Mathe für Nicht-Freaks: Grenzwert: Konvergenz und Divergenz

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In diesem Kapitel wird das Konzept des Grenzwerts (auch Limes genannt) bzw. der Konvergenz einer Folge eingeführt. Da Begriffe wie Stetigkeit, Ableitung und Integral mithilfe des Grenzwertbegriffes definiert werden, ist der Grenzwert sehr wichtig. Er bildet damit das Rückgrat der Analysis.

Intuition hinter der Idee der Konvergenz

Datei:Konvergente Folge (Vorstellung, Beispiele, Definition).webm Datei:Folgenkonvergenz - Quatematik.webm Um eine mathematische Definition des Grenzwerts zu finden, sollten wir zunächst eine intuitive Idee für diesen Begriff bekommen. Schauen wir uns dafür die harmonische Folge (1n)n an. Sie hat die Folgenglieder

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Diese nähern sich von oben immer mehr der Null an und man kann intuitiv sagen:

  • Die Folge geht beliebig nah an 0.
  • Je größer n ist, desto mehr nähert sich an=1n der 0 an.
  • Die Folge an=1n strebt gegen 0.
  • Die Folge an=1n erreicht im Unendlichen die 0.

Alle diese Erklärungen beschreiben intuitiv, was wir in der Analysis den Grenzwert einer Folge nennen. In diesem Fall ist 0 der Grenzwert der harmonischen Folge (1n)n.

Herleitung der Definition des Grenzwerts

Erste Schritte

Um als Mathematiker mit dem Begriff des Grenzwerts arbeiten zu können, brauchen wir eine klare und exakte Definition. Diese können wir finden, indem wir mit einer intuitiven Idee starten und diese so lange konkretisieren, bis wir eine exakte mathematische Definition haben. Die Konkretisierung erfolgt so lange, bis wir eine Formulierung finden, die nur noch bereits definierte Begriffe enthält. Fangen wir mit der folgenden intuitiven Beschreibung des Grenzwerts an:

Vorlage:-

Was bedeutet „beliebig nahe“ im obigen Satz? Wir können es so übersetzen: Stellen wir uns die Folgenglieder in einem Koordinatensystem vor, wobei auf der x-Achse die Indizes n und auf der y-Achse die Werte der Folgenglieder an stehen. Jedes Folgenglied wird durch einen Punkt in diesem Koordinatensystem dargestellt. Den Grenzwert a veranschaulichen wir durch eine gestrichelte Linie.

Folgenglieder im KOSY
Folgenglieder im KOSY

Wenn die Folgenglieder nun „beliebig nahe“ an a herangehen, wird der Abstand zum Grenzwert immer kleiner. Nun nehmen wir einen sehr schmalen „Schlauch“ (man kann es sich wie einen Gartenschlauch vorstellen), der den Radius ϵ hat. Diesen „fädeln“ wir von rechts über den Grenzwert. Solange der Abstand der Folgenglieder zum Grenzwert kleiner als der Schlauch dick ist, kann man den Schlauch noch weiter nach links schieben. Alle Punkte befinden sich immer noch innerhalb des Schlauches. Sobald ein Punkt aber einen größeren Abstand zum Grenzwert hat, kann er nicht mehr innerhalb des Schlauches liegen. An dieser Stelle müssen wir aufhören, den Schlauch weiter aufzufädeln.

Epsilonschlauch
Epsilonschlauch

Der Punkt aN0 ist das Folgenglied, ab dem alle späteren Folgenglieder (also mit Index größer gleich N0) innerhalb des Schlauches liegen. Direkt vor aN0 liegt ein Punkt, der außerhalb des Schlauchs liegt. Wenn wir den Schlauch jetzt dünner machen, können vielleicht nicht mehr alle Punkte innerhalb des Schlauches liegen, die vorher im großen Schlauch lagen. Deshalb kann man den dünnen Schlauch nicht mehr so weit nach links schieben, wenn noch alle Punkte innerhalb des Schlauches liegen sollen. Jedoch ist es auch bei ihm möglich, dass fast alle Folgenglieder „eingefangen“ werden können:

Epsilonschlauch klein
Epsilonschlauch klein

Nun ist der Punkt, der nicht mehr in den dünneren Schlauch passt, weiter rechts als im vorherigen Bild. Das neue erste Folgenglied im Schlauch nennen wir aN1. Alle Folgenglieder mit einem Index größer gleich N1 liegen in dem dünneren Schlauch.

Dieser Schlauch hat keine nähere mathematische Bedeutung. Wir haben ihn nur verwendet, um zu zeigen, dass die Folgenglieder immer näher an der gestrichtelten Linie liegen. Sie gehen also immer näher an a heran und insbesondere auch nicht mehr weiter weg, da sie ja ab einem bestimmten Index alle innerhalb des Schlauches liegen, egal wie dünn dieser ist. Haben wir das verstanden, brauchen wir den „Schlauch“ nicht mehr. Was bisher unser beliebig dünner Schlauch mit Radius ϵ war, werden wir ϵ-Umgebung nennen.

