Analysis II: Ableitungen: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 24. April 2024, 06:28 Uhr

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Unterkapitel

Mit dem hier gesammelten Wissen lassen sich noch weitere interessante Eigenschaften und Strukturen ableiten. Die Unterkapitel können auch voneinander abhängig sein. Darauf wird in den entsprechenden Kapiteln hingewiesen.

Einleitung

Nachdem die Struktur von Räumen genau untersucht wurde, stellt sich die Frage, wie man das Konzept des Differentials auf diese neuen Räume übertragen kann. Schon im eindimensionalen Fall konnte man das Differential als Linearisierung im Kleinem interpretieren und diese Interpretation wird benutzt, um das Differential von Funktionen zwischen Banach-Räumen zu definieren. Interessanterweise wird kein Wissen über eindimensionale Differentiation benötigt, da die hier vorgestellten Konzepte eine Stufe darunterliegen. Erst durch die Beschränkung auf den  n und Definiton der partiellen Ableitung wird dieses Wissen wieder brauchbar.

Benötigte Definitionen

Es werden nur grundlegende Definitonen benötigt mit Ausnahme des  Hom(V,W) und  f, welche nicht häufig benutzt werden. Es werden keine Sätze aufbauend auf diesen Definitionen hier beschrieben oder bewiesen.

Norm

Es sei  X ein reeller Vektorraum. Es gebe eine Funktion  :X mit den folgenden Eigenschaften
 (x,yX und  λ)

  •  0=0 und  x>0 für  x0 (Definitheit)
  •  λx=|λ|x(Homogenität)
  •  x+yx+y

Eine solche Funktion   heißt 'Norm auf  X.
Bemerkung: Diese Definiton lässt sich für einen Vektorraum über einen beliebigen Körper  𝕂 erweitern. Dieser Fall ist aber für dieses Buch nicht relevant.

Normierter Raum

Ein mit einer Norm versehender Vektorraum heißt normierter Raum  (X,).

Banach-Raum

Ein bezüglich der kanonischen Metrik vollständiger normierter Raum heißt Banachraum

Lineare Abbildung

Eine Abbildung  f:VV zwischen den Vektorräumen  V,V heißt lineare Abbildung, falls gilt:

  1.  f(a+b)=f(a)+f(b) für a,bV.
  2.  f(αa)=αf(a) für α,aV.

Bemerkung: auch diese Definiton lässt sich für Vektorräume über beliebige Körper  𝕂 ausdehnen.

Stetige Abbildungen zwischen normierten Räumen

Seien  V,W normierte Vektorräume und  f linear mit

 (V,V)f(W,W)

dann gilt:

 f stetig  Es gibt C mit f(v)WCvV für alle v

Raum der stetig linearen Abbildungen

Seien  V und  W Banachräume. Dann heißt

 Hom(V,W):={f:VW|f stetig, linear}

der Raum der stetig linearen Abbildungen von V nach W, mit der Norm

 f=sup{f(v)v|vV0}

Bemerkung: Sind  V und  W endlich dimensional, so ist es auch  Hom(V,W). Dann sind alle Normen äquivalent.

Die Ableitung als Linearisierung

Mit den obigen Definitonen und Aussagen kann man nun Differenzierbarkeit von Abbildungen zwischen Banachräumen definieren.
Es gibt sogar mehr als eine Definition und welche man benutzt ist Geschmackssache und hängt von der Aufgabe ab. Natürlich sind diese Definitionen äquivalent, auch wenn die Äquivalenz hier nicht explizit bewiesen wird.

Definition

Seien  V,W Banachräume,  XV offen  und  f:XW stetig .
Man nennt  f in  pX differenzierbar, wenn es eine stetige Abbildung

 σ:XHom(V,W) gibt, so dass
f(x)f(p)=σ(x)(xp),xX gilt.

Dabei ist  Hom(V,W) mit der Norm  f wie oben definiert.
Wenn  f in allen Punkten  p differenzierbar ist, so heißt die Funktion  f differenzierbar. Die Abbildung  σ heißt Ableitung von  f in  p. Die Definition bedeutet also, dass man jedem Punkt eine eigene Linearisierung zuordnet.

Stetige Differenzierbarkeit

Eine schärfere Aussage als die Differenzierbarkeit bietet die stetige Differenzierbarkeit, d.h. die Ableitung ist auch stetig.
Definition:
 f ist stetig differenzierbar, wenn sie in allen Punkten  pX differenzierbar ist und

 XfHom(V,W)
 pf(p)

stetig ist

Eindeutigkeit der Ableitung

Von einer sinnvollen Definiton der Ableitung fordert man, dass diese Eindeutig ist. Genau das zeigt der nächste Satz: Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Satz In diesem Beweis nutzt man hauptsächlich die Linearität und Stetigkeit der Ableitung aus, um die Äquivalenz zu zeigen.

