Mathematik für Wirtschaftswissenschaftler: Lineare Gleichungssysteme

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Nehmen wir uns noch einmal das Beispiel mit dem Tante-Emma-Laden in der Einführung vor:

1x1+2x2=8,
4x1+5x2=23.

Es sollen beide Gleichungen zugleich gelten, also schreibt man eigentlich korrekt

1x1+2x2=8
4x1+5x2=23.

Sind Missverständnisse ausgeschlossen, können die „und“ weggelassen werden.

In Matrizenschreibweise kann man das System darstellen als

[1245][x1x2]=[823],

allgemein

A_ x_=b_

mit der Koeffizientenmatrix A_=[1245], dem Variablenvektor x_=[x1x2] und dem Lösungsvektor b_=[823].


Lösung linearer Gleichungssysteme

Gaußscher Algorithmus

In der Matrizenrechnung wird aus praktischen Gründen das Eliminationsverfahren verwendet.

Wie löst man idealerweise ein lineares Gleichungssystem (kurz: LGS)?

Betrachten wir ein Beispiel:

1x13x2+1x3+3x4=12;3x21x35x4=11;3x3+2x4=4;3x4=6;

in Matrizenschreibweise

A_x_=b_, bzw.
[1313031500320003][x1x2x3x4]=[121146],

Wie lösen wir dieses Gleichungssystem? Am besten rekursiv von unten nach oben. Rekursiv heißt, dass man die Informationen der vorherigen Schritte für den nächsten Lösungsschritt verwendet.

1x13x2+1x3+3x4=12;3x21x35x4=11;3x3+2x4=4;3x4=6.

Wir beginnen mit Zeile 4:

3x4=6

Wir erhalten

x4=63=2.

Wir nehmen uns nun die dritte Gleichung vor und berechnen x3:

x3+2x4=4x3+2(2)4=4x3=4+4=8.

Für die zweite Gleichung ergibt sich

3x21x35x4=113x2185(2)=113x28+10=113x2=112=9x2=3.

Schließlich bestimmen wir x4:

1x13x2+1x3+3x4=12x13(3)+8+3(2)=12x1+9+86=12x1+11=12x1=1.

Unser Ergebnis ist also

x1=1; x2=3; x3=8; x4=2.

Dieses Gleichungssystem war einfach zu lösen, denn die Gleichungen bauten aufeinander auf und ermöglichten ein rekursives Lösungsverfahren. Wir können die Rekursivität unmittelbar der Koeffizientenmatrix entnehmen, denn sie ist eine Dreiecksmatrix.

Wie sieht es nun beispielsweise aus mit der Lösung des Gleichungssystems

3x+2yz=13;
2xy+3z=1;
5x4y+4z=3;

in Matrizenschreibweise

A_x_=b_

bzw.

[321213544][xyz]=[1313]?

Nett wäre es, wenn man auch hier A_ auf Dreiecksgestalt wie oben in der Form [xxx0xx00x] bringen könnte. Das kann man mit dem Eliminationsverfahren erreichen. Man wendet nun so genannte Zeilenoperationen an. Zulässige Zeilenoperationen sind:

  1. Multiplikation einer Zeile mit einer Konstanten.
  2. Addition zweier Zeilen.
  3. Vertauschen zweier Zeilen.

Für die manuelle Durchführung der Zeilenoperationen fasst man alle Zahlen zweckmäßigerweise in einem so genannten Tableau zusammen, d.h. man trägt die Koeffizienten und die Lösungen in einer Tabelle zusammen.

Bemerkung: Wenn man nun Klammern darumsetzte, hätte man eine erweiterte Koeffizientenmatrix, was uns inhaltlich aber nicht weiter bringt. Das hervorgehobene "manuell" deutet an, dass es hier vor allem darum geht, die Funktionsweise des Lösungsverfahren zu erfassen. Normale Menschen verwenden spezielle Programme für die Lösungen. Studierende werden aber gequält. Sie müssen sich ja das Examen verdienen.

Tableau:

x1x2x3bI: 32113II: 2131III: 5443

Die Spalten des Tableaus werden nun von links nach rechts abgearbeitet:

Die 1.Spalte soll sein [300].

Ein Vielfaches der 1. Zeile wird von einem Vielfachen der 2. Zeile subtrahiert:

3II6393(2I)64226IIneu071129

Ein Vielfaches der 1. Zeile wird von einem Vielfachen der 3. Zeile subtrahiert:

3III1512129(5I)1510565IIIneu0221756

Die erste Spalte ist fertig und wir wollen nun ein neues Tableau als Zwischenergebnis festhalten.

