Mathematik: Topologie: Trennungsaxiome

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Trennungseigenschaften / Urysohn's Lemma

Wir haben bereits bei der Betrachtung von feineren und gröberen Topologien gesehen, daß man die einzelnen Punkte je nach Topologie mehr oder weniger gut voneinander unterscheiden kann. Eine feinere Topologie bedeutet eine stärkere Struktur des Raumes, in der man beim Betrachten der Punkte in gewisser Hinsicht eine höhere Auflösung hat. Bei einer genügend feinen Topologie kann man immer kleinere Umgebungen eines Punktes wählen, durch die die Sicht auf den Punkt immer besser wird, bis man ihn schließlich scharf erkennen kann. In der Sprache des vorigen Abschnitts bedeutet das, daß der Umgebungsfilter 𝒰(x) eines Punktes x nur gegen x allein konvergiert.

Die Trennungseigenschaften liefern nun eine Art Maß für die Stärke der Struktur eines topologischen Raumes. Genaueres lehrt folgende

Topologie: Vorlage:Definition

Ein Raum mit der Trennungseigenschaft T1, T2 usw. heißt auch entsprechend T1-Raum, T2-Raum usw.

Topologie: Vorlage:Definition

Bemerkung: offensichtlich ist ein Hausdorffraum auch T1 und ein T1-Raum auch T0.

Beispiel: Metrische Räume sind separiert, denn seien (M,d) ein metrischer Raum und x,yM. Die offenen Kugeln r(x),r(y) vom Radius r=d(x,y)3 sind dann disjunkte offene Umgebungen von x und y.

Beispiel: Der n-dimensionale Raum n ist ein metrischer Raum und daher auch separiert.


Satz: Ein T3a-Raum ist auch T3.

Beweis: Sei X ein T3a-Raum, AX eine abgeschlossene Menge in X und xXA. Dann gibt es eine stetige Funktion f:X[0,1] mit f(x)=1 und f(A)=0. Betrachte die offenen Umgebungen V1=]2/3,1] von 1 und V0=[0,1/3[ von 0. Wegen der Stetigkeit von f sind die Urbilder Ux=f1(V1) und UA=f1(V0) offen. Da V0 und V1 disjunkt sind, sind UA und Ux auch disjunkt. Weiter gilt offensichtlich xUx und AUA. Daraus folgt aber die Eigenschaft T3.  


Satz: Ein topologischer Raum X ist genau dann T1, wenn jede einpunktige Menge abgeschlossen ist.

Beweis: Sei zunächst X ein T1-Raum und xX. Ist nun yX{x}, so ist yx und es gibt eine Umgebung Uy von y mit xUy. Es ist also Uy(X{x}), und das bedeutet, daß X{x} offen ist. Dann ist aber {x} abgeschlossen.

Sei jetzt jede einpunktige Menge von X abgeschlossen, und seien x,y zwei verschiedene Punkte von X. Wegen xy ist xX{y}. Da {y} abgeschlossen ist, ist X{y} offen. Daher gibt es eine Umgebung Ux von x, mit Ux(X{y}) und damit yUx. Ebenso ist yX{x}, und wie vorher findet man eine Umgebung Uy von y mit xUy. Die Existenz dieser Umgebungen Ux und Uy bedeutet aber gerade, daß X ein T1-Raum ist.  


Korollar: Ein normaler Raum ist regulär, und ein regulärer Raum ist hausdorffsch.

Beweis: Folgt direkt aus dem vorigen Satz.  


Wenn man die Liste der Trennungseigenschaften betrachtet, kann man sich fragen, warum dort keine zu T3a analoge Eigenschaft T4a auftaucht. Eine solche Eigenschaft ist allerdings überflüssig, denn sie wäre zu T4 gleichwertig. Gäbe es die Eigenschaft T4a, so könnte man genauso wie im Fall der T3a-Räume schließen, daß ein T4a-Raum auch T4 ist. Die andere Richtung lehrt Urysohn's Lemma. Zunächst benötigen wir aber noch einen

Hilfssatz: Seien X ein T4-Raum, CX eine abgeschlossene und UX eine offene Teilmenge von X mit CU. Dann gibt es eine offene Teilmenge V von X, so daß CVVU.

Beweis: Wegen CU folgt C(XU)=. Weiter sind C und XU abgeschlossen und X ist T4. Daher gibt es offene Umgebungen V,W von C respektive XU, so daß VW= und damit V(XW). Da XW abgeschlossen ist, folgt nach einer früheren Bemerkung V(XW). Nun ist (XU)W, und das impliziert (XW)U. Zusammen ergibt sich wie behauptet CVV(XW)U.  


Satz (Urysohn's Lemma): Seien X ein T4-Raum und A,BX abgeschlossene, disjunkte und nicht leere Teilmengen von X. Dann gibt es eine stetige Funktion f:X[0,1] mit f(A)=0 und f(B)=1.

