Mathe für Nicht-Freaks: Komplexe Zahlen: Einleitung und Motivation

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Wir befassen uns nun mit einem sehr wichtigem Thema in der Mathematik: den komplexen Zahlen. Mit der Funktionentheorie gibt es ein ganzes Gebiet, was sich mit komplexen Zahlen und Funktionen auf den komplexen Zahlen beschäftigt. Auch in der Physik werden komplexe Zahlen verwendet. Sie werden zur Beschreibung von Schwingungen oder elektrischen Widerständen verwendet. Neben der Motivation wollen wir uns auch mit der Intuition hinter den komplexen Zahlen befassen. Weiter werden wir auch Eigenschaften der komplexen Zahlen kennen lernen.

Historische Motivation

Wieso betrachten wir komplexe Zahlen? Als Motivation wird häufig das Lösen von Gleichungen wie x2=1 genannt. Diese kann nicht durch reelle Zahlen gelöst werden. Man erweitert den Zahlenbereich der reellen Zahlen und definiert die komplexe Zahl i als Lösung der Gleichung.

Den Beginn der komplexen Zahlen markierten die Erkenntnisse der italienischen Mathematiker Niccolò Fontana Tartaglia (1500-1557) und Gerolamo Cardano (1501-1576). Grundsätzlich ging es hierbei aber nicht um die Lösung von Gleichungen der Form x2=1 mit negativen Radikanden, sondern um die Lösung von kubischen Gleichungen. Zu dieser Zeit waren bereits Methoden zur Lösung von linearen und quadratischen Gleichungen bekannt. Für kubische Gleichungen, also Gleichungen der Form ax3+bx2+cx+d=0 mit a,b,c,d, war dies jedoch noch nicht der Fall. Tartaglia fand eine Lösungsformel für spezielle kubische Gleichungen der Form x3=cx+d mit c>0 und d>0:

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Cardano, welcher die Formel von Tartaglia erhalten hatte, erkannte, dass die Formel für bestimmte Werte von c und d eine Wurzel mit negativen Radikanden beinhaltete. So erhalten wir für c=15 und d=4:

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Solche Wurzeln wie 121 galten zur damaligen Zeit als unlösbar. Man konnte sich nicht vorstellen, dass das Quadrat einer Zahl ein negatives Ergebnis sein kann. Jedoch war bereits bekannt, dass jede kubische Funktion immer einen Schnittpunkt mit der x-Achse und damit eine Nullstelle besitzt.

Rafael Bombelli, ein Schüler Cardanos, kam zu der Erkenntnis, dass er einfach eine neue Zahlenart hinzufügen müsste – wie es schon bei früheren Problemen der Fall war – welche quadriert eine negative Zahl ergibt. Er führte die Zahlen +1 und 1 ein, die er wie ein neues Vorzeichen betrachtete. So bestimmte er beispielsweise 121=111. Indem er bei diesen neuen Zahlen die vorhandenen Rechengesetze anwendete (mit der Besonderheit, dass 11=1 ist), kam er zu folgendem Ergebnis:

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Damit ist formal gesehen 2+1213=2+1. Analog gilt 21213=21. Bombelli konnte so die Formel von Cardano verwenden, um die Lösung x=4 der Gleichung x3=15x+4 zu finden:

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Über den Zwischenweg von Wurzeln mit negativen Zahlen konnte eine reelle Lösung der Gleichung gefunden werden. Interessanterweise tat Bombelli seine Entdeckung als „nutzlos“ ab. Die neugeschaffene Zahlenart war auch später noch Gegenstand von zahlreichen Diskussionen, konnten doch mit dieser Zahlenart interessante Phänomene der Analysis wie beispielsweise die nach dem berühmten Mathematiker Leonard Euler benannte „Eulersche Formel“ erklärt werden. Euler war es im Übrigen auch, welcher 1777 das Symbol für die imaginäre Einheit i einführte. Wirklich imaginär sind die komplexen Zahlen im Übrigen nicht. Sie sind, wie oben angesprochen, lediglich eine Erweiterung der damals bekannten Zahlenebene.

Herleitung der imaginären Einheit

In der Schule wurde der Zahlbereich stetig erweitert. Ausgehend von den natürlichen Zahlen wurden zunächst die ganzen Zahlen, dann die rationalen und zum Schluss die reellen Zahlen eingeführt. Mit jeder Erweiterung konnten neue Rechenoperationen durchgeführt werden: Der Übergang zu den ganzen Zahlen erlaubte Subtraktionen wie 25, in den rationalen Zahlen waren beliebige Divisionen wie 2÷5 möglich und in den reellen Zahlen können beliebige Wurzel positiver Zahlen wie 2 berechnet werden.

