Mathe für Nicht-Freaks: Basis eines Vektorraums
{{#invoke:Mathe für Nicht-Freaks/Seite|oben}}
Wir haben in den letzten beiden Kapiteln die beiden Begriffe Erzeugendensystem und Lineare Unabhängigkeit kennengelernt. In diesem Kapitel kombinieren wir die beiden Konzepte und lernen dabei den Begriff der Basis eines Vektorraums kennen.
Motivation
Weg über Lineare Unabhängigkeit Vorlage:Anker
Wir wollen auf den Begriff der Dimension hinarbeiten. Intuitiv können wir uns diese als die maximale Anzahl an linear unabhängigen Richtungen in einem Raum vorstellen. Wenn wir bei dieser Intuition bleiben, so können wir folgende vorläufige Definition von Dimension geben: Die Dimension eines Vektorraums ist die maximale Anzahl an linear unabhängigen Vektoren, die wir gleichzeitig einem Vektorraum wählen können. Um diese zu finden, müssen wir ein maximales System linear unabhängiger Vektoren finden.
Um zu sehen, ob diese vorläufige Definition sinnvoll ist, versuchen wir diese im anzuwenden: Anschaulich sollte der dreidimensional sein. Das heißt wir müssen uns zwei Fragen stellen: Passen drei linear unabhängige Vektoren in den und gibt es keinen weiteren Vektor, der linear unabhängig zu den drei gefundenen Vektoren ist? Das wollen wir jetzt ausprobieren: Nehmen wir einen beliebigen ersten Vektor, z.B. . Nun wollen wir einen dazu linear unabhängigen Vektor finden, d.h. einen Vektor der kein Vielfaches von ist bzw. nicht in liegt. Ein Beispiel hierfür ist .
Wenn wir der Intuition folgen wollen, dass dreidimensional ist, müssen wir noch einen dritten Vektor finden, der zu dem System linear unabhängig ist. Nun spannen und eine Ebene auf, in der immer die letzte Komponente Null ist. Somit ist ein zu linear unabhängiger Vektor.
Jetzt ist die Frage, ob mit diesen drei Vektoren bereits die maximale Anzahl linear unabhängiger Vektoren erreicht ist. Um dies zu beantworten, betrachten wir zunächst beispielhaft den Vektor . Wir wollen prüfen, ob wir diesen Vektor zu und hinzufügen können und weiterhin ein System linear unabhängiger Vektoren erhalten. Wenn wir mit mit passender Skalierung kombinieren, erhalten wir den Vektor :
Das ist praktisch, denn wenn wir nun den dritten Vektor hinzufügen, können wir darstellen als
Also ist . Nun wollen wir uns die gleiche Frage für einen beliebigen Vektor mit stellen. Dafür erhalten wir zunächst
Außerdem können wir den Vektor darstellen durch
Wir erhalten mit all unseren bisherigen Überlegungen für den Vektor die Darstellung
Somit ist . Da dieser Vektor beliebig gewählt war, ist jeder Vektor aus als Linearkombination der linear unabhängigen Vektoren und darstellbar. Somit ist ein Erzeugendensystem von . Daher können wir zu und keinen weiteren Vektor hinzufügen, sodass das System linear unabhängig bleibt, da jeder andere Vektor aus sich als Linearkombination von und darstellen lässt. Also bilden und ein maximales System linear unabhängiger Vektoren.
Zusammengefasst sind wir folgendermaßen vorgegangen um ein maximales System linear unabhängiger Vektoren zu finden: Wir starten mit einem Vektor, der nicht der Nullvektor ist. Das heißt wir sollten hier nicht den Nullvektorraum betrachten. Danach gehen wir schrittweise vor: Haben wir linear unabhängige Vektoren gefunden, so bilden wir den Spann dieser Vektoren. Ist dies der gesamte Vektorraum, so haben wir ein Erzeugendensystem gefunden und sind fertig. Andernfalls wählen wir einen Vektor , der nicht in liegt. Dieser trägt eine neue Richtung bei und das System ist wieder linear unabhängig. Dann machen wir das gleiche erneut, bis wir ein Erzeugendensystem gefunden haben. Wir erhalten somit die Charakterisierung, dass ein maximales System linear unabhängiger Vektoren ein Erzeugendensystem aus linear unabhängigen Vektoren ist.