In jeder Umgebung um den Grenzwert liegen fast alle Folgenglieder

Der Grenzwert ist eine Zahl, so dass für jede ϵ-Umgebung fast alle Folgenglieder in dieser Umgebung um die Zahl liegen.

Wir haben Indizes wie N0 bzw. N1 gefunden, ab denen alle nachfolgenden Folgenglieder innerhalb der jeweiligen ϵ-Schläuche liegen. Machen wir den Schlauch noch dünner, finden wir entsprechend ein N2, ab dem alle Folgenglieder im Schlauch liegen und so weiter. Egal wie dünn wir den Schlauch machen, es wird immer einen Punkt geben, ab dem alle weiteren Folgenglieder im Schlauch liegen.

Da solche Startindizes wie N0 natürliche Zahlen sind, kann es nur endlich viele Folgenglieder geben, die außerhalb des Schlauches liegen (nämlich höchstens N01 Folgenglieder). Alle restlichen Folgenglieder liegen innerhalb des Schlauchs. Da eine Folge unendlich viele Folgenglieder hat, kann man die endlich vielen Glieder, die außerhalb liegen, vernachlässigen und sagen, dass fast alle Glieder innerhalb des Schlauches liegen. Das geht selbst, wenn das N0 sehr groß ist. Denn in Relation zu unendlich vielen Folgegliedern, die innerhalb des Schlauchs liegen, sind endlich viele Folgeglieder außerhalb des Schlauchs wenig – egal wie groß N0 ist. Das zu verstehen ist wichtig, um den Grenzwertbegriff zu verstehen.

Wir haben also herausgefunden, dass fast alle Folgenglieder in dem Schlauch liegen, egal wie dünn dieser ist. Das heißt, dass die Folgenglieder immer näher an den Grenzwert a herangehen. Und das ist es, was den Grenzwert ausmacht. Die Folgenglieder an liegen beliebig nah am Grenzwert a, wenn wir hinreichend große n betrachten.

Was ist eine Umgebung einer Zahl?

Eine Umgebung einer Zahl a lässt sich geometrisch mithilfe eines Kreises konstruieren. Sei dazu a der Mittelpunkt eines Kreises mit dem Radius 0. Dann ist zunächst der Punkt a eingezeichnet. Erweitert man den Radius dieses Kreises beliebig weit, so vergrößert sich der Durchmesser ausgehend von dem Mittelpunkt a.

Wir behaupten: Eine Umgebung ist intuitiv gesprochen eine Menge von Zahlen, welche die Zahl a umschließt.

Im Eindimensionalen ist dieser Kreis nichts anderes als ein offenes Intervall. Eine Umgebung einer Zahl a lässt sich mathematisch auch mithilfe eines solchen Intervalls konstruieren. Der Radius des Kreises entspricht dem Abstand zum linken und rechten Rand des Intervalls. Dieser ist eine beliebige positive Zahl ϵ>0.

Ein solches Intervall ist charakterisiert als die Menge aller Zahlen, die einen Abstand von a kleiner ϵ besitzen. Damit haben sie die Form (aϵ,a+ϵ).

Man nennt dieses Intervall auch ϵ-Umgebung von a, die so aussieht:

Die Epsilon-Umgebung
Die Epsilon-Umgebung

Eine solche ϵ-Umgebung von a definiert allgemein die Umgebung einer Zahl a. Eine Menge M ist dadurch eine Umgebung von a, wenn es eine ϵ-Umgebung (aϵ,a+ϵ) gibt, so dass (aϵ,a+ϵ)M ist. Wir betrachten beispielsweise die folgende Menge M:

Menge M mit inneren Punkt a auf der Zahlengeraden
Menge M mit inneren Punkt a auf der Zahlengeraden

Zunächst finden wir die ϵ-Umgebung von a. Dazu wählen wir ein beliebiges ϵ>0 und legen einen Kreis um a. Genauer gesagt finden wir ein Intervall (aϵ,a+ϵ). Die Menge M ist ebenfalls eine Menge von Zahlen und somit ein Intervall im Eindimensionalen. Diese umschließt das Intervall (aϵ,a+ϵ). Sie ist also eine Obermenge der ϵ-Umgebung von a. Deswegen ist M auch eine Umgebung von a.

Menge M mit inneren Punkt a und ε-Umgebung um a
Menge M mit inneren Punkt a und ε-Umgebung um a

Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Definition

Was bedeutet „fast alle“?

