Mathe für Nicht-Freaks: Einführung in den Vektorraum

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Wir kennen aus der Schule bereits die Vektorräume 2 und 3. Dort haben wir sie in Form des Koordinatensystems kennengelernt. Der Begriff des Vektorraums ist in der Mathematik sehr viel weiter gefasst. Im Folgenden werden wir ausgehend von den aus der Schule bekannten Vektorräumen den abstrakten mathematischen Begriff des Vektorraums entwickeln.

Der Vektorraum n

Datei:Definition Vektorraum - Mit Beispielen intuitiv erklärt und hergeleitet.webm

Im 2 und 3 sind uns Vektoren in Form von Punkten in der Ebene bzw. im Raum bekannt. Manchmal begegnen uns auch Pfeile als Repräsentanten von Vektoren im Koordinatensystem. Vektoren können im 2 durch zwei und im 3 durch drei Koordinaten beschrieben werden. Die Koordinaten stehen für bestimmte Werte. Die folgende Abbildung zeigt zum Beispiel die Pfeildarstellung des Vektors v=(2,1)T:

Vektor im ℝ2 in Pfeildarstellung
Vektor im 2 in Pfeildarstellung

Oft reichen drei Koordinaten allerdings nicht aus, um alle gewünschten Informationen abzubilden. Dies zeigen die folgenden zwei Beispiele:

Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Beispiel

Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Beispiel

An den Beispielen haben wir gesehen, dass es notwendig ist, durch Hinzufügen weiterer Dimensionen zu einem allgemeinen Vektorraum n zu erweitern. Beim Übergang vom 2 zum 3 können wir uns noch anschaulich vorstellen, dass wir die Dimension durch das Hinzufügen einer unabhängigen Richtung erhöhen. In höheren Dimensionen fehlt uns diese geometrische Vorstellung. Jedoch können wir uns höherdimensionale Vektorräume sehr gut in der Tupelschreibweise vorstellen. Eine zusätzliche Dimension können wir durch das Hinzufügen einer weiteren Zahl erreichen. Diese Zahlen können alle unabhängig voneinander gewählt werden und wir nennen sie Koordinaten.

Verallgemeinerung auf den Kn Vorlage:Anker

Bisher haben wir durch Hinzufügen weiterer Dimensionen zu Vektorräume erzeugt. Nun wollen wir uns anschauen, welche Eigenschaften der reellen Zahlen dafür relevant sind und darauf aufbauend den Vektorraumbegriff weiter verallgemeinern. Mit den Rechenregeln in sind wir gut vertraut. Wir kennen auch schon die Vektoraddition und die skalare Multiplikation im 2 und im 3. Diese können wir uns anschaulich vorstellen.

Genauso können wir aber auch in höheren Dimensionen rechnen. So ist die Summe der Vektoren v:=(1,0,2,4)T und w:=(2,1,1,0)T4:

Vorlage:Einrücken

Die skalare Multiplikation von v:=(0,3,1,12)T4 mit dem Skalar α:=2 können wir folgendermaßen berechnen:

Vorlage:Einrücken

Genauso wie im 4 können wir allgemein auch im n verfahren. Wir wollen uns jetzt überlegen, welche Eigenschaften von das Rechnen mit Vektoren im n gewährleisten. Wir sehen an obigen Beispielen, dass die skalare Multiplikation und die Addition von Vektoren in den einzelnen Komponenten der Multiplikation beziehungsweise der Addition in entspricht. So rechnen wir in der ersten Komponente bei der Addition 1+2=1. Ebenso gilt für die skalare Multiplikation in der dritten Komponente 2(1)=2.

Das Rechnen im n wird also auf die Addition und Multiplikation in zurückgeführt. Hier haben wir eine weitere Möglichkeit der Abstraktion. Eine Menge, in der man wie in den reellen Zahlen addieren und multiplizieren kann, wird Körper genannt. Es sollte also ausreichen, wenn die Zahlen des Vektortupels aus einem Körper stammen. Somit können wir aus jedem allgemeinen Körper K, wie den rationalen Zahlen oder den komplexen Zahlen , einen Vektorraum bilden. Analog zum n starten wir dabei mit dem Körper K und bauen durch Hinzufügen weiterer unabhängiger Richtungen einen Vektorraum Kn auf.

Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Beispiel Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Hinweis

Zusammenhang mit Polynomstrukturen Vorlage:Anker

Oben haben wir Vektoren des n in der Tupelschreibweise verwendet, um Systeme mit n Informationseinheiten zu beschreiben. Die Struktur des Rechnens mit Tupel finden wir auch an anderer Stelle. Betrachten wir das Polynom zweiten Grades f(x)=7x2+3x2=7x2+3x1+(2)x0. Wir sortieren die Summanden stets so, dass die Exponenten vom Grad des Polynoms bis zur 0 absteigend geordnet sind. Dabei stellen wir fest, dass dieses Polynom Ähnlichkeiten zum Vektor (7,3,2)T aufweist. Dabei steht der erste Koeffizient des Polynoms in der ersten Komponente des Vektors und so weiter.