Der formale Beweis schaut folgendermaßen aus:
Man will zeigen, dass  σ(p)(v)=τ(p)(v) für alle vV gilt.
Nutze dann Voraussetzung, für  x=p+λv mit λ nah bei 0
Das liefert:

 σ(p+λv)(λv)=τ(p+λ*v)(λv)
 λσ(p+λv)(v)=λτ(p+λv)(v)
 σ(p+λv)(v)=τ(p+λv)(v)

wegen der Stetigkeit von  σ und  τ gilt das auch für  λ=0.

 σ(p)(v)=τ(p)(v)

Daraus folgt die Eindeutigkeit und Wohldefiniertheit der Ableitung.
 

Alternative Definiton

Man kann auch die Ableitung über einen Limes definieren, wie man es aus der reellen Analysis gewohnt ist:
Seien  V,W Banachräume,  XV offen  und  f:XW stetig .
Dann heißt  f differenzierbar in  pX, wenn es ein  LHom(V,W) gibt mit

 limxpf(x)f(p)L(xp)xp=0.

Dann heißt  L=σ(p)=f(p) die Ableitung von f im Punkt p.
Bemerkung: Die Norm kann im Zähler auch weggelassen werden, aber im Nenner nicht.

Erste Schritte

Nachdem die Definition der Ableitung eingeführt wurde, wird es Zeit für die ersten Gehversuche.

Beispiel 1

Aus der reellen Analysis ist bekannt, dass konstante Funktionen überall differenzierbar, ja sogar stetig differenzierbar sind. Die Ableitung von konstanten Funktionen ist im   zudem immer die Nullabbildung. Diese Erkenntnis gilt auch in Banachräumen: Sei  f:XW konstant Dann gilt:  f(x)f(p)=0=0(xp) (Man beachte, das dies fast der ersten Definiton der Ableitung entspricht und  σ unmittelbar ablesbar ist) Man setzte also

 σ:XHom(V,W)
 x0

d.h. man ordnet jedem Punkt die Nullabbildung zu.

Beispiel 2

Diesmal sei f stetig und linear. Aus der reellen Analysis weiß man, dass lineare Funktionen überall stetig differenzierbar sind, wobei in der reellen Analysis aus der Linearität die Stetigkeit folgt. Das gilt in Banachräumen nicht mehr, deshalb muss die Stetigkeit extra gefordert werden. Ansonsten lassen sich wieder diese Erkenntnisse auf Banachräume übertragen: Sei  f stetig und linear
Also gilt wegen der Linearität:  f(x)f(p)=f(xp) (Das entspricht wieder fast der Definiton von der Ableitung)
Man kann also

 σ:VHom(V,W)
 xf definieren.

Diese Abbildung ist konstant (jedes x bildet auf die selbe Funktion ab) und somit stetig und erfüllt damit die Definition der Ableitung. Also gilt:  f(p)=σ(p)=f für alle p

Beispiel 3

Als drittes einführendes Beispiel wird folgende Abbildung untersucht:

 g:VV
 vvv

Es wird gefragt, ob diese Abbildung im Punkt 0 differenzier ist.
Für dieses Beispiel empfiehlt es sich die zweite Definition zu nehmen. Natürlich kann man auch die erste verwenden.
In diesem Beispiel könnte man die Abbleitung sofort erraten, wenn man dafür ein geschultes Auge hat, aber wir wollen uns erstmal bis zu dem Punkt vorarbeiten, ab dem man wirklich die Ableitung "sieht": Setze  p=0 und setze p in die Definiton ein:

 limv0g(v)g(0)L(v0)v0=0.
 =limv0vvL(v)v=0

Jetzt kann man sehen, wenn man L zur Nullabbildung definiert, geht der Limes wunderbar auf:

 =limv0vvv=limv0v=0

Somit ist g im Punkt p = 0 mit der Abbleitung  L=σ(0)=0

Rechenregeln

In der reellen eindimensionalen Analysis gibt es vier zentrale Rechenregeln für die Ableitung:

  • Summenregel
  • Produktregel
  • Quotientenregel
  • Kettenregel

Diese Regeln gelten sogar schon in Banachräumen.

Zuätzlich gibt es in Banachräumen noch die Komponentenregel, welche besonders für den Fall  n wichtig ist.

Summenregel

Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Satz Im reellen Fall benutzt man die Eigenschaften des Limes. In Banachräumen muss man zusätzlich die Dreiecksungleichung hinzuziehen, damit man die Summe auseinanderziehen kann. Das ist aber kein weiteres Problem, da beide Summanden per Bedingung gegen 0 konvergieren sollen. Mit der ersten Definition ist der Beweis sogar geradezu trivial. Deswegen wird der Beweis mit beiden Definitionen geführt, um auch einmal ein Gefühl für beide Definitionen zu bekommen:

  • Mit der ersten Definition
Man setze  f+g in die Definition ein:
 f(x)+g(x)f(p)g(p)
 [f(x)f(p)]+[g(x)g(p)]
Dann folgt aus der Differenzierbarkeit von  f und  g:
 [f(x)f(p)]+[g(x)g(p)]=[σ(x)(xp)]+[τ(x)(xp)]
 (σ(x)+τ(x))(xp)
Somit lautet die Ableitung  σ+τ für alle p
 
  • Mit der zweiten Definition
Man setze  f+g in die Definition ein:
 limxpf(x)+g(x)f(p)g(p)L(xp)xp
Man nemhe an, dass sich  L als  Lf+Lg darstellen lässt. Mit der Dreiecksungleich für Normen folgt dann
 limxpf(x)f(p)Lf(xp)xp+limxpg(x)g(p)Lg(xp)xp
Weil  f und  g differenzierbar sind, kennt man die Ableitungen  Lf und  Lg und weiß, dass die beiden Limetes gegen 0 konvergieren. Somit konvergiert auch die Summe gegen 0 und die Ableitung lautet  Lf+Lg.
 

