Aufgabensammlung Physik: Herleitung der Maxwell-Boltzmann-Verteilung

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Leite die Wahrscheinlichkeitsdichte p(v) der Maxwell-Boltzmann-Verteilung her. Die Maxwell-Boltzmann-Verteilung beschreibt die statistische Verteilung der Geschwindigkeit für Teilchen eines idealen Gases. Damit gibt p(v) an, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Teilchen den Geschwindigkeitsvektor v besitzt. Die Masse der Teilchen sein m.

Es bieten sich folgende Ansätze für die Herleitung an:

  1. Herleitung in der kinetischen Gastheorie: Gehe davon aus, dass die Geschwindigkeitsverteilung isotrop, unabhängig von der Richtung des Geschwindigkeitsvektors ist. Außerdem ist die Geschwindigkeitsverteilung unabhängig in den drei Koordinaten v1,v2,v3 des Geschwindigkeitsvektors v. Es ist also die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die erste Geschwindigkeitskoordinate v1 einen bestimmten Wert annimmt, unabhängig davon, welche Werte die anderen Geschwindigkeitskomponenten v2 und v3 haben. Analoges gilt für v2 und v3. Nehme auch an, dass die Dichtefunktion p(v) der Geschwindigkeitsverteilung stetig ist. Um freie Parameter zu bestimmen, kannst die Formel Ekin=32kBT für die mittlere Energie eines Teilchen in einem idealen Gas verwenden.
  2. Herleitung aus dem kanonischem Ensemble

Herleitung in der kinetischen Gastheorie

Anfang

Die Geschwindigkeitsverteilungsfunktion ist auf jeder Kugeloberfläche im Raum der Geschwindigkeitsvektoren konstant.

Sei p1(α) die Wahrscheinlichkeit, dass die erste Komponente v1 des Geschwindigkeitsvektors v den Wert α besitzt. Seien entsprechend p2(α) und p3(α) die Wahrscheinlichkeiten, dass die zweite bzw. dritte Geschwindigkeitskomponente α ist.

Da die Geschwindigkeitsverteilung isotrop ist, ist p1(α)=p2(α)=p3(α). Sei nun ω(α):=p1(α).

Aus der Unabhängigkeit der Geschwindigkeitsverteilung in den drei Komponenten folgt

p(v)=p(v1,v2,v3)=p1(v1)p2(v2)p3(v3)[3px] ω(α)=p1(α)=p2(α)=p3(α)[3px]=ω(v1)ω(v2)ω(v3)

p(v) ist also vollständig durch ω(α) bestimmt.

Die Geschwindigkeitsverteilung ist unabhängig von der Richtung. Damit ist die Wahrscheinlichkeit für alle Geschwindigkeitsvektoren gleich, die den gleichen Betrag haben, aber in eine andere Richtung zeigen. Die Wahrscheinlichkeitsfunktion p(v) ist also auf der Kugeloberfläche {v:|v|=R} mit Radius R konstant.

ω(α) ist normalverteilt

Ich werde die Normalverteilung dadurch beweisen, dass ω(α) proportional zu eγα2 für eine Konstante γ ist.

Warum das ausreicht

Zunächst kann man zeigen, dass γ negativ sein muss. Wäre nämlich γ positiv oder Null, dann würde das Integral ω(α)dα wegen ω(α)eγα2 divergieren. Dies widerspricht aber der Bedingung an eine Dichtefunktion ω(α), dass das Integral ω(α)dα=1 ist.

Es ist also damit ω(α)=ceγα2 mit c und γ. Um zu zeigen, dass ω(α) normalverteilt, also von der Form 1σ2πe12(αμσ)2 ist, setze σ:=12γ=12|γ| und μ=0 (weil γ negativ ist, ist 12γ positiv und damit die Wurzel 12γ existend). Insgesamt ist dann ω(α)=ce12(αμσ)2. Aus der Bedingung ω(α)dα=1, die ω(α) als Dichtefunktion erfüllen muss, folgt c=1σ2π und damit insgesamt ω(α)=1σ2πe12(αμσ)2=μ=01σ2πe12(ασ)2. Also ist ω(α) normalverteilt.

