Mathe für Nicht-Freaks: Ausschöpfungen, Dynkin-Systeme, Eindeutigkeitssatz

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Wir leiten Voraussetzungen her, unter denen ein Maß auf einer σ-Algebra durch die Werte auf einem Erzeuger eindeutig bestimmt ist. Wir lernen Dynkin-Systeme kennen und ihren Zusammenhang zu σ-Algebren, und beweisen den Eindeutigkeitssatz für Maße.

Problem

Das Ausgangsproblem, weshalb wir uns überhaupt mit der Fortsetzung von Mengenfunktionen zu Maßen beschäftigt haben, war das Definieren eines Maßes mit gewissen Eigenschaften. Dieses soll möglichst vielen Teilmengen einer Grundmenge Ω ein Maß zuordnen. Möglicherweise sollen zusätzliche Bedingungen erfüllt sein, etwa dass den achsenparallelen Quadern des n ihr elementargeometrischer Inhalt zugeordnet wird. Im Allgemeinen ist zunächst aber unklar, ob ein Maß mit den gewünschten Eigenschaften überhaupt existiert. Wenn ja, bleibt zu klären, auf welcher σ-Algebra es definiert ist und wie man es "hinschreiben" kann. Unser Ansatz war deshalb, die gewünschte Funktion erst auf einem kleineren Mengensystem 𝒞 zu definieren, sodass die gewünschten Eigenschaften gelten. Im Beispiel mit den Quadern könnte das beispielsweise bedeuten, 𝒞 als das Mengensystem der achsenparallelen Quader zu wählen und μ als die Mengenfunktion, die jedem dieser Quader seinen elementargeometrischen Inhalt zuordnet.

Mit dem Fortsetzungssatz wissen wir nun, unter welchen Bedingungen eine Mengenfunktion μ:𝒞[0,] zu einem Maß auf der von 𝒞 erzeugten σ-Algebra σ(𝒞) fortgesetzt werden kann. Für den Beweis des Fortsetzungssatzes wurde mit dem äußeren Maß eine mögliche Fortsetzung explizit angegeben. Unklar ist aber noch, ob es weitere Möglichkeiten gibt, μ zu einem Maß auf σ(𝒞) fortzusetzen. Mit anderen Worten, uns interessiert, ob ein Maß μ auf der σ-Algebra σ(𝒞) durch die Werte auf dem kleineren Mengensystem 𝒞 schon eindeutig bestimmt ist.

Um diese Frage mathematisch zu untersuchen, formulieren wir sie um: Seien μ und ν Maße auf der von einem Mengensystem 𝒞 erzeugten σ-Algebra σ(𝒞). Weiter seien μ und ν auf 𝒞 gleich, das bedeutet μ(A)=ν(A) für alle A𝒞. Unter welchen Bedingungen gilt dann μ=ν auf der ganzen σ-Algebra σ(𝒞)?

Das Prinzip der guten Mengen

Wir werden schrittweise vorgehen, um Bedingungen an den Erzeuger 𝒞 und die beiden Maße μ und ν zu finden, unter denen Eindeutigkeit vorliegt. Dafür betrachten wir das Mengensystem

Vorlage:Einrücken

Es enthält alle "guten" Mengen, d.h. alle Mengen aus σ(𝒞) (dem Definitionsbereich von μ und ν), auf denen μ und ν übereinstimmen. Das Ziel ist es, geeignete Bedingungen an μ bzw. ν sowie 𝒞 zu stellen, sodass 𝒢 ganz σ(𝒞) ist, dass also alle Mengen aus σ(𝒞) "gut" sind: Dann sind μ und ν gleich auf ihrem gesamten Definitionsbereich. Dafür reicht es, Bedingungen zu finden, sodass 𝒢 eine σ-Algebra ist: Da nach Annahme μ(C)=ν(C) für alle C𝒞 erfüllt ist, gilt 𝒞𝒢. Wenn 𝒢 eine σ-Algebra ist, folgt dann σ(𝒞)σ(𝒢)=𝒢 wegen der Monotonie und Idempotenz des σ-Operators.