Weg über Erzeugendensysteme Vorlage:Anker
Bisher sind wir mit einem System linear unabhängiger Vektoren gestartet und haben es so lange erweitert bis es ein maximales System linear unabhängiger Vektoren geworden ist. Wir haben festgestellt, dass das genau dann der Fall ist, wenn das System linear unabhängiger Vektoren zu einem Erzeugendensystem wird. Nun wollen wir untersuchen, was passiert, wenn wir die Richtung umdrehen. Das heißt wir starten mit einem Erzeugendensystem und verkleinern dieses bis wir ein minimales Erzeugendensystem gefunden haben.
Betrachten wir hierzu
Zunächst überlegen wir uns anhand folgender Rechnung, dass es sich bei um ein Erzeugendensystem des handelt: Für einen Vektor mit gilt
Wir haben also gesehen, dass wir jeden beliebigen Vektor mit den Vektoren aus dem Erzeugendensystem darstellen können.
Nun stellen wir uns die Frage, ob wir obiges Erzeugendensystem verkleinern können, ohne die Eigenschaft, ein Erzeugendensystem zu sein, zu verlieren. Nun ist ein Vielfaches von . Das heißt die Richtung, die repräsentiert, ist die gleiche wie die von repräsentierte Richtung. Folglich können wir diesen Vektor aus entfernen und erhalten ein neues Erzeugendensystem
Können wir dieses Erzeugendensystem ebenfalls verkleinern? Ja, denn es gilt
Also fügt keine neue Richtung hinzu, die nicht schon von und aufgespannt wird. Wir erhalten somit ein kleineres Erzeugendensystem
Nun können wir das Erzeugendensystem nicht weiter reduzieren, ohne die Eigenschaft, ein Erzeugendensystem zu sein, zu verlieren. Denn entfernen wir irgendeinen der drei Vektoren in , so liegt dieser nicht mehr im Spann der verbleibenden zwei Vektoren. Für sehen wir das beispielsweise folgendermaßen: Angenommen wir finden , sodass
Dann müsste gelten, weil die zweite Komponente auf beiden Seiten null sein muss. Wegen der dritten Komponente muss sein. Somit erhalten wir den Widerspruch
Also liegt nicht in . Wir haben also ein Erzeugendensystem aus linear unabhängigen Vektoren gefunden.
Zusammengefasst sind wir folgendermaßen vorgegangen: Wir haben mit einem Erzeugendensystem aus Vektoren begonnen und haben dieses nach folgendem Algorithmus verkleinert: Ist ein System linear unabhängiger Vektoren, so können wir keinen Vektor mehr entfernen, ohne die Eigenschaft, ein Erzeugendensystem zu sein, zu verlieren. Das heißt wir sind fertig und wir haben ein minimales Erzeugendensystem gefunden. Andernfalls finden wir einen Vektor mit der in liegt. Diesen können wir weglassen und erhalten dadurch ein neues Erzeugendensystem bestehend aus Vektoren. Mit diesem machen wir die gleichen Schritte erneut, bis wir ein System linear unabhängiger Vektoren gefunden haben.
Wir erhalten somit die Charakterisierung, dass ein minimales Erzeugendensystem ein Erzeugendensystem bestehend aus linear unabhängigen Vektoren ist.
Zusammenfassung
Linear unabhängige Erzeugendensysteme sind also minimale Erzeugendensysteme und gleichzeitig maximal linear unabhängige Teilemengen. Wenn eine Menge ein solches linear unabhängig Erzeugendensystem ist, nennen wir es Basis.
Da Basen Erzeugendensysteme sind, besitzt jeder Vektor eine Darstellung als Linearkombination aus Basisvektoren. Diese Darstellung ist eindeutig, denn Basen sind linear unabhängig. Letzteres charakterisiert linear unabhängige Systeme. Also haben wir eine weitere Beschreibungsmöglichkeit von Basen gefunden:
Definition der Basis eines Vektorraums
Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Definition
Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Hinweis
Äquivalente Definitionen einer Basis Vorlage:Anker
Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Satz
Beispiele
Standardbasis im Koordinatenraum Vorlage:Anker
Der Vektorraum der -Tupel über den Körper hat die sogenannte kanonische Basis
So hat der die kanonische Basis und der die kanonische Basis .
Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Aufgabe
Eine andere Basis des
Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Aufgabe
Beispiel komplexe Zahlen
Die Menge der komplexen Zahlen ist ein Vektorraum über indem wir die Multiplikation auf so einschränken, dass wir für den ersten Faktor nur reelle Zahlen nehmen:
Dann hat als -Vektorraum die Basis , denn für haben finden wir eindeutige mit .