Mit jeder Erweiterung konnten neue Gleichungen gelöst werden. Gleichungen wie x+5=2 sind in den ganzen Zahlen lösbar, was in den natürlichen Zahlen noch nicht der Fall ist. Gleichungen wie 5x2=0 verlangen zur Lösung den Übergang zu den rationalen Zahlen und Gleichungen wie x22=0 den Übergang zu den reellen Zahlen.

Wir betrachten nun die Gleichung x2+9=0. In der Schule würden wir sagen, dass diese Gleichung keine Lösung besitzt, weil wir aus der negativen Zahl 9 keine Wurzel ziehen dürfen. Ist es möglich, dass durch eine Zahlenbereichserweiterung diese Gleichung lösbar wird? Schließlich konnten bereits früher vorher unlösbare Gleichungen durch neue Zahlbereiche gelöst werden.

Nehmen wir an, dass wir Wurzeln aus negativen Zahlen ziehen dürfen. Dann ist x=9 eine Lösung der Gleichung x2+9=0. Wenn wir davon ausgehen, dass wir die uns bekannten Rechenregeln der Wurzel anwenden können, so erhalten wir: Vorlage:EinrückenWir können unsere Lösung auf ein Produkt der reellen Zahl 3 mit 1 überführen. Dieser Trick ist auf jede Wurzel einer negativen Zahl anwendbar. Jede dieser Wurzeln ist als Produkt einer reellen Zahl mit 1 darstellbar. Wenn wir also wissen, was 1 ist, so können wir jede Wurzel einer negativen Zahl berechnen.

Nun können im neuen Zahlbereich (wenn es einen solchen gibt) unsere bekannten Rechenregeln der Wurzel nicht gelten. Sonst würden wir folgenden Widerspruch erhalten:

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Deswegen müssen wir vorsichtig sein, wenn wir Wurzeln aus negativen Zahlen ziehen. Dennoch zeigt uns die Gleichung 9=31 einen möglichen wichtigen Zusammenhang. Von einer Lösung der Gleichung x2+1=0 (nämlich 1) können wir auf eine Lösung der Gleichung x2+9=0 (nämlich 9) schließen. Diesen Zusammenhang können wir auch ohne die Benutzung von Wurzelregeln zeigen:

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Über den Zusammenhang z=x3x=3z finden wir eine Lösung für x2+9=0, wenn eine Lösung von z2+1=0 bekannt ist. Man muss diese nur mit 3 multiplizieren. Dieser Zusammenhang wurde bereits mit 9=31 angedeutet. Auf analoge Art sollten wir auch andere quadratische Gleichungen lösen können, wenn wir eine Lösung für die Gleichung z2+1=0 kennen.

Führen wir nun i als eine Lösung der Gleichung x2+1=0 ein. Was diese Zahl ist, wissen wir nicht. Wir stellen uns einfach vor, dass es eine solche Zahl gibt. Passenderweise wird i in der Mathematik imaginäre Zahl oder imaginäre Einheit genannt. Damit können wir auch eine Lösung der Gleichung x2+9=0 angeben. Wie wir es oben hergeleitet haben, ist eine solche Lösung 3i.

Aufbau der komplexen Ebene

Was ist die imaginäre Zahl?

Wie können wir uns die imaginäre Zahl i vorstellen? Gehen wir zuerst einen Schritt zurück und betrachten die reellen Zahlen. Diese kann man sich als Punkte auf dem Zahlenstrahl vorstellen:

Zahlengerade mit eingezeichneten Zahlen von -3 bis +3
Zahlengerade mit eingezeichneten Zahlen von -3 bis +3

Die imaginäre Einheit i liegt nicht auf dem Zahlenstrahl, da i keine reelle Zahl ist. Über die Eigenschaft i2=1 können wir aber herausfinden, wo sich i befindet. Zunächst veranschaulichen wir die Operation der Multiplikation mit 1. Wenn wir eine beliebige Zahl x mit 1 multiplizieren, wird sie an der 0 zu x gespiegelt:

Zahlengerade zeigt die Spiegelung von x an der 0.
Zahlengerade zeigt die Spiegelung von x an der 0.

