Mathe für Nicht-Freaks: Häufungspunkt einer Folge
{{#invoke:Mathe für Nicht-Freaks/Seite|oben}}
Achtung: Verschiedene Arten von Häufungspunkten
Beim Begriff „Häufungspunkt“ müssen wir aufpassen. Es gibt nämlich zwei verschiedene Arten von Häufungspunkten in der Mathematik: Häufungspunkte von Folgen und Häufungspunkte von Mengen. Obwohl beide Begriffe eng miteinander verwandt sind, müssen wir zwischen ihnen unterscheiden. In Vorlesungen und Übungen sollte man sich immer klar machen, um welche Art von Häufungspunkt es gerade geht.
In diesem Kapitel werden Häufungspunkte von Folgen vorgestellt. Wenn wir also im Folgenden das Wort „Häufungspunkt“ benutzen, dann ist damit der Häufungspunkt einer Folge gemeint.
Einleitendes Beispiel
Wir stoßen auf den Begriff des Häufungspunkts, wenn wir uns das Grenzwertverhalten bestimmter Folgen anschauen. Nehmen wir die Folge . Sie hat die Folgenglieder
Im Diagramm sieht die Folge so aus:

Wir sehen zunächst, dass die Folge keinen Grenzwert besitzt. Es gibt nämlich keinen eindeutigen Wert, gegen den sie strebt. Dennoch können wir ein gewisses Grenzwertverhalten ausmachen: Ein Teil der Folge scheint gegen und der andere Teil gegen zu streben.
Für dieses „Streben eines Teils der Folge“ gibt es den Begriff des Häufungspunkts. Wir werden sehen, dass und die beiden Häufungspunkte der Folge sind. Fassen wir also zusammen:
Diese intuitive Beschreibung müssen wir noch in eine mathematisch exakte Definition umformulieren.
Definition des Häufungspunkts
Wie kann man die Intuition „Streben eines Teils einer Folge“ allein durch mathematische Begriffe ausdrücken? Im letzten Kapitel haben wir das Konzept einer Teilfolge kennengelernt. Es liegt nahe, die Umschreibung „Teil einer Folge“ durch den Begriff „Teilfolge“ zu ersetzen. Genauso können wir „Streben eines Teils einer Folge“ durch "Streben einer Teilfolge" ersetzen.
Wir müssen noch konkretisieren, was "Streben einer Teilfolge" gegen einen Wert sein soll. Die Konvergenz einer Folge beschreibt die intuitive Idee, dass eine Folge gegen einen Grenzwert strebt. Wir können also die Umschreibung
durch folgende Formulierung ersetzen:
So erhalten wir folgende Definition des Häufungspunkts:
Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Definition
Beispiele
Im einführenden Beispiel hatten wir intuitiv festgestellt, dass die Folge die Häufungspunkte und besitzt. Können wir dies auch mit unserer Definition des Häufungspunkts nachweisen? Finden wir also zwei Teilfolgen von , die einmal gegen und einmal gegen konvergieren? Zur Wiederholung: Die Folge besitzt die Folgenglieder:
Im Diagramm ergibt sich folgendes Bild der Folge:

Anscheinend strebt die Teilfolge der geraden Folgenglieder gegen . Schauen wir uns diese Teilfolge an:
Diese Teilfolge besitzt die explizite Bildungsvorschrift
Und tatsächlich: Mit Hilfe der Grenzwertsätze können wir nachweisen, dass diese Folge gegen konvergiert:
ist also ein Häufungspunkt der Folge , weil es mit eine gegen konvergente Teilfolge gibt. Um nachzuweisen, dass ein Häufungspunkt der Folge ist, können wir uns die Teilfolge der ungeraden Folgenglieder anschauen:
Auch hier können wir mit den Grenzwertsätzen nachweisen, dass diese Teilfolge gegen konvergiert. Dass und die beiden Häufungspunkte der Folge sind, erkennt man auch, wenn man alle Folgenglieder auf der Zahlengeraden einzeichnet. Hier sind die Häufungspunkte die Zahlen, bei denen sich die Glieder der Folge „häufen“:

Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Frage
Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Frage
Alternative Definition des Häufungspunkts
Umgebungsdefinition des Häufungspunkts
Den Grenzwert einer Folge hatten wir dadurch charakterisiert, dass in jeder Umgebung des Grenzwerts fast alle Folgenglieder liegen. Für Häufungspunkte gibt es eine ähnliche Charakterisierung: Eine Zahl ist Häufungspunkt einer Folge, wenn in jeder Umgebung um den Punkt unendlich viele Folgenglieder liegen. Der Unterschied zum Grenzwert liegt darin, dass sich in jeder Umgebung um den Häufungspunkt nur unendlich viele und nicht fast alle Folgenglieder befinden müssen.
Zur Erinnerung: Eine -Umgebung einer Zahl ist ein offenes Intervall mit .
Damit ein Häufungspunkt der Folge sein kann, müssen sich also unendlich viele Folgenglieder in jedem Intervall der Form befinden. Nun liegt ein Folgenglied genau dann im offenen Intervall , wenn ist. Also muss es unendlich viele Indizes mit geben. Die alternative Definition des Häufungspunkts lautet:
Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Definition
Diese Definition zeigt, dass der Häufungspunktbegriff eine Abschwächung des Grenzwertbegriffs ist. Bei Grenzwerten müssen in jeder -Umgebung des Grenzwerts fast alle Folgenglieder liegen. Nur endlich viele Folgenglieder dürfen sich außerhalb befinden. Demgegenüber müssen bei Häufungspunkten nur unendlich viele Folgenglieder in jeder -Umgebung sein. Es können also auch unendlich viele Folgenglieder außerhalb der -Umgebung liegen.
Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Beispiel
Beweis der Äquivalenz
Nun müssen wir beweisen, dass beide Definitionen äquivalent sind. Genau dann, wenn eine Zahl nach der Teilfolgen-Definition ein Häufungspunkt ist, muss sie auch nach der Umgebungsdefinition Häufungspunkt der Folge sein (und umgekehrt). Wir müssen also folgenden Satz beweisen:
Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Satz
Zusammenhang Grenzwert – Häufungspunkte
Häufungspunkte als Verallgemeinerung von Grenzwerten
Aus beiden Definitionen des Häufungspunkts folgt direkt, dass jeder Grenzwert auch Häufungspunkt ist. Nach Definition konvergiert eine Folge genau dann, wenn in jeder Umgebung um den Häufungspunkt fast alle Folgenglieder liegen. Damit liegen aber auch in jeder Umgebung unendlich viele Folgenglieder, denn „fast alle Folgenglieder“ bedeutet „alle Folgenglieder bis auf endlich viele Ausnahmen“ und dies impliziert „unendlich viele Folgenglieder“. Dies zeigt, dass jeder Grenzwert auch Häufungspunkt ist:
Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Satz
Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Frage
Umgekehrt ist aber nicht jeder Häufungspunkt ein Grenzwert. Im einführenden Beispiel hatten wir eine Folge mit zwei Häufungspunkten kennengelernt. Jedoch wissen wir, dass es höchstens einen Grenzwert pro Folge geben kann. Der Grenzwert ist eindeutig. Die Häufungspunkte im einführenden Beispiel sind demnach keine Grenzwerte.
Halten wir fest: Jeder Grenzwert ist Häufungspunkt, aber nicht jeder Häufungspunkt ist Grenzwert. Damit ist der Begriff des Häufungspunkts eine Verallgemeinerung des Grenzwertbegriffs. Außerdem können wir festhalten: Da jeder Grenzwert ein Häufungspunkt ist und eine konvergente Folge genau einen Grenzwert besitzt, müssen alle Folgen divergieren, die keinen oder mehr als einen Häufungspunkt besitzen:
Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Satz
Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Frage
Häufungspunkte sind nicht eindeutig
Im Einführungsbeispiel hatten wir bereits gesehen, dass eine Folge mehr als einen Häufungspunkt besitzen kann. Dementsprechend sind Häufungspunkte anders als Grenzwerte nicht eindeutig. Es ist sogar möglich, dass eine Folge unendlich viele Häufungspunkte besitzt. Folgende Aufgabe zeigt, dass eine Folge im Extremfall sogar jede reelle Zahl als Häufungspunkt besitzen kann:
Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Aufgabe
Vergleich Häufungspunkt – Grenzwert
| Grenzwert | Häufungspunkt |
|---|---|
| Jede Teilfolge konvergiert gegen den Grenzwert. | Mindestens eine Teilfolge konvergiert gegen den Häufungspunkt. |
| In jeder -Umgebung liegen fast alle Folgenglieder. | In jeder -Umgebung liegen unendlich viele Folgenglieder. |
| Eine Folge hat höchstens einen Grenzwert. | Es kann beliebig viele Häufungspunkte geben. |
| Jeder Grenzwert ist Häufungspunkt. | Es gibt Häufungspunkte, die keine Grenzwerte sind. |
Limes superior und Limes inferior
Mathe für Nicht-Freaks: Vorlage:Hauptartikel
An dieser Stelle stellen wir noch zwei wichtige Häufungspunkte einer Folge vor. Sei eine Folge, so bezeichnet man mit Limes superior, geschrieben , den größten Häufungspunkt der Folge, wenn die Folge nach oben beschränkt ist. Mit Limes inferior wird der kleinste Häufungspunkt bei nach unten beschränkten Folgen bezeichnet (in Formeln ). Wir fordern außerdem, dass die Werte und für den Limes superior und Limes inferior angenommen werden können, wenn die Folge nach oben bzw. nach unten unbeschränkt ist. Damit kann jeder Folge (auch divergenten Folgen!) sowohl ein Limes superior als auch Limes inferior zugeordnet werden. Den Limes superior und Limes inferior werden wir im Kapitel „Lim sup und Lim inf“ behandeln.
{{#invoke:Mathe für Nicht-Freaks/Seite|unten}}