Der eigentliche Beweis

Ich muss also nur noch zeigen, dass ω(α) proportional zu eγα2 für eine Konstante γ ist. Hierzu nutze ich aus, dass die Exponentialfunktionen ϕλ(x)=eλx, die einzigen stetigen Funktionen sind, die die Funktionalgleichung ϕλ(x)ϕλ(y)=ϕλ(x+y) erfüllen. Um diese Funktionalgleichung herzuleiten, betrachte einen konkreten Vektor v0=(v1,v2,0). Zum einen ist

p(v0)=p(v1,v2,0)=ω(v1)ω(v2)ω(0)

Zum anderen haben die Vektoren (v1,v2,0) und (v12+v22,0,0) den gleichen Betrag und wegen Isotropie gilt

p(v0)=p(v12+v22,0,0)=ω(v12+v22)ω(0)ω(0)

Durch Gleichsetzen beider Gleichungen erhält man

ω(v1)ω(v2)ω(0)=p(v0)=ω(v12+v22)ω(0)ω(0)[3px] beide Seiten durch ω(0)3 teilen[3px] 1ω(0)ω(v1)1ω(0)ω(v2)=1ω(0)ω(v12+v22)
ω(0) ist ungleich Null

Gerade habe ich durch ω(0)3 geteilt. Wieso ist ω(0) ungleich Null?

Wäre ω(0)=0, dann wäre p(v)=0 für jedes v3, denn

p(v)=p(v1,v2,v3)[3px] (v1,v2,v3) und (v12+v22+v32,0,0) haben denselben Betrag[3px]=(v12+v22+v32,0,0)=ω(v12+v22+v32)ω(0)ω(0)[3px] ω(0)=0[3px]=0

Dies steht aber im Widerspruch dazu, dass p(v) eine Dichtefunktion für die Geschwindigkeitsverteilung ist (die Wahrscheinlichkeit für alle Geschwindigkeiten wäre Null, aber irgendeine Geschwindigkeit muss ja das Teilchen haben!).

Weiterer Schritt

Mit 1ω(0)ω(v1)1ω(0)ω(v2)=1ω(0)ω(v12+v22) habe ich eine Gleichung gefunden, die Ähnlichkeiten mit der Funktionalgleichung ϕ(x)ϕ(y)=ϕ(x+y) aufweist.

Ich definiere nun ϕ(x) implizit über 1ω(0)ω(α)=ϕ(α2). Man könnte zunächst vermuten, dass diese Definition nicht wohldefiniert ist, da beispielsweise wegen 4=22=(2)2 der Wert ϕ(4) sowohl ϕ(4)=ϕ(22)=1ω(0)ω(2) als auch ϕ(4)=ϕ((2)2)=1ω(0)ω(2) sein müsste. Aber ϕ(4) kann ja schlecht zwei unterschiedliche Werte annehmen.

Wieso ist ϕ(x) wohldefiniert? ω(α) ist eine gerade Funktion, es ist also ω(α)=ω(α). Dies folgt aus der Isotropie der Geschwindigkeitsverteilung, da

ω(α)=1ω(0)2p(α,0,0)=1ω(0)2p(α,0,0)=ω(α)

wegen p(α,0,0)=p(α,0,0) ist (den Vorfaktor 1ω(0)2 erhält man aus p(α,0,0)=ω(α)ω(0)2).

Wegen ω(α)=ω(α) ist die obige implizite Definition für ϕ(x) wohldefiniert und man kann explizit ϕ(x):=1ω(0)ω(|x|) setzen (Die explizite Form habe ich erhalten, indem ich x=α2 setze. Da es egal ist, welche Wurzle ich nehme, definiere ich α=|x| für meine explizite Funktion).

Mit der obigen Definition von ϕ(x) erhält man

1ω(0)ω(v1)1ω(0)ω(v2)=1ω(0)ω(v12+v22)[3px] 1ω(0)ω(α)=ϕ(α2)[3px] ϕ(v12)ϕ(v22)=ϕ(v12+v22)
Letzter Schritt

Es ist ϕ(v12)ϕ(v22)=ϕ(v12+v22). Da ϕ(x) stetig ist (ω(α) ist nach Voraussetzung stetig), ist ϕ(x)=eγx für ein konstantes γ. Wegen ω(α)=ω(0)ϕ(α2) folgt ω(α)=ω(0)eγα2 und damit die gewünschte Proportionalität (ω(0) ist ein konstanter Vorfaktor). Wie bereits vorher gezeigt, folgt aus dieser Proportionalität die Normalverteilung von ω(α).

Gleichung für p(v)

Ich habe bereits gezeigt, dass ω(α) normalverteilt von der Form (12πσ2)12e12α2σ2 ist. Für p(v) folgt dann

p(v)=p(v1,v2,v3)=ω(v1)ω(v2)ω(v3)=(12πσ2)32e12v12+v22+v32σ2

Der noch nicht bekannte Parameter σ kann dadurch bestimmt werden, dass man den Erwartungswert für die Energie eines Teilchens bestimmt und diesen mit dem Term 32kBT aus dem idealem Gasgesetz vergleicht.