Dazu stellen wir uns ein Koordinatensystem vor, auf dem unendlich viele Folgenglieder einer konvergierenden Folge dargestellt sind. Nun nehmen wir einen ϵ-Schlauch und fädeln ihn von rechts über den Grenzwert ein. Dann passt eine endliche Anzahl an Folgengliedern nicht in den Schlauch, weil der Abstand zum Grenzwert a nicht klein genug ist. Jedoch liegen unendlich viele Folgenglieder innerhalb des Intervalls (aϵ,a+ϵ) und damit im ϵ-Schlauch.

Die Anzahl der Folgenglieder, die innerhalb des Intervalls (aϵ,a+ϵ) liegen, ist also überwältigend groß im Vergleich zur Anzahl der Folgenglieder außerhalb dieses Intervalls. Man sagt daher, dass fast alle Folgenglieder im Intervall (aϵ,a+ϵ) liegen.

Wenn „fast alle“ Folgenglieder im Intervall (aϵ,a+ϵ) liegen, so bedeutet es, dass „alle bis auf endlich viele“ Folgenglieder ein Element dieses Intervalls sind.

Verfeinerung der mathematischen Definition

Insgesamt können wir definieren:

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Obige Aussage könnten wir als mathematische Definition des Grenzwerts verwenden. Jedoch ist es sinnvoll, diese Definition noch weiter zu formalisieren.

Nun ist ein Folgenglied an genau dann ein Element von (aϵ,a+ϵ), wenn |ana|<ϵ ist. Also:

Vorlage:-

Den Teil „es gibt ein Folgenglied, ab dem gilt …“ können wir umformulieren zu „es gibt eine natürliche Zahl N, so dass für alle an mit nN gilt …“. Somit:

Vorlage:-

Dies ist dann auch die mathematische Definition des Grenzwerts.

Definition des Grenzwerts Vorlage:Anker

Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Definition

Kommentiert lautet die prädikatenlogische Definition des Grenzwerts:

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Es folgen einige Definitionen im Zusammenhang mit dem Grenzwert:

Konvergenz
Eine Folge heißt konvergent, wenn sie einen Grenzwert besitzt. Man sagt auch, dass eine Folge gegen a konvergiert, wenn sie den Grenzwert a besitzt.
Divergenz
Eine Folge nennt man divergent, wenn sie keinen Grenzwert besitzt.
Nullfolge
Eine Nullfolge ist eine konvergente Folge mit dem Grenzwert 0.

Wenn eine Folge gegen a konvergiert, schreibt man limnan=a oder „ana für n“. Man spricht hier „Limes von an für n gegen unendlich ist a“.

Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Frage

Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Frage

Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Hinweis

Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Hinweis

Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Warnung

Erklärung der Konvergenz

Neben der obigen Herleitung gibt es eine weitere Intuition für den Grenzwertbegriff: Die Größe |ana| ist der Abstand zwischen dem n-ten Folgenglied und a. Sie ist ein Maß für den Fehler bzw. Unterschied zwischen an und a. Die Ungleichung |ana|<ϵ bedeutet also, dass der Fehler zwischen an und a garantiert kleiner als der Maximalfehler ϵ ist. Damit kann die Definition des Grenzwerts folgendermaßen gedeutet werden: Egal was für einen Maximalfehler ϵ>0 man vorgibt, fast alle Folgenglieder haben einen Unterschied kleiner als ϵ vom Grenzwert a. Der Fehler |ana| zwischen den Folgengliedern und dem Grenzwert wird also beliebig klein.

Diese Interpretation kann auch durch die Wahl der Variablen gestützt werden. Augustin-Louis Cauchy, auf den obige Definition zurückgeht[1], könnte mit ϵ das französische Wort „erreur“ für „Fehler“ gemeint haben[2].

Beispiel: Konvergenz der harmonischen Folge

Die ersten zehn Folgenglieder der harmonischen Folge

Schauen wir uns das Ganze bei der harmonischen Folge mit dem allgemeinen Glied an=1n an. Diese konvergiert intuitiv gesehen gegen 0. Sie müsste also auch die obige Definition für Konvergenz gegen 0 erfüllen.

Nimm zum Beispiel ϵ=12. Ab dem dritten Folgenglied a3=13 ist der Abstand von an zu 0 kleiner als ϵ=12. Damit liegen ab dem dritten Folgenglied alle weiteren Folgenglieder in der ϵ-Umgebung ]12,12[. Für ϵ=110 ist der Abstand der Folge zu 0 ab n=11 und für ϵ=0,00001 ab n=100001 kleiner als das jeweils gewählte ϵ.

Machen wir das nun ganz allgemein und denken uns ein beliebiges ϵ>0. Aus dem archimedischen Axiom folgt, dass es ein N gibt, so dass 1n<ϵ für alle nN ist. (Siehe Archimedisches Axiom mit der Wahl von x=1 und y=2ϵ.) Ab diesem N liegen alle folgenden Folgenglieder in der ϵ-Umgebung ]ϵ,ϵ[. Dementsprechend ist der Grenzwert der harmonischen Folge gleich 0.

Der Grenzwert ist eindeutig

Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Satz

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