Wenn wir als -Vektorraum betrachten, ist keine Basis von mehr, da
Für als -Vektorraum haben wir die einelementige Basis . Als -Vektorraum besitzen die komplexe Zahlen eine zweielementige Basis (Dimension ist ) und als -Vektorraum eine einelementige Basis (Dimension ist ).
Abstraktes Beispiel
Der Vektorraum der Polynome mit Koeffizienten aus besitzt als -Vektorraum eine Basis mit unendlich vielen Elementen. Ein Beispiel für eine Basis sind die Potenzen von :
Dies ist ein Erzeugendensystem, denn für ein Polynom von Grad haben wir eine Darstellung
Dabei ist für alle . Also ist jedes Polynom eine endliche Linearkombination von Elementen aus . Folglich ist ein Erzeugendensystem.
Für die lineare Unabhängigkeit überlegen wir uns folgendes: Sei mit :
Wir können das Nullpolynom auch schreiben als . Ein Koeffizientenvergleich zwischen den beiden Darstellungen liefert, dass
Also ist eine Basis.
Nichteindeutigkeit der BasisVorlage:Anker
Beispiel der Nichteindeutigkeit in der Ebene

Wir werden im Folgenden am Beispiel der Ebene sehen, dass die Basis eines Vektorraums nicht eindeutig ist. Schauen wir uns die (natürliche) Basis für mit den Einheitsvektoren an:
Diese Vektoren bilden offensichtlich ein Erzeugendensystem:
Sie sind auch linear unabhängig, weil es unmöglich ist, eine Linearkombination der Null mit nicht-trivialen Koeffizienten zu finden. Damit ist eine Basis. Für die Ebene gibt es mit der folgenden Menge eine weitere Basis:
Wir können alle Vektoren mit diesen beiden Vektoren erzeugen:
Dies Vektoren sind linear unabhängig, weil der eine Vektor kein Vielfaches des anderen Vektors ist (zwei Vektoren sind genau dann linear abhängig, wenn der eine Vektor ein Vielfaches vom anderen Vektor ist). Damit ist auch eine Basis. Diese beiden Beispiele zeigen, dass die Basis für den nicht eindeutig ist.
Erzeugung einer weiteren Basis aus einer bestehenden Basis
Allgemein können wir bei jedem -Vektorraum mit zwei Basisvektoren eine weitere Basis konstruieren: Sei eine Basis für einen -Vektorraum . Dann ist auch eine Basis von . Wir zeigen erst, dass ein Erzeugendensystem ist und danach, dass die Basisvektoren linear unabhängig sind.
Sei ein beliebiger Vektor und die Linearkombination durch die Basis . Dann kann auch über Vektoren aus eine Linearkombination von gefunden:
Damit ist ein Erzeugendensystem, weil der Vektor beliebig gewählt war.
Dass die Basisvektoren linear unabhängig sind, zeigen wir durch Kontraposition. Hierzu beweisen wir, wenn linear abhängig ist, auch linear abhängig sein muss. Aus Kontraposition folgt damit, dass linear unabhängig ist, wenn linear unabhängig ist (was es als Basis sein muss). Wenn linear abhängig ist, gibt es eine Darstellung der Null:
Dabei ist oder . Dann finden wir auch eine Darstellung der Null mit der Basis :
Wir müssen noch zeigen, dass einer der Koeffizienten oder ungleich null ist. Als Prämisse haben wir oder . Der Fall führt direkt zur nichttrivialen Darstellung der Null, da dieser Faktor so auch in der zweiten Gleichung auftaucht.
Gilt , müssen wir nochmals unterscheiden. Gilt und , dann ist und somit eine der Koeffizienten ungleich null. Gilt und , dann ist und damit der erste Koeffizient ungleich null.
Daraus folgt, dass stets einer der Koeffizienten ungleich null ist. Damit sind auch die Vektoren der Basis linear abhängig. Daraus folgt (nach Kontraposition), dass linear unabhängig ist, falls linear unabhängig ist. ist damit eine neue Basis, die aus der ersten Basis konstruiert wurde.
Dieses Prinzip kann auch auf größere Basen angewandt werden und zeigt: Die Basis eines Vektorraums ist (in der Regel) nicht eindeutig. Ein Vektorraum besitzt mehrere Basen.