I:32113II:071129III:0221756

Nun wird die zweite Spalte transformiert. Die 2.Spalte soll sein [270].

Ein Vielfaches der 2. Zeile wird von einem Vielfachen der 3. Zeile subtrahiert:

7III0154119392(22I)0154242638IIIneu00123246


Wir speichern Berechnungen als Tableau ab und sehen, dass wir mit den Zeilentransformationen fertig sind, denn unsere Koeffizientenmatrix hat Dreiecksgestalt.

321130711290017123

Das entspricht dem Gleichungssystem

3x+2yz=13,7y+11z=29,123z=246,

das nun rekursiv von unten nach oben gelöst werden kann:

z=246123=2
7y211=7y22=297y=7y=1
3x+21+(2)(z)=3x+2+2=133x+4=13x=3.

Wir erhalten den Lösungsvektor x_=[312] bzw. etwas platzsparender x_T=[312].

Man nennt dieses Verfahren, nämlich das Gleichungssystem in Dreiecksgestalt umzuwandeln,

  • Gaußschen Algorithmus,
  • Gaußsches Iterationsverfahren,
  • Gaußsches (teilweises) Eliminationsverfahren.

Bemerkung:

Oftmals sind in der Koeffizientenmatrix A_ Nullen enthalten, die bei geschickter Platzierung das Eliminationsverfahren erleichtern. Hier können bei Bedarf die Spalten von A_ vertauscht werden. Allerdings muß auf die Reihenfolge der Variablen geachtet werden, z.B.

x1x2x3b111110122003 x2x3x1b111101120023


Vollständiges Eliminationsverfahren

Das Gaußsche Eliminationsverfahren ermöglicht eine rekursive Berechnung der Variablen von unten nach oben. Das lineare Gleichungssystem kann aber weiter umgeformt werden, so dass z.B. ein Tableau der Form

x1x2x3a100a010b001c

entsteht. Hier kann die Lösung direkt abgelesen werden:

x1=a , x2=b , x3=c .

Man nennt dieses Verfahren vollständiges Gaußsches Eliminationsverfahren. Das Verfahren ist zwar aufwendiger, wird aber aus verschiedenen praktischen Gründen häufig angewendet, vor allem im EDV-Einsatz. Beispiel:

Gegeben ist das Tableau

I: 2012II: 1231III: 0113

das mit Hilfe der vollständigen Elimination umgeformt werden soll. Man geht spaltenweise von links nach rechts vor, zeilenweise von oben nach unten.

Die 1.Spalte soll sein [100].

Man nennt die Zeile, in der schließlich 1 stehen soll, Pivotzeile.

1. Zeile (Pivotzeile):

Ineu=I/2:10121

2. Zeile:

II:1231(Ineu):10121IIneu:02520


3. Zeile: Ist schon o.k.

Neues Tableau als Zwischenergebnis:

I: 10121II: 02520III: 0113

Die 2.Spalte soll sein [010]. Pivotzeile ist also nun Zeile 2.

IIneu=II/2:01540

1. Zeile ist schon o.k.

3. Zeile:

III:0113(IIneu):01540IIIneu:00143


Neues Tableau als Zwischenergebnis:

I: 10121II: 01540III: 00143

Die 3.Spalte soll sein [001]. Pivotzeile ist nun Zeile 3.

IIIneu=III(4):00112

1. Zeile:

I:10121(12IIIneu):00126IIneu:1007

2. Zeile:

II:01540(54IIIneu):005415IIneu:01015

Neues Tableau als Ergebnis:

I: 1007II: 01015III: 00112

Wir erhalten die Lösungen

x1=7, x2=15, x3=12 bzw. den Lösungsvektor [71512]. Für unsere Zwecke dieses Mathekurses genügt i.a. das teilweise Gaußsche Eliminationsverfahren.

Lösbarkeit linearer Gleichungssysteme

Aus den bisherigen Ausführungen wurde ersichtlich, daß z.B. für die Bestimmung von 3 Unbekannten i.a. drei Gleichungen benötigt werden, d.h. für die Bestimmung von n Unbekannten braucht man möglicherweise n Gleichungen.

Fragen: Genügen immer n Gleichungen? Was ist, wenn mehr als n Gleichungen vorhanden sind? Ist das System dann noch lösbar?