Bestimmung von σ

Der Erwartungswert für die kinetische Energie eines Teilchens ist

Ekin=m2|v|2p(v)d3v=m2(v12+v22+v32)p(v1,v2,v3)dv1dv2dv3=m2(v12+v22+v32)(12πσ2)32e12v12+v22+v32σ2dv1dv2dv3=m2(((v12+v22+v32)(12πσ2)12e12v12σ2dv1)(12πσ2)12e12v22σ2dv2)(12πσ2)12e12v32σ2dv3[5px] v12(12πσ2)12e12v12σ2dv1=σ2 (Varianz der Normalverteilung)c(12πσ2)12e12v12σ2dv1=c (Integral u¨ber Normalverteilung ist 1)[5px]=m2((σ2+v22+v32)(12πσ2)12e12v22σ2dv2)(12πσ2)12e12v32σ2dv3[5px] wie oben[5px]=m2(σ2+σ2+v32)(12πσ2)12e12v32σ2dv3[5px] wie oben[5px]=m2(σ2+σ2+σ2)=3mσ22

Nun soll Ekin=32kBT sein. So kann σ2 bestimmt werden

3mσ22=Ekin=32kBT σ2=kBTm

Wenn man dieses Ergebnis zurück in die bereits hergeleitete Gleichung einsetzt bekommt man das Endergebnis

p(v)=p(v1,v2,v3)=ω(v1)ω(v2)ω(v3)=(m2πkBT)32emv12+v22+v322kBT

Herleitung aus dem kanonischem Ensemble

Gesucht ist

p(v)=P(Teilchen hat Geschwindigkeit v)

Dabei steht P(A) für die Wahrscheinlichkeit, dass A eintritt. Wenn ein Teilchen den Geschwindigkeitsvektor v besitzt, dann hat es zwangsläufig auch die Energie m2v2 mit v=|v|. Es gilt

P(Teilchen hat Geschwindigkeit v)=P(Teilchen hat Energie m2v2)P(Teilchen hat Geschwindigkeit v bei der Energie m2v2)

p(v) ist also das Produkt aus der Wahrscheinlichkeit, dass das Teilchen die Energie m2v2 besitzt, und der Wahrscheinlichkeit, dass das Teilchen den Geschwindigkeitkeitsvektor v besitzt, wenn man schon weiß, dass dessen Energie m2v2 ist.

Nach der Boltzmann-Statistik ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Teilchen die Energie E besitzt, proportional zu eβE mit β=1kBT, wobei kB die Boltzmann-Konstante ist. Da das Teilchen die Energie m2v2 besitzt, ist P(Teilchen hat Energie m2v2) proportional zu exp(βm2v2).

Da die Geschwindigkeitsverteilung isotrop, also unabhängig von der Richtung des Geschwindigkeitsvektors ist, sind die Geschwindigkeitsvektoren v bei vorgegebener Energie m2v2 gleichverteilt, da durch diese vorgegebene Energie der Betrag des Geschwindigkeitsvektors schon eindeutig definiert ist (nur die Richtung des Geschwindigkeitsvektors ist ungewiss). Damit ist aber P(Teilchen hat Geschwindigkeit v bei der Energie m2v2) konstant. Insgesamt ist

p(v)=P(Teilchen hat Geschwindigkeit v)=P(Teilchen hat Energie m2v2)exp(βm2v2)P(Teilchen hat Geschwindigkeit v bei der Energie m2v2)constexp(βm2v2)

p(v) ist also proportional zu exp(βm2v2)=exp(βm2(v12+v22+v32)). Dabei sind v1 bis v3 die Komponenten des Vektors v. Also ist p(v)=γexp(βm2(v12+v22+v32)) mit einer noch zu bestimmenden Konstante γ. Durch die Bedingung, dass das Integral p(v)d3v über die gesamte Wahrscheinlichkeitsfunktion 1 sein muss, kann γ bestimmt werden:

1=p(v)d3v[3px] Integral umschreiben[3px]=p(v1,v2,v3)dv1dv2dv3[3px] p(v1,v2,v3)=γexp(βm2(v12+v22+v32))[3px]=γexp(βm2(v12+v22+v32))dv1dv2dv3[3px] Integral umformen[3px]=γexp(βm2v12)dv1exp(βm2v22)dv2exp(βm2v32)dv3[3px] exp(αx2)dx=(πα)12[3px]=γ(2πβm)32

Es ist also 1=γ(2πβm)32 und somit γ=(βm2π)32. Daraus folgt das Endergebnis

p(v)=(βm2π)32exp(βm2|v|2)=(m2πkBT)32exp(m2kBT|v|2)