Diese Art von Vorgehen wird häufig benutzt, um zu zeigen, dass eine gegebene Eigenschaft für alle Mengen eines Mengensystems (meist eine σ-Algebra) erfüllt ist. Es wird "Prinzip der guten Mengen" genannt und funktioniert so:

Angenommen, man kann nur Aussagen über einen Erzeuger von treffen, etwa weil nur über den Erzeuger charakterisiert werden kann. Ein Beispiel dafür ist die Borelsche σ-Algebra, die viel zu groß ist, um sie anders als über Erzeuger hinzuschreiben. Dann muss man indirekt vorgehen, um eine gewisse Eigenschaft für ganz zu zeigen. Dafür betrachtet man das Mengensystem 𝒢={AA hat die gegebene Eigenschaft} der "guten Mengen". Dann zeigt man

  • 𝒢 ist eine σ-Algebra.
  • 𝒢 enthält einen Erzeuger 𝒞 von .

Dann ist =𝒢, d.h. alle Mengen in sind "gut": Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Satz

Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Hinweis

In unserem Fall enthält die Mengen der guten Mengen 𝒢={Aσ(𝒞):μ(A)=ν(A)} alle die Mengen Aσ(𝒞), auf denen die Maße μ und ν übereinstimmen. Die Gleichheit der Maße auf dem Erzeuger 𝒞 ist bekannt, also gilt 𝒞𝒢. Jetzt suchen wir noch Bedingungen, sodass 𝒢 eine σ-Algebra wird. Wir wollen also Voraussetzungen an den Erzeuger 𝒞 und die beiden Maße μ,ν finden, sodass gilt

  • Die Grundmenge Ω ist in 𝒢 enthalten.
  • 𝒢 ist komplementstabil.
  • 𝒢 ist vereinigungsstabil bezüglich abzählbaren Vereinigungen.

Existenz einer Ausschöpfung

Jede σ-Algebra enthält die Grundmenge Ω, also sollte Ω in der Menge der guten Mengen 𝒢 liegen. Das heißt, es sollte μ(Ω)=ν(Ω) für die beiden Maße μ und ν gelten. Im Allgemeinen muss das nicht der Fall sein, selbst wenn die beiden Maße auf 𝒞 übereinstimmen: Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Beispiel

Durch welche Bedingung an den Erzeuger 𝒞 oder die beiden Maße μ,ν können wir also erreichen, dass μ(Ω)=ν(Ω) gilt?

Idee und Definition der Ausschöpfung

Wir wissen, dass die Maße μ und ν auf den Mengen aus 𝒞 übereinstimmen. Die Idee ist, die Grundmenge mit höchstens abzählbar vielen Mengen aus E1,E2,𝒞 zu überdecken, d.h. ihre Vereinigung soll n=1En=Ω sein. Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Beispiel Nun wollen wir aus μ(En)=ν(En) für alle n (das gilt, da diese Mengen aus 𝒞 sind) folgern, dass auch μ(Ω)=ν(Ω) gilt. Dafür sollten die En entweder paarweise disjunkt oder aufsteigend ineinander enthalten sein:

  • Falls die En paarweise disjunkt sind, können wir die σ-Additivität von Maßen benutzen: μ(Ω)=μ(i=1Ei)=n=1μ(Ei)=n=1ν(Ei)=ν(i=1Ei)=ν(Ω)
  • Falls sie aufsteigend ineinander enthalten sind (d.h. E1E2), bilden sie eine monotone Mengenfolge mit Grenzwert i=1Ei=Ω. Dann können wir die Stetigkeit der Maße μ und ν benutzen: μ(Ω)=μ(limnEn)=limnμ(Ei)=limnν(Ei)=ν(limnEn)=ν(Ω)

Falls keiner der beiden Fälle vorliegt, kann man nicht mehr unbedingt μ(Ω)=ν(Ω) aus μ(En)=ν(En) für alle n folgern. Wir betrachten den Fall, wo die En aufsteigend ineinander enthalten sind und definieren den Begriff der Ausschöpfung: Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Definition Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Beispiel Wegen der Stetigkeit von Maßen gilt also: Wenn 𝒞 eine Ausschöpfung (En)n von Ω enthält, dann gilt μ(Ω)=limnμ(En)=limnν(En)=ν(Ω).