Diese Spiegelung ist in der Ebene das Gleiche wie eine 180-Drehung von x um den Nullpunkt:

Zahlenebene zeigt die Drehung von x um 180 Grad um die 0.
Zahlenebene zeigt die Drehung von x um 180 Grad um die 0.

Damit ist die Operation x(1)x eine 180-Drehung. Nun ist i2=1 und so können wir die Operation x(1)x in xi(ix) übersetzen. Die Multiplikation von x mit i entspricht also einer Operation, die bei zweimaliger Anwendung eine 180-Drehung bewirkt.

Wir müssen uns also überlegen, wie wir eine 180-Drehung in zwei identische Operationen unterteilen können. Es liegt auf der Hand, dass diese Operationen eine 90-Drehung sind. Wir folgern, dass durch die Multiplikation ix die Zahl x um 90 gedreht wird. Damit können wir uns überlegen, wo i liegt. Es gilt i=i1. Also entsteht i aus einer 90-Drehung der 1. Die imaginäre Zahl befindet sich im Lot zur Null im Abstand 1 zur Zahlengeraden:

Zahlenebene zeigt die Drehung von x um 90 Grad um die 0, equivalent mit der Multiplikation mit i.
Zahlenebene zeigt die Drehung von x um 90 Grad um die 0, equivalent mit der Multiplikation mit i.

Wir hätten sowohl im als auch gegen den Uhrzeigersinn drehen können um die Lage von i zu bestimmen. Wir wählen hier die Drehung gegen den Uhrzeigersinn, da auch Winkel in dieser Drehrichtung angegeben werden. Nun wissen wir, wo i liegt. Aber wo liegt 2i, 3i, ? Multiplizieren wir i mit 2 oder 3, werden diese Punkte um 90 gedreht. Sie liegen also wie i im Lot zur Null, haben aber zum Nullpunkt den Abstand 2 bzw. 3:

Zahlenebene zeigt die Drehung von 1,2,x,a um 90 Grad um die 0, equivalent mit der Multiplikation mit i.
Zahlenebene zeigt die Drehung von 1,2,x,a um 90 Grad um die 0, equivalent mit der Multiplikation mit i.

Wählen wir nun irgendeine positive reelle Zahl a. Wo liegt allgemein ai? Genauso wie für 2 und 3 durchläuft unsere Zahl a bei der Multiplikation ia eine 90-Drehung. Das Ergebnis ia=ai befindet sich im Lot zur 0. Der Abstand bleibt dabei erhalten. Das heißt, ai ist genauso weit von der Null entfernt wie a.

Negative Zahlen b wiederum liegen auf dem Zahlenstrahl links von der Null. Drehen wir die Zahl um 90 um die Null, landet sie unterhalb des Zahlenstrahls im Lot zur Null. Wie bei den positiven Zahlen bleibt der Abstand von der Null bei der Drehung erhalten. Wenn wir die neu gefundenen Punkte i,ai, bi, verbinden, entsteht eine Gerade. Diese steht senkrecht auf dem reellen Zahlenstrahl und geht durch die Null.

Betrachten wir ein beliebiges x aus . Dann liegt xi auf dieser Gerade. Haben wir einen Punkt auf der Geraden, dann gibt es eine reelle Zahl x, sodass xi genau dieser Punkt ist. Also gilt: Die Gerade enthält genau die Zahlen xi wobei x eine reelle Zahl ist:

Zahlenebene zeigt die Drehung von 1,2,x,a um 90 Grad um die 0, equivalent mit der Multiplikation mit i. Komplexe Achse der kompexen Zahlenebene eingeführt.
Zahlenebene zeigt die Drehung von 1,2,x,a um 90 Grad um die 0, equivalent mit der Multiplikation mit i. Komplexe Achse der kompexen Zahlenebene eingeführt.

Herleitung von a+bi

Wir haben zwei Geraden, den Zahlenstrahl und die neu konstruierte Gerade. Die beiden Geraden bilden zwei Achsen. Den Zahlenstrahl nennen wir reelle Achse und die darauf senkrechte Gerade nennen wir imaginäre Achse. Die Achsen erzeugen ein Koordinatensystem, in dem wir nun Punkte betrachten. Für den Punkt (5,0) müssen wir von der Null aus fünf ganze Schritte nach rechts gehen. (5,0) beschreibt also die reelle Zahl 5. Ähnlich funktioniert dies mit (2,0). Um diesen Punkt zu erreichen müssen wir zwei Schritte nach links entlang der reellen Achse zur 2 gehen. Wenn wir drei Schritte von der Null nach oben gehen erreichen wir 3i. Somit entspricht der Punkt (0,3) der Zahl 3i. Wollen wir 4i erreichen, so müssen wir vier Schritte nach unten zum Punkt (0,4) gehen.

