Mathe für Nicht-Freaks: Stetige Inhalte auf Sigma-Ringen
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In diesem Artikel leiten wir die Definition für Stetigkeit von Inhalten her. Wir untersuchen, wie die Begriffe Stetigkeit von unten und von oben zusammenhängen und lernen -Ringe als Definitionsbereiche von stetigen Inhalten kennen.
Motivation der Stetigkeit von Inhalten
Im letzten Kapitel haben wir auf Ringen definierte Inhalte als Formalisierung des Messens extensiver Größen kennengelernt. Beim Messen solcher Größen erwarten wir oft, dass kleine Änderungen des gemessenen Objekts nur kleine Änderungen des Messergebnisses zur Folge haben. Beispiele hierfür sind
- das Wiegen einer Zutat: Nimmt man nur wenig dazu, dann ändert sich auch das Gewicht nicht viel.
- das Zählen von Objekten: Bestimmt man die Anzahl einer höchstens abzählbar unendlichen Menge von Objekten, so verändert sich diese nur wenig, wenn nur wenige Objekte hinzugetan oder weggenommen werden.
- der Flächeninhalt/Umfang eines Kreises: Er ändert sich nur wenig, wenn der Radius nur wenig verändert wird.
Es bietet sich die Formulierung an, dass solche Größen sich stetig verhalten. Allerdings werden wir noch definieren müssen, was unter der Stetigkeit eines Inhalts genau zu verstehen ist, sodass wir diesen Begriff vorerst nur intuitiv benutzen können.
Tatsächlich ist es schwierig, extensive Größen in der Natur zu finden, die sich nicht stetig verhalten. Es ist also eine natürliche und wichtige Frage, ob und wann Inhaltsfunktionen stetig sind. Darüber hinaus hat Stetigkeit eine sehr nützliche Eigenschaft zur Folge: Sie erlaubt die Approximation von zu messenden Mengen. Da geringe Abweichungen der Mengen voneinander nur geringe Abweichungen der Messwerte bewirken, kann der Fehler der Approximation über die Genauigkeit der approximierenden Mengen kontrolliert werden. Damit können auch "komplizierte" Mengen gemessen werden, indem man sie mit (möglicherweise einfacher zu messenden) Mengen approximiert. Ein Beispiel ist die Approximation des Flächeninhalts eines Kreises durch Rechteckfiguren, deren Flächeninhalt einfacher zu bestimmen ist.

Stetigkeit scheint deshalb eine wünschenswerte Eigenschaft eines Inhalts zu sein. Bevor wir diesen Begriff genauer untersuchen: Gibt es überhaupt Inhalte, die sich (in unserem intuitiven Sinne) unstetig verhalten?
Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Beispiel
Es ist also nicht jeder Inhalt stetig. Wie können wir die Stetigkeit eines Inhalts mathematisch formalisieren? In Anlehnung an die Folgenstetigkeit reeller Funktionen versuchen wir die folgende Definition:
Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Definition
Aber hier müssen wir vorsichtig sein: Was ist unter zu verstehen, wenn die Mengen sind? Wir brauchen zuerst einen Konvergenzbegriff für Mengenfolgen.
Mengenfolgen
Es ist schwer zu sagen, wogegen die Folge , konvergiert. Dagegen kann man vermuten, dass die Folge der gegen die Menge konvergiert: Da die fallend ineinander enthalten sind, kann man die Mengenfolge als Approximation der Menge "von Außen" auffassen. Ebenso kann man Folgen aufsteigend ineinander enthaltener Mengen als Approximation einer Menge "von Innen" auffassen (zum Beispiel die Folge der , welche ausschöpfen). Naheliegend ist dann, den Schnitt bzw. die Vereinigung der als Grenzwert der Folge zu setzen.
-
Die Mengenfolge läuft "unendlich weit nach rechts" und konvergiert daher nicht.
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Die Mengenfolge schrumpft zusammen auf (blauer Bereich) und konvergiert damit.
Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Definition
Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Hinweis
Schauen wir uns ein paar Beispiele an:
Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Beispiel
Wie vertragen sich Grenzwerte monotoner Mengenfolgen mit Mengenringen? Schauen wir uns den Ring der Quaderfiguren im und zwei Beispiele von monoton wachsenden Mengenfolgen in diesem Ring an. Im linken Bild wird ein Rechteck durch eine Folge von Quaderfiguren approximiert. Der Grenzwert ist selbst eine Quaderfigur und liegt wieder in . Rechts sehen wir, wie ein Kreis durch Quaderfiguren approximiert wird. Der Grenzwert ist aber keine Quaderfigur mehr und liegt damit nicht in .