Beweis: Wegen AB= ist A(XB). Nun ist A abgeschlossen, XB offen, und nach dem Hilfssatz existiert eine offene Menge G0 mit AG0G0(XB). Nun wenden wir den Hilfssatz auf G0 und XB an, und erhalten so eine offene Menge G1 mit AG0G0G1G1(XB). Die Idee ist nun, den Hilfssatz immer wieder neu induktiv anzuwenden, bis man eine Familie von ineinanderliegenden Mengen erhält, auf denen man die gewünschte stetige Funktion definieren kann. Die Konstruktion funktioniert wie folgt:

Schritt 1: Nach dem Hilfssatz existiert eine offene Menge G1/2, so daß G0G1/2G1/2G1.
Schritt 2: die weitere Anwendung liefert offene Mengen G0G1/4G1/4G1/2G1/2G3/4G3/4G1.
Schritt n: nun erhält man offene Mengen Gp2n,p{1,2,...,2n1}, so daß Gp12nGp2nGp2nGp+12n für alle 1p2n1 gilt.

Wir haben jetzt für alle Zahlenpaare p,n mit p2n eine Menge Gp2n definiert. Seien p,n und q,m zwei solche Zahlenpaare mit p2n<q2m. Dann ist 2mp2n+m<2nq2n+m. Für die zugehörigen Mengen Gp2n und Gq2m gilt dann nach Konstruktion Gp2n=G2mp2n+mG2nq2n+m=Gq2m, also Gp2nGq2m. Anders ausgedrückt können wir je zwei Zahlen 0r<s1, die sich in der Form r=p2n bzw. s=q2m schreiben lassen, offene Mengen Gr und Gs zuordnen, so daß GrGs ist. So weit, so gut, doch wir wollen die Definition solcher Mengen auf alle reellen Zahlen im Intervall [0,1] ausdehnen, und dann eine stetige Funktion f:X[0,1] definieren mit f(x)=0 für xA und f(x)=1 für xB.

Dazu sei für ein beliebiges reelles t[0,1] die offene Menge Gt=p2n<tGp2n. Der Einfachheit halber definieren wir die gesuchte Funktion zunächst als Funktion f:X in die ganze Menge der reellen Zahlen durch

 f(x)=inf {t[0,1]xGt} für xG1
 f(x)=1 sonst

Wir halten fest, daß f(x)=0 ist für xAG0, und f(x)=1 für xB(XG1). Bleibt noch zu zeigen, daß f stetig ist oder, äquivalent dazu, daß f in jedem Punkt stetig ist. Sei also x0X irgendein Punkt in X. Sei weiter U eine Umgebung von f(x0). U enthält ein offenes Intervall der Form ]f(x0)ϵ , f(x0)+ϵ[ um f(x0) für ein geeignetes ϵ>0. Um die Stetigkeit in x0 zu zeigen, müssen wir eine offene Umgebung von x0 angeben, die ganz im Urbild f1(]f(x0)ϵ , f(x0)+ϵ[) enthalten ist, und in das offene Intervall ]f(x0)ϵ , f(x0)+ϵ[ abgebildet wird. Nun gibt es geeignete Zahlen p,n, so daß f(x0)ϵ<p2n<f(x0)<p+12n<f(x0)+ϵ ist. Daraus folgt x0(Gp+12nGp2n)f1(]f(x0)ϵ,f(x0)+ϵ[) und weiter f(Gp+12nGp2n)]f(x0)ϵ,f(x0)+ϵ[. Wegen Gp+12nGp2n=Gp+12n(XGp2n) ist Gp+12nGp2n offen und damit die gesuchte offene Umgebung von x0. Da f als Funktion f:X stetig ist, aber nur Werte im Intervall [0,1] annimmt, ist f auch als Funktion f:X[0,1] stetig.  


Korollar: Ein normaler Raum ist vollständig regulär.

Beweis: klar.  


Korollar: normal    vollständig regulär    regulär    hausdorffsch    T1    T0.

Beweis: Das ist nur die Zusammenfassung der bisherigen Überlegungen.  


Schließlich kommen wir noch zu einem Satz, der eine Beziehung zwischen den Trennungsaxiomen und der Konvergenz von Filtern herstellt.

Satz: Ein topologischer Raum X ist genau dann hausdorffsch, wenn jeder Filter höchstens einen Limespunkt hat.

Beweis: Sei zunächst X ein Hausdorffraum und ein Filter auf X. Angenommen, es gibt mehr als einen Limespunkt. Dann seien x,yX verschiedene Limespunkte von . Da gegen beide Punkte konvergiert, gehören sowohl die Umgebungen von x als auch die Umgebungen von y zu . Weil X hausdorffsch ist, haben x und y disjunkte Umgebungen. Der Durchschnitt dieser Umgebungen, also die leere Menge, müsste dann aber im Widerspruch zur Definition eines Filters ebenfalls zu gehören.

Habe jetzt andererseits jeder Filter höchstens einen Limespunkt, und seien x,y zwei verschiedene Punkte in X. Sei 𝒰(x) der Umgebungsfilter von x und 𝒰(y) der von y. Angenommen, es gäbe keine zwei disjunkten Umgebungen U𝒰(x) und V𝒰(y), so wäre durch ={UVU𝒰(x),V𝒰(y)} die Basis eines Filters definiert. Es wäre nämlich nach Annahme, und für zwei Mengen U1V1,U2V2 wäre (U1V1)(U2V2)=(U1U2)(V1V2). Der von dieser Basis erzeugte Filter enthielte aber wegen UVU alle Umgebungen von x und ebenso alle Umgebungen von y. Dann wären aber sowohl x als auch y Limespunkte des Filters im Widerspruch zur Voraussetzung. Der Raum X ist also hausdorffsch.  


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