Dieselbe Ähnlichkeit können wir auch zwischen der Addition und skalaren Multiplikation von Polynomen auf der einen und den zugehörigen Verknüpfungen von Vektortupeln auf der anderen Seite beobachten. Nehmen wir die Polynome f: mit f(x)=7x2+3x2 und g: mit g(x)=x2+6 sowie den Skalar ρ=1. Die Polynome können wir als Tupel schreiben:

<section begin=polynom_vektor /> Vorlage:Einrücken <section end=polynom_vektor />

Nun berechnen wir f(x)+g(x) in beiden Darstellungsformen: <section begin=polynom-vektor_1 /> Vorlage:Einrücken <section end=polynom-vektor_1 />

Auch die Multiplikation von f(x) mit dem Faktor ρ korrespondiert mit der entsprechenden Rechnung in den zugehörigen Tupel:

<section begin=polynom-vektor_2 /> Vorlage:Einrücken <section end=polynom-vektor_2 />

Jedes Polynom zweiten Grades lässt sich auf die beschriebene Art durch einen dreidimensionalen Vektor eindeutig darstellen. Umgekehrt beschreibt jeder dreidimensionale Vektor eindeutig ein Polynom zweiten Grades. Somit finden wir eine bijektive Abbildung zwischen der Menge der Polynome zweiten Grades und dem 3. Analog existiert eine bijektive Abbildung zwischen Polynomen dritten Grades und dem 4 und allgemein zwischen Polynomen n-ten Grades und dem n+1.

Bisher haben wir als Koeffizienten von Polynomen alle reellen Zahlen zugelassen. Wir können auch Polynome betrachten, deren Koeffizienten Elemente von sind. Dementsprechend sind die Einträge des korrespondierenden Vektors rationale Zahlen. Polynome n-ten Grades mit rationalen Koeffizienten korrespondieren damit zu Vektoren aus dem Vektorraum n+1.

Übergang zum allgemeinen Vektorraum-Begriff

Wir haben festgestellt, dass wir mit Polynomen n-ten Grades genauso wie mit Vektoren des Kn+1 rechnen können. Die Menge der Polynome n-ten Grades weist also eine ähnliche Struktur wie der Kn+1 auf. Bei der Betrachtung aller Polynome, sprich der Polynome beliebigen Grades, stoßen wir mit der Vorstellung des Kn allerdings an unsere Grenzen. In dieser Menge können die Polynome beliebig große Exponenten besitzen:

Vorlage:Einrücken

Um diese Menge durch Tupel zu beschreiben, brauchen wir unendlich viele Einträge. Der Raum aller Polynome umfasst unendlich viele Dimensionen, während wir im Kn auf n Dimensionen beschränkt sind. Damit kann die Menge aller Polynome nicht durch eine Menge Kn ausgedrückt werden. Dennoch haben Polynome und Tupel eine gemeinsame Struktur, wie wir bereits gesehen haben. Dies ermöglicht einen weiteren Abstraktionsschritt: Indem wir diese gemeinsame Struktur in einer Definition zusammenfassen, können wir sowohl über Tupel als auch über Polynome und über andere Mengen mit diesen Strukturen sprechen.

Was ist diese gemeinsame Struktur? Die Gemeinsamkeit von Polynomen und von Tupel liegt darin, dass man sie addieren und skalieren kann und dass beide Operationen sich auf beiden Mengen ähnlich verhalten. Dies ist die gemeinsame Struktur, die Vektorräume haben: Vektoren sind Objekte, die man addieren und skalieren kann.

Wir haben einen strukturellen Unterschied zwischen dem Kn und dem Vektorraum aller Polynome festgestellt. Gemeinsam ist ihnen jedoch, dass man ihre Elemente addieren und skalieren kann. Somit erscheint es naheliegend, diese Eigenschaft von Vektoren als definierende Eigenschaft eines jeden Vektorraums anzusehen.

Bis jetzt haben wir noch nicht überlegt, welche Rechenregeln für die Addition und Skalarmultiplikation von Vektoren in allgemeinen Vektorräumen gelten. In haben wir die Assoziativ- und Kommutativgesetze sowie das Distributivgesetz und kennen neutrale und inverse Elemente bezüglich der Addition und der Multiplikation. Wie wir oben gesehen haben, lässt sich das Rechnen im n auf das Rechnen in zurückführen. Dementsprechend übertragen sich bestimmte Rechenregeln der reellen Zahlen auf den Vektorraum n und analog von jedem Körper K auf den Kn.