Produktregel

Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Satz Die Produktregel gilt in ungeänderter Form auch in Banachräumen und der Beweis ist dem aus der reellen eindimensionalen Analysis sehr ähnlich. Dreh und Angelpunkt des Beweises ist die Identität:  a*bc*d=a*bc*d+a*da*d=a(bd)+d(ac) Wieder wird der Beweis mit beiden Definitionen geführt, wobei der Beweis diesmal mit der ersten Definiton deutlich kürzer und eleganter ist. Der Beweis mit der zweiten Definiton ist zwar nicht viel schwieriger, aber mehr Schreibarbeit.

  • Mit der ersten Definition
Man setze  fg in die Definition ein:
 f(x)g(x)f(p)g(p)=δ(xp)
 f(x)g(x)f(p)g(p)+f(x)g(p)f(x)g(p)
 f(x)[g(x)g(p)]+g(p)[f(x)f(p)]
Dann gilt mit der Voraussetzung:
 f(x)τ(xp)+g(p)σ(xp) für alle xX
Daraus folgt, dass  fg im Punkt p differenzierbar ist.
 
  • Mit der zweiten Definition
Man setze  fg in die Definition ein:
 limxpf(x)g(x)f(p)g(p)L(xp)xp
 limxpf(x)g(x)f(p)g(p)+f(x)g(p)f(x)g(p)L(xp)xp
 limxpf(x)[g(x)g(p)]+g(p)[f(x)f(p)]L(xp)xp
Man nehme an, dass sich  L=L1+L2 darstellen lässt. Mit der Dreiecksungleichung folgt
 limxpf(x)[g(x)g(p)]L1xp+limxpg(p)[f(x)f(p)]L2xp
Man setze  L1=L'1f(x)undL2=L'2g(p) und ziehe damit die Funktionen aus der Norm und aus dem Limes:
 f(p)limxpg(x)g(p)L'1(xp)xp+g(p)limxpf(x)f(p)L'2(xp)xp
weil  f(p) und  g(p) endlich sein müssen und die beiden Grenzwerte per Voraussetzung (die Ableitungen) gegen 0 konvergieren, konvergiert der gesamte Term gegen 0 und somit ist  fg im Punkt p differenzierbar. Die Ableitungsvorschrift kann man aus dem Beweis ablesen, wenn man der Zerlegung von L folgt.
 

Kettenregel

Die Kettenregel ist wie im eindimensionalen Fall eine sehr wichtige Regel, mit der sich überhaupt erst weitere wichtige Sätze beweisen lassen und generell kompliziertere Funktionen ableiten lassen. Der Beweis wird diesmal nur mit der ersten Definiton geführt, da diese besonders elegant ist. Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Satz Der Beweis erfolgt durch Einsetzen der Funktionen innerinander, um dann deren Differenzierbarkeit auszunutzen:
Beweis:
Schreibe  f(x)f(p)=σ(x)(xp),g(y)g(q)=τ(y)(yq)
 g(f(x))g(f(p))=τ(f(x))(f(x)f(p))=τ(f(x))σ(x)(xp)
Also ist  gf in p differenzierbar.
Die Formel ergibt sich, wenn man  x=p einsetzt.
 

Komponentenregel

Die Komponentenregel wird wie oben schon angedeutet im  n interessant, weil sie eine Rechenvorschrift liefert, wie man Funktionen mit dem Muster  f=(f1,...fn):Xn ableiten kann. Intuitiv würde man behaupten, dass man einfach jedes  fi separat ableiten kann und daraus die komplette Ableitung erhält. Und genau das ist der Fall. Mittels der Komponentenregel hat man dann Zugriff auf alle Erkenntnisse der eindimensionalen Differentiation!
Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Satz Der Beweis benutzt die Unabhängigkeit der Funktionen  f und  g aus.
Beweis:
Es gilt:

 f(x)f(p)=σ(x)(xp)
 g(x)g(p)=τ(x)(xp)

Dann basteln wir uns unsere Komponentenfunktion:
 (f,g)(x)(f,g)(p)=(f(x)f(p),g(x)g(p))
 =(σ(x)(xp),τ(x)(xp))
 =(σ(x),τ(x))(xp)
 =(σ,τ)(x)(xp)
 
Somit lautet für die oben definierte Funktion  f die Ableitung im Punkt  p:

 f(p)=(f'1(p),...f'n(p)).