Mathe für Nicht-Freaks: Supremum und Infimum

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Einleitung

Supremum (aus dem Lateinischen von „supremum“ = „das Höchste/das Oberste“) klingt, als ob es „das Maximum“ (also das größte Element der Menge) wäre. Im Laufe dieses Artikels werden wir allerdings sehen, dass das Supremum das Maximum verallgemeinert. Merken wir uns zu Beginn:

Vorlage:-

Während nämlich das Maximum ein Element der betrachteten Menge sein muss, muss das nicht für das Supremum gelten. Deshalb sollten wir „Supremum“ treffender mit „die unmittelbar nach oben beschränkende Zahl“ übersetzen. Es ist „nach oben beschränkend“, weil es wie das Maximum größer oder gleich jeder Zahl der Menge ist. Und es ist „unmittelbar“, weil es die kleinste aller „nach oben beschränkenden“ Zahlen ist.

Analog ist das Infimum eine Verallgemeinerung des Minimums. Es ist die „unmittelbar nach unten beschränkende Zahl“, also die größte aller „nach unten beschränkenden“ Zahlen einer Menge. Konkrete Beispiele werden wir in den kommenden Abschnitten kennenlernen.

Für uns ist der Begriff des Supremums wichtig, weil mit ihm die Vollständigkeit der reellen Zahlen alternativ beschrieben werden kann. Außerdem ist das Supremum ein nützliches Hilfsmittel in Beweisen oder zur Definition neuer Begriffe.

Erklärung des Supremums

Um das Supremum zu erklären, werden wir untersuchen, wie man zu dessen genauer Definition kommt. Hierzu werden wir feststellen, wie das Supremum aus dem Maximum verallgemeinert werden kann. Zur Erinnerung: Das Maximum einer Menge ist ihr größtes Element. Das Maximum m einer Menge M hat also folgende Eigenschaften:

  • m ist Element von M.
  • Für jedes yM ist ym.

In der zweiten Eigenschaft steht deshalb ein Kleiner-Gleich- und kein Kleiner-Zeichen, weil in der Aussage auch y gleich m sein könnte. Bei endlichen Mengen ist das Maximum stets definiert, jedoch ist dies bei unendlichen Mengen nicht unbedingt der Fall.

Zunächst können wir auf das Problem stoßen, dass die betrachtete Menge nach oben unbeschränkt ist. Nimm zum Beispiel die Menge +={x:x>0}. Diese Menge kann kein Maximum oder ähnliches besitzen, da es für jede reelle Zahl eine größere Zahl aus + gibt. Diese Menge kann also kein größtes Element besitzen. Es gibt auch kein Element, das „unmittelbar das größte“ Element sein könnte. Demnach ist eine Frage danach bei dieser Menge schlicht nicht sinnvoll.

Für die Übertragung des Maximumbegriffs auf unendliche Mengen muss also die Menge nach oben beschränkt sein. Es muss also eine Zahl b geben, welche größer gleich jedem Element der Menge ist. Dabei muss b nicht zwangsläufig Element der Menge sein.

Die Menge M={x:x<1}.

Doch auch dann kann es zu Problemen kommen. Nehmen wir zum Beispiel die Menge M={x:x<1}. Diese Menge ist nach oben beschränkt, weil man für b jede Zahl größer gleich 1 wählen kann.

Hat die Menge M ein Maximum? Leider nein. Für jedes xM ist x+12 eine weitere Zahl aus M mit der Eigenschaft x<x+12 (die Zahl x+12 liegt in der Mitte zwischen x und 1). So kann aber M kein maximales Element besitzen, weil es zu jeder Zahl aus M mindestens eine größere Zahl aus M gibt.

Bei der Betrachtung unendlicher Mengen büßt das Maximum also eine Eigenschaft ein. Nämlich, dass es Element der Menge ist[1]:

  • m ist Element von M.
  • Für jedes yM ist ym.
Eine Menge mit eingezeichneten oberen und unteren Schranken

Es bleibt also erst einmal nur die Eigenschaft, dass die gesuchte Zahl größer als jedes Element der Menge ist. Eine solche Zahl wird „obere Schranke“ der Menge genannt:

Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Definition

Analog ist eine untere Schranke eine Zahl, die eine Menge nach unten beschränkt:

Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Definition

Wenn wir unsere neue Definition betrachten, stellen wir zwei Dinge fest. Erstens: Obere und untere Schranken müssen keine Elemente der betrachteten Menge sein, weil dies nicht von der Definition gefordert wird. Und zweitens: Die Definition sagt nichts über eine etwaige Eindeutigkeit der Schranken aus.