Zwischenresultat

Wir haben die folgende erste Bedingung an das Mengensystem 𝒞 gefunden:

Um sicherzustellen, dass die Grundmenge in der "Menge der guten Mengen" 𝒢 liegt, dass also μ(Ω)=ν(Ω) gilt, fordern wir, dass 𝒞 eine Ausschöpfung von Ω enthält. Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Hinweis

Die Mengen der Ausschöpfung haben endliches Maß

Wir haben nun mit der Forderung, dass es eine Ausschöpfung von Ω mit Mengen aus 𝒞 geben soll, sichergestellt, dass die Grundmenge in der "Menge der guten Mengen" 𝒢={Aσ(𝒞):μ(A)=ν(A)} liegt. Es bleibt zu untersuchen unter welchen Bedingungen 𝒢 abgeschlossen unter Bildung von Differenzen und abzählbaren Vereinigungen ist. Untersuchen wir dafür zunächst, unter welchen Operationen 𝒢 mit unseren bisherigen Voraussetzungen schon abgeschlossen ist:

Untersuchung von Vereinigungen

Seien A und B zwei Mengen aus der Menge der guten Mengen 𝒢. Es gilt also μ(A)=ν(A) und genauso für B. Wir betrachten ihre Vereinigung. Die Sache sieht gut aus, wenn BA ist (oder umgekehrt): In diesem Fall ist AB=A und es ist auch μ(AB)=μ(A)=ν(A)=ν(AB) wieder in der Menge der guten Mengen 𝒢.

Eine Menge A ändert sich nicht, wenn man die Menge B hinzufügt

Genauso ist der Wert der Vereinigung von A und B eindeutig bestimmt, wenn die beiden Mengen disjunkt sind: In dem Fall muss wegen der Additivität von μ und ν Vorlage:Einrücken gelten. Die disjunkte Vereinigung ist also ebenfalls eindeutig messbar und liegt wieder in 𝒢.

Die disjunkten Mengen A und B werden vereinigt

Nutzen wir zusätzlich die σ-Additivität von Maßen aus, kennen wir sogar das Maß von abzählbar unendlichen Vereinigungen von disjunkten Mengen. Für eine Folge paarweise disjunkter Mengen A1,A2,𝒢 gilt dann wegen der σ-Additivität der Maße μ und ν Vorlage:Einrücken

Untersuchung von Differenzenbildung

Seien wieder A und B zwei Mengen aus 𝒢, d.h. es gelte μ(A)=ν(A), μ(B)=ν(B). Wie schon bei der Vereinigung liegt auch die Differenz der beiden Mengen wieder in 𝒢, wenn A und B disjunkt sind. Dann ist nämlich AB=A und es gilt μ(AB)=μ(A)=ν(A)=ν(AB). (Genauso mit den Rollen von A und B vertauscht.)

Aus A wird eine dazu disjunkte Menge B geschnitten

Im Fall AB ist die Differenz von A und B gleich AB=, liegt wegen μ()=0=ν() also wieder in 𝒢. Außerdem gilt wegen der Additivität des Maßes μ: Vorlage:Einrücken In der ersten Gleichheit haben wir benutzt, dass A eine Teilmenge von B ist. Dasselbe gilt für das Maß ν anstelle von μ. Umstellen der obigen Formel zusammen mit μ(A)=ν(A) und μ(B)=ν(B) liefert

Vorlage:Einrücken

Aus A wird eine darin enthaltene Menge B geschnitten

Aber hier müssen wir aufpassen! Wenn A und B unendliches Maß haben, erhalten wir in der Mitte der Gleichung den undefinierten Ausdruck "".

Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Beispiel

Untersuchung von Mengendifferenzen von Mengen unendlichen Maßes

Ein Ausweg aus diesem Problem ist, A und B durch aufsteigende Folgen (An)n,(Bn)n von Mengen endlichen Maßes anzunähern und einen Grenzübergang zu machen. Dafür sollten die Mengen der Mengenfolge ebenfalls gute Mengen sein. Das Maß der Differenzen AnBn könnten wir dann wie oben berechnen, da μ(An) und μ(Bn) beide endlich sind. Doch wir müssen aufpassen: Damit das geht, muss auch für die Mengenfolgen (An)n,(Bn)n die Teilmengenbeziehung AnBn für alle n gelten. Wir können also die Folgen (An)n und (Bn)n nicht einfach irgendwie wählen. Wir brauchen, dass sie "gleich schnell" wachsen und A und B gleich schnell approximieren.