Herleitung der Definition eines Vektorraums

Die Addition, skalare Multiplikation und alle dazugehörigen Rechengesetze liefern die formale Definition des Vektorraumes. Ausgangspunkt unserer Beschreibung eines Vektorraums ist eine Menge V, die alle Vektoren eines Vektorraums enthält. Damit unser Vektorraum V mindestens einen Vektor enthält, fordern wir, dass V nicht leer ist. Wir haben gesehen, dass die wesentliche Struktur eines Vektorraumes durch die Rechenoperationen, die auf ihm durchgeführt werden, gegeben wird. Wir müssen also Addition und skalare Multiplikation auf einem Vektorraum formal beschreiben.

Die additive Struktur eines Vektorraums

Wir haben bereits definiert, dass ein Vektorraum V eine nicht leere Menge sein soll. Nun definieren wir über Axiome, welche Eigenschaften ihre additive Struktur haben muss. Zunächst stellen wir fest, dass eine Addition von Vektoren eine innere Verknüpfung [1] :V×VV ist. Sie ist also eine Abbildung, bei der zwei Vektoren auf einen anderen Vektor abgebildet werden. Der Funktionswert ist dabei die Summe der beiden Eingangsvektoren.

Diese Abbildung bezeichnen wir mit dem Symbol . So ist (v,w) die Summe der beiden Vektoren v und w. Die Schreibweise (v,w) ist analog zur Schreibweise f(v,w) zu verstehen, wobei wir anstelle von „f“ das Symbol „“ schreiben. Statt der Notation (v,w) wird in der Regel die sogenannte Infixnotation vw verwendet, die wir im Folgenden nutzen wollen.

Wir nutzen hier das Operationszeichen „“ zur besseren Unterscheidung zwischen der Vektoraddition und der Addition von Zahlen „+“, die wir zunächst unabhängig voneinander betrachten können. In den meisten Lehrbüchern wird das Symbol „+“ auch für die Vektoraddition verwendet. Ob die Addition von Vektoren oder von Zahlen gemeint ist, muss aus dem jeweiligen Kontext erschlossen werden. Auch wir werden später das Symbol „+“ anstelle von „“ benutzen.

Um zu zeigen, dass die Menge V mit einer Verknüpfung „“ versehen ist, schreiben wir (V,). Damit wir aber „“ als Addition ansehen können, muss diese Operation gewisse charakteristische Eigenschaften erfüllen, die wir bereits aus der Addition von Zahlen kennen. Diese sind:

Vorlage:Liste

Eine Menge mit einer Verknüpfung, die die obigen fünf Axiome erfüllt, nennt man auch eine abelsche Gruppe[2].

Die skalare Multiplikation

Wir haben bereits definiert, welche Eigenschaften die Addition von Vektoren erfüllen muss. Es fehlt noch die Skalierung von Vektoren. Damit wir die skalare Multiplikation von der normalen Zahlenmultiplikation unterscheiden können, verwenden wir dafür zunächst das Symbol „“. In Lehrbüchern wird das Symbol „“ anstelle von „“ benutzt oder der Punkt wird sogar ganz weggelassen. Welche Operation dann gemeint ist, ergibt sich aus dem Kontext. Wir werden diese Notation später ebenfalls verwenden. Die skalare Multiplikation bildet eine Zahl, auch Skalierungsfaktor oder Skalar genannt, und einen Vektor auf einen anderen Vektor ab.

Vorlage:Einrücken

Die Schreibweise ρv bedeutet, dass v um ρ gestreckt (oder gestaucht) wird. Es liegt nahe, den Skalar durch ρ zu definieren. Wir können dies aber noch verallgemeinern. Alle Mengen, in denen man ähnlich zu den reellen Zahlen addieren und multiplizieren kann, kommen als Grundmenge für Skalierungsfaktoren infrage. Eine solche Menge wird in der Mathematik Körper genannt.

Die Eigenschaften der skalaren Multiplikation „“ sind denen der Multiplikation von Zahlen ähnlich. Wir wollen die skalare Multiplikation nun formal durch Axiome definieren. Wie bei der Addition ist eine nicht leere Menge V der Ausgangspunkt der Definition. Außerdem benötigen wir einen Körper K. Die skalare Multiplikation ist eine äußere Verknüpfung :K×VV, die folgende Eigenschaften erfüllt:

Vorlage:Liste

Um Vektoren skalieren zu können, benötigen wir für die Definition eines Vektorraums neben diesem auch einen Körper K, aus dem die Skalierungsfaktoren stammen. Deswegen werden Vektorräume V immer über einem Körper K definiert. Wir sagen „V ist ein Vektorraum über K“ oder kurz „V ist ein K-Vektorraum“, um auszudrücken, dass die Skalierungsfaktoren für V aus K stammen.

Definition des Vektorraums

Unsere Überlegungen können wir komprimiert aufschreiben, um die formale Definition eines Vektorraums zu erhalten:

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  1. siehe auch Verknüpfung
  2. siehe abelsche Gruppe