Betrachten wir zum Beispiel die Menge M={x:x<1}. Hier fällt uns sicherlich zuerst 1 als obere Schranke ein. Jedoch ist 17 ebenfalls eine obere Schranke und erfüllt die Forderungen der Definition. Abgesehen davon, dass 17 weit oberhalb unserer Beispielmenge liegt, sind beide Zahlen keine Elemente der Menge. Dieses Beispiel zeigt, dass es mehr als eine obere Schranke geben kann. Es wird aber noch beunruhigender: Eine beschränkte Teilmenge der reellen Zahlen hat immer unendlich viele obere Schranken. Wenn u eine obere Schranke von M ist, so ist auch jede größere Zahl, also u+a für alle a>0, eine obere Schranke.

Bei genauerer Betrachtung sind die Begriffe von oberer bzw. unterer Schranke nicht sehr treffend. Sie leisten viel weniger als ein Maximumbegriff. Das Maximum ist nämlich immer eindeutig: Es kann höchstens eins davon geben. Mit der oberen Schranke verhält es sich nicht so. Deshalb wollen wir versuchen, den Begriff zu verbessern.

Betrachten wir als Beispiel wieder die Menge M={x:x<1}. Welche Zahl könnte man als Verallgemeinerung des Maximums für M wählen? Intuitiv fällt uns die Zahl 1 ein. Doch warum sollte man diese Zahl wählen?

Wir wollen einen allgemein gültigen Begriff, der auch dann funktioniert, wenn die Menge nicht mehr so anschaulich ist. Deswegen kommen zunächst alle oberen Schranken von M, also alle Zahlen größer gleich 1, in Frage. Nun sollte unsere Zahl optimal in dem Sinne sein, dass sie möglichst klein ist. So kommen wir auf die Zahl 1. Sie ist nicht nur eine obere Schranke, sie ist auch die kleinste obere Schranke von M. Wir haben ja bereits gesehen, dass es für jedes x<1 eine andere Zahl y<1 mit x<y gibt (nämlich y=x+12). Damit kann keine Zahl kleiner 1 eine obere Schranke von M sein. 1 ist also das, was wir als „unmittelbar darüberliegende“ Zahl von {x:x<1} ansehen.

Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Frage

Die kleinste obere Schranke s wird durch folgende zwei Eigenschaften charakterisiert:

  • s ist obere Schranke von M: Für jedes yM ist ys.
  • Jede obere Schranke u von M ist mindestens so groß wie s: Gilt yu für alle yM, so gilt auch su. Anders formuliert: Für jedes u<s gibt es mindestens eine Zahl yM mit u<y.

Das können wir als Definition des Supremums verwenden, da es offenbar die kleinste obere Schranke charakterisiert. Das Infimum wird analog als die größte untere Schranke definiert. Vorlage:Noprint

Definition des Supremums und Infimums

Das Supremum ist die kleinste obere Schranke einer Menge.

Die Definition des Supremums und des Infimums lautet:

Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Definition

Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Definition

Die Epsilon-Definition

In der zweiten Eigenschaft der Definition des Supremums s als Teil einer Menge M steht:

Vorlage:-

Hier ist es in einigen Lehrbüchern auch üblich, x=sϵ mit ϵ>0 zu setzen. Dadurch erhält man folgende Aussage, die man auch als zweite Eigenschaft des Supremums nutzen kann:

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Bei Beweisen dürfen wir frei entscheiden, welche der beiden Aussagen wir heranziehen wollen. Da beide Aussagen zueinander äquivalent sind, ist es egal, welche davon bewiesen wird.

Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Frage

Maximum und Minimum

Für das Maximum und Minimum haben wir bekanntlich folgende Definitionen:

Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Definition

Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Definition

Das Maximum ist stets Supremum der Menge. Sei nämlich m Maximum einer Menge M. Zum einen ist m per Definition obere Schranke von M. Zum anderen gibt es für alle x mit x<m ein yM mit x<y, nämlich y=m. Umgekehrt ist nicht jedes Supremum Maximum, wie wir oben an der Menge {x:x<1} gesehen haben. Die Zahl 1 ist zwar Supremum dieser Menge, aber kein Maximum. Analoges gilt für Minimum und Infimum.