Erinnerung: Wir haben angenommen, dass es eine Ausschöpfung (En)n der Grundmenge Ω mit Mengen aus dem Mengensystem 𝒞 gibt, also eine monoton wachsende Mengenfolge in 𝒞 mit Grenzwert Ω. (Das war, um μ(Ω)=ν(Ω) zu garantieren.)

Dann bilden die Mengen An:=AEn ebenfalls eine aufsteigende Mengenfolge mit Grenzwert

Vorlage:Einrücken

Eine Ausschöpfung von A durch die Mengen An,n∈ℕ

Gleiches gilt für die Folge Bn:=BEn. Außerdem gilt wegen BA auch Bn=BEnAEn=An, die Teilmengenbeziehung ist also für jedes Folgenglied erfüllt. Wegen BnAn=(BEn)(AAn)=(BA)En ist die Folge der (BnAn)n ist ebenfalls monoton wachsend.

Wir wollen nun dieselbe Rechnung wie bei den Differenzen von Mengen endlichen Maßes benutzen Vorlage:Einrücken und dann einen Grenzübergang n machen. Dafür brauchen wir:

  • μ(An)=ν(An) und μ(Bn)=ν(Bn) für alle n. Das heißt, Schnitte CEn von Mengen C𝒞 mit den En sollen in 𝒢 liegen.
  • Jede Menge der Ausschöpfung hat endliches Maß, d.h. μ(En)< für alle n. Nur dann können wir wegen der Monotonie sicher sein, dass auch μ(An)=μ(AEn)μ(En)< und μ(Bn)=μ(BEn)μ(En)< ist, und das war ja das Ziel.

Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Hinweis

Wenn (An)n und (Bn)n diese Bedingungen erfüllen, können wir die ursprüngliche Differenz BA berechnen (AB): Vorlage:Einrücken Beachte, dass wir Differenz und Maß nur vertauschen konnten, weil die Mengen An,Bn endliches Maß hatten. Das konnten wir für die Mengen A,B mit unendlichem Maß nicht tun. Dafür mussten wir (An)n=(AEn)n,(Bn)n=(BEn)n konstruieren.

Schnitt von zwei Ausschöpfungen der Mengen A und B

Dass man bei der Eindeutigkeit von Maßen im Allgemeinen nicht darauf verzichten kann, das die Mengen En der Ausschöpfung endliches Maß haben, zeigt ein Beispiel.

Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Beispiel

Zwischenresultat

Wir halten unsere bisherigen Überlegungen fest:

  • Die "Menge der guten Mengen" 𝒢 ist schon abgeschlossen unter (höchstens abzählbar unendlichen) disjunkten Vereinigungen; Vereinigungen von Mengen, die Teilmengen voneinander sind; Differenzen disjunkter Mengen; sowie Differenzen von Mengen, die Teilmengen voneinander sind und endliches Maß haben.
  • Um sicherzustellen, dass die Grundmenge in 𝒢 liegt, dass also μ(Ω)=ν(Ω) gilt, fordern wir, dass 𝒞 eine Ausschöpfung (En)n von Ω enthält.
  • damit auch Differenzen von Mengen mit unendlichem Maß, die Teilmengen voneinander sind, wieder in 𝒢 liegen, fordern wir, dass die Mengen der Ausschöpfung (En)n alle endliches Maß haben und dass für alle A𝒢 Schnitte AEn wieder in 𝒢 liegen.

Außer diesen Bedingungen und μ|𝒞=ν|𝒞 machen wir keine Anforderungen an μ, ν und 𝒞.

Die letzte Bedingung ist etwas unbefriedigend, denn sie beinhaltet 𝒢. Aber wir wollen Voraussetzungen finden, die sich nur auf die von vorneherein gegebenen Maße μ,ν bzw. den Erzeuger 𝒞 beziehen. Wir werden noch daran arbeiten und die Bedingung später abschwächen.

Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Hinweis

Dynkin-Systeme

Wie bisher sei 𝒢={Aσ(𝒞)μ(A)=ν(A)} das Mengensystem der guten Mengen, auf denen die beiden Maße μ und ν übereinstimmen. Setzen wir voraus, dass die Bedingungen aus dem vorherigen Zwischenresultat erfüllt sind, dann wissen wir nun, dass die beiden Maße auf den folgenden Mengen gleich sind:

  • Die Grundmenge Ω: Das ist durch die Ausschöpfung (En)n𝒞 garantiert.
  • Vereinigungen endlich oder abzählbar unendlich vieler, paarweise disjunkter Mengen in 𝒢: Das gilt wegen der σ-Additivität und Stetigkeit der Maße μ und ν.
  • Differenzen von Mengen aus 𝒢, von denen eine in der anderen enthalten ist: Das ist durch die Endlichkeit der Ausschöpfung garantiert und durch die Bedingung, dass Schnitte von Mengen aus 𝒢 mit Mengen der Ausschöpfung wieder in 𝒞 liegen.

Damit können wir das Mengensystem 𝒢 der "guten Mengen" schon genauer charakterisieren. Es enthält die Grundmenge und ist abgeschlossen unter den Operationen disjunkte Vereinigung und Differenz ineinander enthaltener Mengen. Ein Mengensystem mit diesen Eigenschaften heißt "Dynkin-System".

Definition

Das Dynkin-System im Vergleich zu den bereits kennen gelernten Mengensystemen

Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Definition

Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Hinweis

Eine äquivalente Charakterisierung eines Dynkin-Systems ist die folgende. Sie wird in den meisten Skripten verwendet und ist etwas einfacher nachzuprüfen.

Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Satz

Mit den Voraussetzungen aus dem Zwischenresultat des vorherigen Abschnitts ist also 𝒢 schon ein Dynkin-System. Alles, was noch zu einer σ-Algebra fehlt ist die Abgeschlossenheit unter beliebigen abzählbaren Vereinigungen.

Da die beiden Maße μ und ν auf dem Erzeuger 𝒞 übereinstimmen, gilt außerdem 𝒞𝒢. Also liegt auch das von 𝒞 erzeugte Dynkin-System in der Menge der guten Mengen 𝒢, welches analog zur erzeugten σ-Algebra definiert wird:

Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Definition

Wie schon bei der Definition der erzeugten σ-Algebra müssen wir uns davon überzeugen, dass δ(𝒞) wohldefiniert ist. Das kann man komplett analog zu dem Beweis machen, den wir schon für erzeugte σ-Algebren geführt haben.

Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Satz

Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Hinweis

Beispiele

Hier sind ein paar Beispiele für Dynkin-Systeme:

Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Beispiel

Umgekehrt ist aber nicht jedes Dynkin-System eine σ-Algebra:

Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Beispiel

Motivation für die Durchschnittstabilität

Wir haben uns Bedingungen überlegt, unter denen das Mengensystem 𝒢={Aσ(𝒞)μ(A)=ν(A)} der "guten" Mengen ein Dynkin-System ist, d.h.

  • es enthält die Grundmenge,
  • es ist abgeschlossen unter Bildung von Komplementen,
  • es ist abgeschlossen unter Bildung von (abzählbaren) disjunkten Vereinigungen.

Da wir annehmen, dass die Maße μ und ν auf dem Erzeuger 𝒞 übereinstimmen, gilt 𝒞𝒢. Da 𝒢 selbst ein Dynkin-System ist, liegt somit auch das von 𝒞 erzeugte Dynkin-System δ(𝒞) in 𝒢.

Es soll σ(𝒞)𝒢 gelten, damit μ und ν auf ihrem gesamten Definitionsbereich übereinstimmen. Deshalb wollen wir erreichen, dass 𝒢 nicht nur ein Dynkin-System, sondern eine σ-Algebra ist. Was ist also mit der Abgeschlossenheit unter nicht-disjunkten endlichen/abzählbar unendlichen Vereinigungen? Schauen wir zuerst endliche Vereinigungen an. Seien A,B𝒢 gute Mengen (d.h. μ(A)=ν(A) und μ(B)=ν(B)), nicht disjunkt und weder AB noch BA.

Vereinigung von zwei Mengen, die sich überlappen

Es gilt μ(A)=ν(A) und μ(B)=ν(B), aber es ist noch nicht klar, ob auch μ(AB)=ν(AB) gilt. Theoretisch kommt sogar jeder Wert infrage, welcher die Monotonie von μ nicht verletzt, d. h. solange μ(AB)μ(A) und μ(AB)μ(B) gilt.

