ(τ¯)
=qcdτ¯δ4(xr(τ¯))uμ(τ¯).


Denn auch das Deltafunktional δ4(x) ist relativistisch invariant:


d4xδ4(x)=d4x|(x0,x1,x2,x3)(x0,x1,x2,x3)|=1δ4(Λ_x)=1=d4xδ4(x),


d.h. δ4(x)=δ4(Λ_x)=δ4(x), weil ja d4x=d4x gilt.

Die retardierte Greensfunktion G+(x,x)=δ(x0x0|xx|)|xx|θ(x0x0) lässt sich gleichermaßen relativistisch kovariant schreiben mittels


δ((xx)2)=δ((x0x0)2|xx|2)=δ((x0x0|xx|)(x0x0+|xx|))
=12|xx|[δ(x0x0|xx|)+δ(x0x0+|xx|)x0x0=|xx|<0]


wegen der folgenden Eigenschaft des Deltafunktionals:

δ(f(x))=nδ(xxn)|f(xn)|, wobei n die Nullstellen von f(x) durchnumeriert: f(xn)=0,

wenn darin f(x)f(x0x0)=(x0x0)2|xx|2 gesetzt wird, sodass 0=f(xn0xn0)=(xn0xn0)2|xx|2 mit der Lösung xn0xn0=±|xx| für n=1,2 und f(x0x0)=2(x0x0) und f(xn0xn0)=±2|xx|.

Der letzte Summand im Ausdruck für δ((xx)2) kann wegen θ(x0x0), d.h. x0x00, weggelassen werden.

Für die retardierte Greensfunktion ergibt sich somit


G+(x,x)=2θ(x0x0)δ((xx)2).


Für eine bewegte Punktladung lässt sich jetzt das Vektorpotential (in Lorentz-Eichung) bestimmen:


Aμ(x)=4πcJμ(x),G+(x,x)=4πδ4(xx)
Aμ(x)=1cd4xG+(x,x)Jμ(x).


In letztere Gleichung werden G+(x,x)=2θ(x0x0)δ((xx)2) und Jμ(x)=qcdτ¯δ4(xr(τ¯))uμ(τ¯) eingesetzt:


Aμ(x)=1cd4xG+(x,x)Jμ(x)=
2qdτ¯uμ(τ¯)d4xθ(x0x0)δ((xx)2)δ4(xr(τ¯))
=2qdτ¯θ(x0r0(τ¯))δ((xr(τ¯))2)uμ(τ¯).


Entsprechend der Regel δ(f(x))=nδ(xxn)|f(xn)|, wobei n die Nullstellen von f(x) durchnumeriert: f(xn)=0, erhalten wir für

f(x)f(τ¯)=(xr(τ¯))2, sodass aus 0=f(τ¯)=(xr(τ¯0))2=(x0r0(τ¯0))2|xr(τ¯0)|2 die Nullstellen x0r0(τ¯0)=±|xr(τ¯0)|=±R folgen und

f(τ¯)=ddτ¯(xr(τ¯))2=2[xr(τ¯)]u(τ¯) mit u(τ)=dxdτ gilt. Aufgrund von θ(x0r0(τ¯)), d.h. wegen x0r0(τ¯)0, ist nur x0r0(τ¯0)=R0 möglich.

Das Vierpotential wird daher


Aμ(x)=quμ(τ)u(xr(τ))|τ=τ0,


wobei τ¯=τ0 ja über x0r0(τ¯0)=R=|xr(τ¯0)| definiert ist.

Mit n=xr(τ¯0)|xr(τ¯0)|=xr(τ¯0)R=RR, d.h. R=xr(τ¯0), uβ=(γc,γv), β=vc folgt


[xr(τ¯0)]u(τ¯0)=[xr(τ¯0)]βuβ(τ¯0)=γc[(x0r0(τ¯0))v(τ¯0)c(xr(τ¯0))]
γc[|xr(τ¯0)|β(τ¯0)(xr(τ¯0))]=γcR(1βn)


wegen x0r0(τ¯0)=R=|xr(τ¯0)|. Skalar- und Vektorpotential ergeben sich daher zu


A0(x)=qR(1βn)=qξ


bzw.


A(x)=qβR(1βn)=qβξ


mit der Abkürzung ξ=|xr(τ¯0)|β(τ¯0)(xr(τ¯0)). Diese Potentiale sind in der physikalischen Literatur nach Liénard und Wiechert benannt.