Wir bemühen das Beispiel mit Lisa und Familie Meier und werden damit die Lösbarkeit von Gleichungssystemen erkunden.

Im Juni haben wir die Konstellation

SchokiChipsEuronenLisa128Meier4523

als Gleichungssystem

I:1x1+2x2=8,II:4x1+5x2=23.

Wir haben also zwei Gleichungen und zwei Unbekannte und lösen nun das LGS wie gewohnt. Wir gehen aus vom Tableau

I: 128II: 4523

und wollen die Koeffizientenmatrix zur Dreiecksmatrix umwandeln:

II:4523(4I):4832IIneu:039

Tableau:

x1x2I: 128II: 039 x2=3;x1=82x2=823=2.

Ein Schokoriegel kostet also 2€ und eine Tüte Chips 3€. Es gibt nur eine Lösung für x1 und x2. Dieses Gleichungssystem ist eindeutig lösbar.

Im Juli kauft Lisa wie gewohnt einen Schokoriegel und zwei Tüten Chips und zahlt 8 Euro. Familie Meier kauft vier Schokoriegel und acht Tüten Chips und zahlt 32 Euro. Wir interessieren uns wieder für die Preise der Artikel.

Wir gehen aus vom Tableau

I: 128II: 4832

und wollen die Koeffizientenmatrix umwandeln:

II:42032(4I):4832IIneu:000

Hmmm...

Das neue Tableau wird nicht besser:

x1x2I: 128II: 000

Wenn wir unser Gleichungssystem genauer betrachten, sehen wir, dass in diesem Fall die zweite Gleichung eigentlich nur das Vierfache der ersten Gleichung ist. In II ist keine neue Information enthalten, so dass wir im Grunde nur eine Gleichung haben. Genau das verrät uns das neue Tableau.

Wir erhalten 2x2=8x1 bzw. x2=4x12. Mehr Infos sind nicht zu bekommen. Wir haben hier letztlich zwei Unbekannte, aber nur eine Gleichung. Wir können allerdings für x1 einen Wert festlegen und dann x2 entsprechend berechnen: x1=3x2=832=6,5 oder x1=2;x2=7 usw. Es gibt theoretisch unendlich viele Lösungen, je nach Wert von x1. Dieses System ist also mehrdeutig lösbar. Eine spezielle Lösung ist die so genannte Basislösung, also die Lösung für x1=0:x2=8.

Meistens finden die Leute eine eindeutige Lösung schicker als eine mehrdeutige. Allerdings hat man bei einer mehrdeutigen mehr Spielraum, etwa bei der Produktionsplanung.

Im August haben wir die Konstellation

SchokiChipsEuronenLisa128Meier42030

als Gleichungssystem

I:1x1+2x2=8,II:4x1+20x2=30.

als Tableau

I: 128II: 4830

Wir erhalten durch Zeilentransformation

II:42030(4I):4832IIneu:002
x1x2I: 128II: 002

Wir haben hier die Situation, dass 0x2=2 ist. Sogar einem Meerschweinchen würde auffallen, dass wir hier eine inkonsistente Gleichung haben, dass also keine Lösung möglich ist.

Es sind bei einem Linearen Gleichungssystem folgende Lösungsmöglichkeiten denkbar:

1. Eine (einzige) eindeutige Lösung

2. Unendlich viele Lösungen

3. Keine Lösung

Es gibt verschiedene Methoden, herauszufinden, inwieweit eine Lösung existiert. Das Gaußsche Eliminationsverfahren ist beispielsweise geeignet: Man bringt die erweiterte Koeffizientenmatrix, also A_ zusammen mit b_ bzw. das entsprechende Tableau auf Trapezgestalt, d.h. man formt A_ so weit wie möglich auf Dreiecksgestalt um. Schließlich ergeben sich Konstellationen wie oben erläutert.

Beispiele für Ergebnistableaus:

I

123104520063

II

123004510060

III

1231045200630000

IV

123004500060

V

123104520000

VI

1231045200000000

VII

1231

VIII

1231045200030000

Lösung für die Tableaus:

  • I eindeutig lösbar
  • II eindeutig lösbar
  • III eindeutig lösbar, vierte Zeile überflüssig
  • IV alle xi=0 trivial
  • V mehrdeutig lösbar
  • VI mehrdeutig lösbar
  • VII mehrdeutig lösbar
  • VIII keine Lösung
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