Welche Bedingung muss noch erfüllt sein, damit μ(AB)=ν(AB) gilt? Es genügt, wenn der Schnitt AB wieder eine gute Menge ist, d.h. μ(AB)=ν(AB): Falls A und B beide endliches Maß haben, gilt dann Vorlage:Einrücken Falls eine der beiden Mengen unendliches Maß hat, gilt die Gleichheit μ(AB)==ν(AB) sowieso. Schnitte von guten Mengen sollten also wieder gute Mengen sein.

Ein Mengensystem, das abgeschlossen unter Bildung von (endlichen) Schnitten ist, heißt durchschnittstabil: Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Definition Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Hinweis

Ist die Durchschnittstabilität des Systems der guten Mengen 𝒢 zusätzlich zu unseren bisherigen Bedingungen schon genug, damit es eine σ-Algebra ist? Angenommen, 𝒢 ist durchschnittstabil. Die vorherige Überlegung für zwei Mengen lässt sich per Induktion ausdehnen auf beliebige endliche Vereinigungen von guten Mengen: Seien A1,A2,,Anσ(𝒞) gute Mengen, d.h. μ(Ai)=ν(Ai) für alle i=1,,n. Wir nehmen außerdem wieder an, dass alle Ai endliches Maß haben, andernfalls gilt die Gleichheit sowieso. Dann gilt Vorlage:Einrücken Mithilfe der Durchschnittstabilität ist 𝒢 also schon abgeschlossen unter beliebigen endlichen Vereinigungen.

Abzählbar unendliche Vereinigungen nAn kann man "künstlich" disjunkt machen, indem man aus jeder Menge die vorhergehenden herausnimmt: Definiere Vorlage:Einrücken dann ist nAn=nBn eine disjunkte Vereinigung von Mengen. Sind die An aus 𝒢, dann auch die so definierten Bn, wenn 𝒢 durchschnittstabil ist: Nach dem Vorherigen liegt die endliche Vereinigung A1An1 in 𝒢, also auch das Komplement dieser Menge (𝒢 ist ein Dynkin-System), und wegen der Schnittstabilität auch der Schnitt davon mit An. Und da 𝒢 als Dynkin-System abgeschlossen unter abzählbaren disjunkten Vereinigungen ist, ist dann auch nBn=nAn eine gute Menge.

Diese Überlegungen zeigen: Wenn das Dynkin-System 𝒢 zusätzlich durchschnittstabil ist, ist es auch abgeschlossen unter beliebigen, höchstens abzählbaren Vereinigungen, also eine sigma-Algebra. Wir fassen das in einem Satz zusammen: Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Satz

Zwischenresultat

Wir halten wieder unsere bisherigen Resultate fest:

  • Um sicherzustellen, dass die Grundmenge in der Menge der guten Mengen 𝒢 liegt, dass also μ(Ω)=ν(Ω) gilt, fordern wir, dass 𝒞 eine Ausschöpfung (En)n von Ω enthält.
  • Damit auch Differenzen von Mengen mit unendlichem Maß, die Teilmengen voneinander sind, wieder in 𝒢 liegen, fordern wir, dass die Mengen der Ausschöpfung (En)n alle endliches Maß haben und dass für alle A𝒢 Schnitte AEn wieder in 𝒢 liegen.
  • Mit diesen zwei Bedingungen ist 𝒢 schon ein Dynkin-System. Damit es eine σ-Algebra ist, soll 𝒢 schnittstabil sein, also Schnitte von guten Mengen wieder gut sein.

Außer diesen Bedingungen und μ|𝒞=ν|𝒞 machen wir keine Anforderungen an μ, ν und 𝒞.

Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Hinweis

Als nächstes überlegen wir uns, durch welche zusätzliche Bedingung an μ, ν oder 𝒞 wir erreichen können, dass 𝒢 durchschnittstabil ist.

Durchschnittstabilität des Erzeugers

Wir haben Bedingungen an die Maße μ,ν und den Erzeuger 𝒞 gefunden, mit denen die Menge der guten Mengen 𝒢={Aσ(𝒞)μ(A)=ν(A)} ein Dynkin-System ist. Insbesondere enthält 𝒢 damit wegen 𝒞𝒢 das von 𝒞 erzeugte Dynkin-System δ(𝒞). Wir wollen, dass auch σ(𝒞)𝒢 gilt. Dafür reicht es, zusätzlich Voraussetzungen zu finden, unter denen δ(𝒞) durchschnittstabil ist: Da jedes durchschnittstabile Dynkin-System eine σ-Algebra ist, folgt dann σ(𝒞)=δ(𝒞)𝒢σ(𝒞), und wir sind fertig.