Hieraus können die Felder E=A00A und B=×A berechnet werden, was aber wegen der Retardierung keine leichte Aufgabe ist. Denn die »Zeit« x0 ist wegen x0=r0(τ¯0)+|xr(τ¯0)|=x0(r0,x) eine Funktion der »retardierten Zeit« r0(τ¯0) (und umgekehrt). Den Ortsvektor r(τ¯0) werden wir wieder (wie dies eingangs beim Umschreiben der Stromdichte in eine manifest kovariante Form ja auch bereits geschehen ist) als Funktion der retardierten Zeit ansehen: r=r(r0). Entsprechend verfahren wir mit der Geschwindigkeit β(τ¯0): β=β(r0)=drdr0. Für die zuvor eingeführte Größe ξ erhalten wir somit:


ξ=|xr(r0)|β(r0)(xr(r0)).


Die Ableitung z.B. des Vektorpotentials nach der Zeit ergibt sich dann wegen r0=x0|xr(r0)|=r0(x0,x) zu


0A(x)=(x0)xA(x0(r0,x),x)=(r0x0)x(r0)xA(x0(r0,x),x).


Mit dem Index x an der partiellen Ableitung (x0)x drücken wir die Tatsache explizit aus, dass bei Letzterer x konstant gehalten wird. Wir benötigen also den Term (r0x0)x:


(r0x0)x=1+rr0=β(r0x0)xx|xr|=1+(r0x0)xβxr|xr|


wegen r0=x0|xr(r0)|. Diese Gleichung lösen wir nach (r0x0)x auf:


(r0x0)x=|xr|ξ.


Aus A(x)=qβ(r0)ξ(r0) resultiert:


(r0)xA=qξβr0=1cβ˙qξ2β(ξr0)x.


Für 0A(x) erhalten wir somit:


(x0)xA=qξ2[|xr|cβ˙|xr|ξβ(ξr0)x].


Den Term (ξr0)x können wir natürlich auch noch ausrechnen:


(ξr0)x=(r0)x(|xr(r0)|β(r0)(xr(r0)))=
rr0=βxr|xr|βr0=1cβ˙(xr)+βrr0=β=
βxr|xr|1cβ˙(xr)+β2.


Die partielle Ableitung des Skalarpotentials nach x ist gleichermaßen »verwickelt«:


(x)x0A0(x0(r0(x0,x)),x)=(x)x0A~0(r0(x0,x),x)=
(A~0r0)x(x)x0r0(x0,x)+(x)r0A~0(r0,x).


Wir benötigen daher u.a. noch den Term (x)x0r0(x0,x):


(x)x0r0(x0,x)=(x)x0(x0|xr(r0(x0,x))|)=(x)x0|xr(r0(x0,x))|=
(x)r0|xr(r0)|=xr|xr|((r0)x|xr(r0)|)=xr|xr|rr0(x)x0r0(x0,x)=
xr|xr|+(xr|xr|β)(x)x0r0(x0,x).


Diese Gleichung können wir nach (x)x0r0(x0,x) auflösen:


(x)x0r0(x0,x)=xrξ.


Die partielle Ableitung des Skalarpotentials wird daher


(x)x0A0=xrξ(A0r0)x+(x)r0A0,


wobei


(A0r0)x=(ξr0)xA0ξ,
(x)r0A0=A0ξ(x)r0ξ


mit


A0ξ=qξ2


sind. Während wir hierin (ξr0)x zuvor bereits berechnet haben, müssen wir noch (x)r0ξ bestimmen:


(x)r0ξ=(x)r0(|xr(r0)|β(r0)(xr(r0)))=
xr|xr|β.


Für A0 erhalten wir somit schließlich:


(x)x0A0=qξ2[xrξ(ξr0)x+xr|xr|β].


Das elektrische Feld nimmt somit folgende Gestalt an:


E=(x)x0A0(x0)xA=
qξ2[(xr)|xr||xr|(xr)|xr|βξ(ξr0)x|xr|β˙c].


Drücken wir dies mittels R=xr aus und setzen (ξr0)x ein, dann ergibt sich


E=qξ2[RRβRRRβξ(β2βRR1cβ˙R)1cRβ˙]=
qξ3[(RRβ)ξ+βRRβ2R1cRβ˙ξ+1c(RRβ)(β˙R)].


Mit ξ=RRβ folgt ξ+βRRβ2R=1β2=1γ2. Mit der Umformung


R×[(RRβ)×β˙]=(Rβ˙)(RRβ)(R2RRβ)β˙=
(Rβ˙)(RRβ)Rξβ˙


erhalten wir für das elektrische Feld schließlich:


E=q(RRβ)3[1γ2(RRβ)+1cR×((RRβ)×β˙)].


Dieses besitzt mit dem zweiten Summanden (in den eckigen Klammern) einen Term, der von der Beschleunigung β˙ abhängt. Er enthält im Nenner eine Potenz von R weniger als der erste Summand, der von der Beschleunigung unabhängig ist.