Offenbar muss also der Grenzwert einer monotonen Folge von Mengen aus einem Ring nicht unbedingt wieder im Ring liegen. Unsere Begründung dafür war mit den Quaderfiguren eher intuitiv, aber wir können auch ein ganz konkretes Beispiel angeben:
Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Beispiel
Stetigkeit von unten und von oben
Definition der Stetigkeit
Ausgestattet mit dieser Definition von Grenzwerten von Mengenfolgen können wir nun einen weiteren Versuch machen, die Stetigkeit eines Inhalts auf einem Ring zu definieren. Wir haben eben gesehen, dass für eine monotone Mengenfolge in einem Ring ihr Grenzwert nicht unbedingt wieder im Ring liegt. Beachte, dass wir deshalb die einschränkende Bedingung stellen müssen, dass der Grenzwert der Mengenfolge wieder im Ring liegt, damit die Definition sinnvoll ist.
Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Definition
Schauen wir an einem Beispiel, ob diese verbesserte Definition den Begriff der Stetigkeit schon zu unserer Zufriedenheit beschreibt.
Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Beispiel
Es gibt also Inhalte, die intuitiv stetig, aber unstetig im Sinne unserer Definition sind. Offenbar gibt es ein Problem bei der Definition der Stetigkeit von oben. Beachte: Bei der Stetigkeit von unten können auch solche "unvernünftigen" Fälle auftreten. Es kann etwa die monotone Folge der beschränkt sein, also gegen einen endlichen Wert konvergieren, während für den Grenzwert der Mengenfolge gilt. Einen solchen Inhalt als unstetig zu bezeichnen widerspricht aber nicht unserer Intuition, im Gegenteil. Ein Beispiel dafür haben wir am Anfang des Artikels gesehen.
Was ist nun das Problem bei der Stetigkeit von oben? Es liegt offenbar am Auftreten des Werts Unendlich: Zwar ist jedes der etwas "weniger" unendlich als seine Vorgänger, es gilt aber trotzdem . Diesen Fall muss man in der Definition der Stetigkeit von oben ausschließen. Dafür fordern wir Endlichkeit der absteigenden Folge ab einem Index.

Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Definition
Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Hinweis
Beachte: Es ist nicht nötig, die Endlichkeit ab einem Index bei der Stetigkeit von unten zu fordern: Gilt für einen Index , dann gilt auch für alle darauffolgenden wegen der Monotonie des Inhalts . Aus demselben Grund gilt es dann auch für den Grenzwert .
Aus der Stetigkeit von unten folgt die Stetigkeit von oben
Stetigkeit von oben und Stetigkeit von unten scheinen nicht ganz äquivalent zu sein: Zumindest muss man bei der Stetigkeit von oben Einschränkungen treffen, die bei der Stetigkeit von unten nicht nötig sind. Wie hängen die beiden Begriffe genau zusammen? Wir versuchen eine Analogie zu Folgen reeller Zahlen zu finden.
Sei eine monoton fallende Folge nichtnegativer reeller Zahlen. Man kann daraus eine monoton steigende Folge nichtnegativer reeller Zahlen machen, indem man die Folge betrachtet. Wenn diese Folge gegen einen Wert konvergiert, können wir daraus schließen, dass die ursprüngliche Folge gegen konvergiert.
Angenommen, wir wissen nun von einem Inhalt, dass er stetig von unten ist. Dann können wir daraus die Stetigkeit von oben folgern, indem wir auf dieselbe Art aus einer monoton fallenden Mengenfolge die monoton steigende Folge machen. Für diese können wir dann die Stetigkeit von unten ausnutzen. Entscheidend dabei ist, dass wir nur fallende Mengenfolgen mit Mengen endlichen Inhalts betrachten zu brauchen, sodass wir keine Probleme bei der Subtraktion bekommen.
Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Satz
Aus der Stetigkeit von oben folgt nicht die Stetigkeit von unten
Genauso müsste es funktionieren, wenn wir wissen, dass ein Inhalt stetig von oben ist: Wir machen aus einer aufsteigenden Folge eine absteigende und nutzen die Stetigkeit von oben aus. Aber hier müssen wir vorsichtig sein! Wir haben die Stetigkeit von oben nur für Folgen von Mengen, die ab einem Index endlichen Inhalt haben. Es ist nicht garantiert, dass diese Bedingung erfüllt ist, wenn wir ausgehend von einer beliebigen aufsteigenden Mengenfolge eine absteigende Folge konstruieren. Dieses Problem kann auch bei reellen Zahlenfolgen auftreten: Aus einer gegen ein konvergenten, monoton steigenden Folge nichtnegativer reeller Zahlen kann man die monoton fallende Folge machen. Wenn aber nicht nach oben beschränkt ist, sondern gegen Unendlich strebt, ist das nicht mehr möglich.
Bei Mengenfolgen ist zwar für jede monoton wachsende Folge mit Grenzwert die Folge monoton fallend. Aber dasselbe Problem wie bei den reellen Zahlenfolgen kann auch hier auftreten, denn es kann für alle sein. Bei einer solchen Folge können wir nicht die Stetigkeit von oben benutzen. Wir können also nicht erwarten, dass aus der Stetigkeit von oben immer die Stetigkeit von unten folgt. Das zeigt das folgende Beispiel, das wir schon im ersten Abschnitt als Beispiel eines unstetigen Inhalts kennengelernt haben:
Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Beispiel
Wir halten diese Erkenntnis fest:
Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Warnung
Äquivalenz von "unten" und "oben" für endliche Inhalte
Intuitiv ist die Stetigkeit von oben schwächer, weil man die Bedingung der Endlichkeit des Inhalts der Mengen der Folge ab einem Index stellen muss und auf diese Weise ein paar Folgen "verliert", wenn der Inhalt nicht nur endliche Werte annimmt. In der Tat sind "von oben" und "von unten" für endliche Inhalte äquivalent:
Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Satz
Äquivalente Charakterisierung der Stetigkeit von oben
Zuletzt geben wir noch eine einfachere Charakterisierung der Stetigkeit von oben. Sie kann nützlich sein, um die Stetigkeit endlicher Inhalte nachzuweisen:
Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Satz
Beispiele für stetige Inhalte
Jetzt wo wir so viel über stetige Inhalte wissen, können wir uns ein paar konkrete Beispiele angucken.
Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Beispiel
Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Beispiel
Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Beispiel
Weiterhin kann man leicht zeigen, dass endliche Linearkombinationen von stetigen Inhalten wieder stetig sind.
Sigma-Ringe
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Ein Ring muss nicht unbedingt alle Grenzwerte von Mengen enthalten.
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In einem -Ring müssen hingegen alle Grenz-Mengen enthalten sein.
Wir wissen nun, was Stetigkeit eines Inhalts auf einem Ring bedeutet. In der Einleitung haben wir festgestellt, dass Stetigkeit ermöglicht, Mengen durch Approximation zu messen, da kleine Abweichungen der Mengen voneinander nur kleine Abweichungen der Messwerte zur Folge haben. Ist also ein Inhalt auf einem Ring stetig, so sollten nicht nur die Mengen aus gemessen werden können, sondern auch alle mit Mengen aus approximierbaren Mengen. Die approximierbaren Mengen sind gerade die Grenzwerte monoton steigender bzw. fallender Mengenfolgen. Es ist bei stetigen Inhalten also sinnvoll, einen Ring als Definitionsbereich zu benutzen, welcher auch die Grenzwerte solcher Folgen enthält:

Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Definition
Für die Stetigkeit eines Inhalts reichte die Stetigkeit von unten, weil man aus jeder fallenden eine aufsteigende Mengenfolge machen kann. Genauso reicht es, die Abgeschlossenheit von nur für Grenzwerte aufsteigender Mengenfolgen zu formulieren: Ist eine monoton fallende Mengenfolge mit Grenzwert , dann ist die Folge der eine monoton wachsende Folge mit Grenzwert . Da ein Ring, also insbesondere stabil unter Differenzen ist, gilt Vorlage:Einrücken für alle und Vorlage:Einrücken Bei den Gleichheiten auf der linken Seite haben wir bzw. ausgenutzt. Es reicht also zu fordern, dass Grenzwerte monoton steigender Mengenfolgen wieder im Mengensystem liegen, und wir haben die äquivalente Definition:
Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Definition
In der Literatur werden -Ringe oft anders definiert. Wir beweisen diese äquivalente Charakterisierung.
Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Satz
Beispiele für sigma-Ringe
Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Beispiel
Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Beispiel
Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Beispiel
Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Beispiel
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