Unter welchen Bedingungen ist also das von 𝒞 erzeugte Dynkin-System durchschnittstabil? Das hängt offenbar nur von den Eigenschaften des Mengensystems 𝒞 ab, nicht von den Maßen μ oder ν. Tatsächlich reicht es, wenn 𝒞 durchschnittstabil ist. Das hat damit zu tun, dass die Schnittoperation mit den Operationen Vereinigung und Komplement eines Dynkin-Systems verträglich ist und sich die Schnittstabilität so vom Erzeuger auf das erzeugte Dynkin-System fortpflanzt. Wir zeigen das in dem folgenden Satz.

Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Satz

Da jedes durchschnittstabile Dynkin-System eine σ-Algebra ist, folgt direkt:

Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Satz

Dieser Zusammenhang von Dynkin-Systemen und σ-Algebren ist sehr nützlich und vereinfacht viele Beweise über Maße. Das liegt daran, dass man bei Dynkin-Systemen die σ-Additivität des Maßes ausnutzen kann, da nur disjunkte Vereinigungen betrachtet werden müssen. Im Beweis des Eindeutigkeitssatzes werden wir gleich ein erstes Beispiel sehen, wo es dadurch möglich wird, die gewünschte Aussage zu zeigen.

Zwischenresultat

Wir fassen die Bedingungen zusammen, die wir gefunden haben, um σ(𝒞)=𝒢, also Gleichheit von μ und ν auf ganz σ(𝒞) zu bekommen:

  • Um sicherzustellen, dass die Grundmenge in der Menge der guten Mengen 𝒢 liegt, dass also μ(Ω)=ν(Ω) gilt, fordern wir, dass 𝒞 eine Ausschöpfung (En)n von Ω enthält.
  • Damit auch Differenzen von Mengen mit unendlichem Maß, die Teilmengen voneinander sind, wieder in 𝒢 liegen, fordern wir, dass die Mengen der Ausschöpfung (En)n alle endliches Maß haben.
  • Damit das von 𝒞 erzeugte Dynkin-System δ(𝒞) durchschnittstabil, also eine σ-Algebra ist, fordern wir, dass der Erzeuger 𝒞 durchschnittstabil ist.

Im Allgemeinen kann man nicht auf die Durchschnittstabilität von 𝒞 verzichten, wenn die Maße μ und ν auch auf σ(𝒞) übereinstimmen sollen, wie das folgende Beispiel zeigt. Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Beispiel

Eindeutigkeitssatz

Wir können jetzt den Eindeutigkeitssatz formulieren und beweisen.

Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Satz Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Hinweis

Wegen der Durchschnittstabilität von 𝒞 muss die Mengenfolge der (En)n, die Ω ausschöpft, nicht zwingend monoton steigend sein. Es reicht zu fordern, dass es eine Folge (An)n𝒞 gibt, sodass Ω=n=1An und μ(An)=ν(An)< gilt: Wenn es eine solche Folge gibt, können wir En=i=1nAi definieren und erhalten eine monoton wachsende Folge mit Grenzwert Ω. Außerdem erfüllen diese Mengen ebenfalls μ(En)=ν(En)<, wie wir im Abschnitt zur Durchschnittstabilität gesehen haben: Die Durchschnittstabilität sorgt dafür, dass μ und ν auch auf endlichen (möglicherweise nicht-disjunkten) Vereinigungen übereinstimmen.

Man findet deshalb manchmal auch diese Formulierung des Eindeutigkeitssatzes: Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Satz

Wenn μ und ν Wahrscheinlichkeitsmaße sind, dann ist die zweite Bedingung immer automatisch erfüllt: Wegen μ(Ω)=ν(Ω)=1< kann man ohne Einschränkung Ω𝒞 annehmen und die konstante Folge (Ω)n wählen. In der Wahrscheinlichkeitstheorie findet man deshalb oft die folgende Version des Eindeutigkeitssatzes:

Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Satz

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