Ganz analog zum elektrischen Feld lässt sich auch die magnetische Flussdichte berechnen:


B=(x)x0×A=(Rξ(r0)x+(x)r0)×A=
Rξ(Ar0)x+(x)r0×A.


Hierin haben wir den Nabla-Operator eingesetzt, den wir bereits oben auf A0 haben wirken lassen. Wegen


A(x)=qβ(r0)ξ(r0)


erhalten wir


(Ar0)x=(ξr0)xAξ+qξβr0=1cβ˙,
(x)r0×A=(xξ)r0×Aξ=(RRβ)×Aξ


und


Aξ=qξ2β,


was in B eingesetzt


B=q1cξ2R×β˙+qξ3(R×β)(ξr0)xqξ2(RRβ)×β=
q1cξ2R×β˙+(R×β)qξ3R[R(ξr0)x=βRR1cβ˙R+β2ξ=RβR]=
qξ3[1cξ(R×β˙)+(R×β)(1β2)=1/γ2+1c(β˙R)(R×β)]


ergibt. Mittels


R×[R×((RRβ)×β˙)]=R×[(Rβ˙)(RRβ)Rξβ˙]=
R(Rβ˙)(R×β)Rξ(R×β˙)


resultiert hieraus durch Vergleich mit E


B=RR×E=n×E,


d.h. Magnetfeld und elektrisches Feld stehen immer senkrecht aufeinander.

Für Große Abstände von der Ladung genügt es, in E nur den Term mit der Beschleunigung β˙ zu betrachten, da dieser ja eine Potenz in R weniger im Nenner enthält als der Summand in E ohne Beschleunigungsterme:


Eq(RRβ)3[1cR×((RRβ)×β˙)].


Hieraus können wir mittels B=n×E den Poynting-Vektor ausrechnen:


S(x)=c4πE×B=c4πE×(n×E)=c4π[E2n(nE)=0E]=
c4πE2n=q24πc(RRβ)6[R×((RRβ)×β˙)]2n=
q24πc(1nβ)6R2[n×((nβ)×β˙)]2n.


Die Strahlungsleistung W˙=cdWdr0 hängt von der retardierten Zeit r0 ab während der Poynting-Vektor die Energiestromdichte zur Zeit x0 angibt. Um also die in ein Raumwinkelelement dΩ abgestrahle Leistung zu bestimmen, müssen wir die Retardierung berücksichtigen:


dW˙dΩ=R2Sndx0dr0,


woraus mittels


(r0x0)x=|xr|ξ=RRRβ=11nβ
dW˙dΩ=q24πc(1nβ)5[n×((nβ)×β˙)]2


resultiert. An dieser Stelle werden in der physikalischen Literatur gerne zwei Spezialfälle diskutiert: Zum einen den einer Beschleunigung parallel zur Geschwindigkeit, d.h. β×β˙=0, zum andern der Fall der Synchrotronstrahlung, bei der die Beschleunigung senkrecht zur Geschwindigkeit steht, d.h. ββ˙=0. Der erstere Fall dient dabei der Illustration der sog. Bremsstrahlung, bei der die Beschleunigung β˙ als konstant angenommen wird.

Wir begnügen uns hier hingegen nur mit dem nicht relativistischen Grenzfall |β|1:


dW˙dΩq24πc[n×(n×β˙)]2=q24πc(β˙×n)2=q24πcβ˙2sin2ϑ,


wobei ϑ der Winkel zwischen β˙ und n bzw. R ist. Integrieren wir dies über den Raumwinkel, so erhalten wir für die gesamte Strahlungsleistung die sog. Larmorformel:


W˙=q24πcβ˙22π11dcosϑ(1cos2ϑ)=4/3=23c(qβ˙)2.


Führen wir hierin das Dipolmoment p ein, dann gilt: 1cp¨=qβ˙. Bei einer harmonischen Schwingung mit der Kreisfrequenz ω, d.h. beispielsweise p=p0sinωt, gilt qβ˙=1cp¨=1cω2p. Mitteln wir die Strahlungsleistung über eine Periode, so ergibt sich


W˙¯=23ω4c3ω2π02πωdtp2(t)=23ω4c3p02ω2π02πωdtsin2ωt
23ω4c3p0212π02πd(ωt)sin2ωt=1/2=13ω4c3p02.


In der Experimentalphysik wird jene Formel für die mittlere Strahlungsleistung mit der ω4-Abhängigkeit gerne herangezogen, um z.B. das Himmelsblau, die Morgen- und Abendröte oder aber auch die Synchrotronstrahlung (s. oben) in Elementarteilchenbeschleunigern zu erklären. Vergleiche hierzu auch unser analoges Ergebnis aus dem Kapitel über »Strahlungssysteme«.