Schreibweisen

Schreibweise Bedeutung
supM Supremum von M
supxDf(x) Supremum von {f(x):xD}
infM Infimum von M
infxDf(x) Infimum von {f(x):xD}
maxM Maximum von M
minM Minimum von M

Das Dualitätsprinzip

Wir haben bereits in den Definitionen und in der obigen Erklärung gesehen, dass die Begriffe des Supremums und des Infimums analog zueinander betrachtet werden können. Der Grund liegt darin, dass bei Umkehrung der Ordnung auf den reellen Zahlen das Supremum zum Infimum wird und umgekehrt. Wir können nämlich eine neue Ordnung neu dadurch einführen, dass xneuy genau dann ist, wenn xy ist (wir spiegeln hier die reelle Zahlengerade an der Null). Bei dieser neuen Ordnung verhält sich das ursprüngliche Supremum wie ein Infimum und umgekehrt. Beide Ordnungen neu und haben dieselben ordnungstheoretischen Eigenschaften. Sie sind daher isomorph zueinander. Deshalb müssen auch die Eigenschaften von Supremum und Infimum bei umgekehrter Ordnung dieselben sein. Alles was wir in Zukunft für Suprema sagen, gilt in ähnlicher Weise auch für Infima und umgekehrt. Das Gleiche gilt folglich auch für Maximum und Minimum.

Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Beispiel

Existenz und Eindeutigkeit

Wir haben bisher ganz selbstverständlich von dem Supremum gesprochen. Das klingt so, als ob es immer eines gäbe und als ob es immer eindeutig wäre. Der Verdacht liegt auch nahe: Wozu sollten wir uns die Mühe machen, den Begriff „Supremum“ überhaupt zu definieren, wenn er das Grundproblem des Maximums (nämlich oftmals gar nicht zu existieren) gar nicht lösen könnte? Was wäre der Vorteil des Supremums gegenüber dem Begriff der „oberen Schranke“, wenn auch das Supremum nicht eindeutig wäre? Intuitiv ist irgendwie klar, dass es unter allen oberen Schranken genau eine kleinste geben muss, aber bis jetzt haben wir das noch nicht streng mathematisch bewiesen.

Im folgenden Satz werden wir die Eindeutigkeit des Infimums und Supremums beweisen, also dass eine Menge höchstens ein Supremum und Infimum besitzen kann:

Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Satz

Mit dem Vollständigkeitsaxiom kann auch die Existenz des Supremums einer nach oben beschränkten nicht-leeren Teilmenge der reellen Zahlen bewiesen werden. Dies werden wir in diesem Kapitel jedoch nicht behandeln. Analog besitzt eine nach unten beschränkte nicht-leere Teilmenge der reellen Zahlen stets ein Infimum. Somit ist es tatsächlich so, dass Supremum und Infimum einer nach oben beschränkten und nicht-leeren Teilmenge der reellen Zahlen immer existieren und immer eindeutig sind. Deswegen dürfen wir beruhigt von dem Supremum sprechen.

Ausblick: Suprema und Infima in Halbordnungen Vorlage:Anker

Obige Definition für Suprema und Infima haben wir speziell für Mengen von reellen Zahlen eingeführt. Für eine „Analysis 1“-Vorlesung reicht diese Definition aus, weil wir hier nur Teilmengen von betrachten. Für spätere Vorlesungen, in denen wir uns auch mit echten Halbordnungen befassen werden, ist unsere bisherige Definition allerdings nicht ausreichend. Zur Erinnerung: Halbordnungen sind Ordnungsstrukturen, bei denen wir nicht zwangsweise zwei Paare von Objekten miteinander vergleichen können. In solchen Halbordnungen wird obige Definition von Supremum und Infimum nicht verwendet, weil mit ihr Suprema nicht eindeutig sind. Um weiterhin einen eindeutigen Supremumbegriff zu haben, wird für Halbordnungen definiert:

Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Definition

Um zu zeigen, dass diese Definition eine sinnvolle Verallgemeinerung des Supremums auf Halbordnungen ist, müssen wir zeigen, dass beide Definitionen auf Teilmengen der reellen Zahlen übereinstimmen:

Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Satz

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  1. Die Eigenschaft, dass das Maximum größer gleich jedem Element der Menge ist, ist für den Begriff des Supremums zu charakteristisch, als dass man es streichen könnte.