Existenz und Konstruktion einer Basis
Existenz einer Basis
Wir haben bisher die Frage noch nicht beantwortet, ob es überhaupt für jeden Vektorraum eine Basis gibt. Achtung, das ist nicht selbstverständlich! Trotzdem darfst du dich freuen, denn die Antwort lautet: Ja, jeder Vektorraum besitzt (mindestens) eine Basis.
Diese Antwort müssen wir natürlich noch begründen. Für den Fall der endlich erzeugten Vektorräume, also aller Vektorräume, die ein endliches Erzeugendensystem besitzen, werden wir dies gleich beweisen. Für die unendlich erzeugten Vektorräume, also diejenigen Vektorräume, die kein endliches Erzeugendenssystem besitzen, ist der Beweis jedoch deutlich komplizierter.
Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Satz
Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Satz
Konstruktion einer Basis durch Streichen
Nun wissen wir zwar, dass jeder Vektorraum eine Basis besitzt, aber wie kannst du zu einem gegebenen Vektorraum eine Basis finden? Für endlich erzeugte Vektorräume liefert der Beweis des Satzes zur Existenz einer Basis dir eine Vorgehensweise, wie du in endlich vielen Schritten eine Basis konstruieren kannst (Für unendlich erzeugte Vektorräume ist er nicht anwendbar). Nach dem Basisergänzungssatz können wir folgendermaßen vorgehen:
- Finde ein endliches Erzeugendensystem des Vektorraums.
- Ist linear unabhängig?
- Wenn ja: Wir sind fertig und das Erzeugendensystem ist eine Basis.
- Wenn nein: Finde ein kleineres Erzeugendensystem des Vektorraums und wiederhole den Schritt 2.
Wir brauchen nun noch einen expliziten Weg, wie wir aus einem endlichen Erzeugendensystem , das kein minimales Erzeugendensystem ist, ein kleineres Erzeugendensystem erhalten. Da kein minimales Erzeugendensystem ist, ist linear abhängig. Also finden wir , sodass nicht alle und es gilt
Nun wählen wir ein mit und setzen
Wir wollen nun zeigen, dass ebenfalls ein Erzeugendensystem ist. Im Kapitel Lineare Unabhängigkeit von Vektoren haben wir gesehen, dass
Da ein Erzeugendensystem von ist, finden wir für einen Vektor Skalare mit
Also ist . Da beliebig gewählt war, folgt, dass ein Erzeugendensystem ist. Mit dem Beweis des Basisauswahlsatzes erhalten wir nun folgendes Verfahren zum Bestimmen einer Basis:
Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Lösungsweg
Konstruktion einer Basis durch ErgänzenVorlage:Anker
Alternativ können wir auch so vorgehen wie im Abschnitt Weg über lineare Unabhängigkeit; das heißt wir starten mit einer linear unabhängigen Menge und erweitern diese, bis sie maximal ist.
Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Satz
Dieser Beweis liefert dir ein weiteres Verfahren, um eine Basis eines endlich erzeugten Vektorraums in endlich vielen Schritten zu bestimmen (Auch dieses Verfahren ist nur für endlich erzeugte Vektorräume anwendbar):
- Wähle ein endliches Erzeugendensystem und starte mit der leeren Menge als deine erste linear unabhängige Menge.
- Versuche einen Vektor aus deinem Erzeugendensystem zu finden, der nicht im Spann deiner bisherigen linear unabhängigen Menge liegt. Wenn du keinen findest, bist du fertig.
- Füge den gefundenen Vektor zu deiner linear unabhängigen Menge hinzu und gehe zurück zu Schritt 2.
Im nächsten Kapitel werden wir sehen, dass je zwei Basen des gleichen endlich erzeugten Vektorraums die gleiche Mächtigkeit haben. Wir erhalten, dass jede linear unabhängige Menge, die so viele Elemente wie eine Basis besitzt, automatisch schon eine maximal linear unabhängige Teilmenge ist. Daher können wir Schritt 2 in obigem Verfahren folgendermaßen ändern: „Versuche einen Vektor aus deinem Vektorraum zu finden, der nicht im Spann deiner bisherigen linear unabhängigen Menge liegt. Wenn du keinen findest bist du fertig.“ In dieser Variante des Verfahrens musst du in Schritt 1 kein Erzeugendensystem wählen.
Beispiele: Konstruktion einer Basis durch Streichen
Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Beispiel
Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Beispiel
Beispiele: Konstruktion einer Basis durch Ergänzen
Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Beispiel
Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Beispiel
{{#invoke:Mathe für Nicht-Freaks/Seite|unten}}