Komplexe Zahlenebene mit 5 Punkten
Komplexe Zahlenebene mit 5 Punkten

Welche Zahl beschreibt aber (5,3)? Um den Punkt (5,3) zu erreichen, können wir erst 5 Schritte nach rechts und anschließend 3 Schritte nach oben gehen. Wir benutzen hier die bekannte Vektorrechnung in der Ebene ×=2, um (5,3)=(5,0)+(0,3) zu erhalten. Wie wir schon herausgefunden haben, entspricht (5,0) der Zahl 5 und (0,3) beschreibt 3i. Folglich stellt (5,3) die Zahl 5+3i dar. Wir können aber genauso erst 3 Schritte nach oben und dann 5 Schritte nach rechts gehen, um (5,3) zu erreichen. Dann erhalten wir als entsprechende Zahl 3i+5. Es ist egal, ob wir uns erst nach rechts und dann nach oben oder andersherum bewegen. Deshalb muss 5+3i=3i+5 gelten. Die Konvention ist allerdings 5+3i zu schreiben.

Genauso können wir auch für beliebige reelle Zahlen a,b vorgehen, um die dazugehörige Zahl zu (a,b) zu finden. Wir gehen um a nach rechts und um b nach oben. Wir erhalten für (a,b) die entsprechende Zahl a+bi.

Obwohl hier ein Plus steht, können wir die Formel nicht weiter vereinfachen. Wir können a+bi genauso wenig umformen, wie die Tupelschreibweise (a,b). Mit dem Ausdruck a+bi lässt sich aber gut rechnen. Wenn wir mit a+bi rechnen, nutzen wir das Plus so wie immer.

Aber wozu brauchen wir Zahlen der Form a+bi? Erinnern wir uns zuerst, warum wir i eingeführt haben. Wir wollten die Gleichung x2+1=0 lösen. Da diese Gleichung keine reelle Lösung hat, haben wir i gebraucht. Betrachten wir nun die Gleichung x22x+2=0. Unter Benutzung der zweiten Binomischen Formel können wir die Gleichung umformen:

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Die Umformung zu (x1)2=1 macht klar, dass keine reelle Zahl diese Gleichung erfüllen kann. Wenn x eine reelle Zahl ist, dann ist x1 auch reell und (x1)21. Versuchen wir nun diese Gleichung mit Hilfe von komplexen Zahlen zu lösen. Wir wissen, dass i2=1. Wir suchen also ein x, sodass x1=i ist. Wenn wir so ein x hätten, dann wäre (x1)2=i2=1 und wir hätten die Gleichung gelöst. Es ergibt sich x=1+i. Unsere Lösung ist in der Form a+bi mit reellen Zahlen a und b. Deshalb ergibt es Sinn, dass wir nicht nur Zahlen der Form bi betrachten, sondern auch a+bi. So sind nämlich auch andere vorher unlösbare quadratische Gleichungen lösbar.

Wir nennen a+bi eine komplexe Zahl. Die Menge der komplexen Zahlen bezeichnen wir mit . Durch a+bi treffen wir alle Punkte auf der Ebene, die durch die reelle und imaginäre Achse aufgespannt wird. Diese Ebene wird komplexe Ebene genannt:

Die komplexe Ebene
Die komplexe Ebene

Die komplexen Zahlen haben wir über die Gleichung (a,b)=^a+bi mit der Ebene gleichgesetzt. Nun können wir mit komplexen Zahlen mehr berechnen als wir es von Vektoren aus der Ebene gewohnt sind. Neben der Addition (die sowohl für Vektoren als auch für komplexe Zahlen möglich ist), können wir mit komplexen Zahlen auch multiplizieren (was wir mit Vektoren nicht können). Wir können sogar zeigen, dass die komplexen Zahlen mit ihrer Addition und Multiplikation einen Körper bilden. Die Struktur zum Rechnen in den komplexen Zahlen ist damit ähnlich zu dem, was wir bei den reellen Zahlen kennen.

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