Beweisarchiv: Gewöhnliche Differentialgleichungen: Existenztheorie: Satz von Picard-Lindelöf

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Der Satz von Picard-Lindelöf garantiert die lokale Existenz und Eindeutigkeit von Lösungen des Anfangswertproblems y(x0)=y0 nichtlinearer gewöhnlicher Differentialgleichungen y(x)=F(x,y(x)) unter lokal Lipschitz-Stetigkeit von F in der zweiten Variablen. Zudem liefert der Beweis dieses Satzes ein konstruktives Verfahren, die Picard-Iteration, mit dem man die Lösung approximieren kann.

Lokale Version des Satzes von Picard-Lindelöf

Sei E ein Banachraum, G×E, y0E,R>0 mit [a,b]×B(y0,R)G und F=F(x,y):GE stetig und lokal Lipschitz-stetig in der zweiten Variablen. Hierin bezeichnet

B(y0,R):={zE | zy0R}

die abgeschlossene Kugel um y0 mit Radius R. Ist

M:=max{F(x,y) | (x,y)[a,b]×B(y0,R)}

sowie

α:=min{ba,RM} ,

dann existiert genau eine Lösung des Anfangswertproblems

y=F(x,y) , y(a)=y0

auf dem Intervall [a,a+α]; sie hat Werte in B(y0,R).

Beweis

Man betrachte die Picard-Iteration

y0(x):y0 , yk+1(x):=y0+axF(s,yk(s))ds , x[a,a+α] .

Per vollständiger Induktion sieht man aus der Definition von α direkt, dass alle Iterierten yk sämtlich Werte in B(y0,R) annehmen und stetig sind. Da [a,a+α]×B(y0,R) kompakt ist, gibt es ein L0, für das

F(x,y)F(x,z)Lyz

für alle x[a,a+α], y,zB(y0,R) gilt. Mit vollständiger Induktion zeigt man

yk+1(x)yk(x)MLk(xa)k+1(k+1)!

auf [a,a+α]. Daraus folgt

maxx[a,a+α]yk+mykMLj=1mmaxx[a,a+α](L(xa))k+j(k+j)!MLj=k+1(Lα)jj!<ε

für alle m und kk(ε). Insbesondere ist (yk)k eine Cauchy-Folge im Banachraum C([a,a+α];E) und konvergiert folglich gleichmäßig gegen eine stetige Grenzfunktion yC([a,a+α];E). Wegen

maxs[a,a+α]F(s,yk(s))F(s,y(s))Lmaxs[a,a+α]yk(s)y(s)0

folgt

y(x)=y0+axF(s,y(s))ds .

Nach dem Fundamentalsatz der Analysis ist y stetig differenzierbar mit y(x)=F(x,y(x)). Die Eindeutigkeitsaussage folgt direkt aus dem Eindeutigkeitssatz bei lokaler Lipschitz-Stetigkeit.

Globale Version des Satzes von Picard-Lindelöf

Es sei E ein Banachraum und F:[a,b]×EE eine stetige Funktion, welche eine globale Lipschitz-Bedingung bezüglich der zweiten Variablen erfüllt. Dann gibt es zu jedem y0E eine globale Lösung y:[a,b]E des Anfangswertproblems

y=F(x,y) , y(a)=y0 .

Es gibt keine weiteren (lokalen) Lösungen.

Beweis

Betrachte den Operator T:C([a,b];E)C([a,b];E), definiert vermöge

T(u)(x)=y0+axF(t,u(t))dt .

Die Abbildung tF(t,u(t)) ist für festes uC([a,b];E) auf [a,b] stetig. Insbesondere ist F(t,u(t))M auf [a,b] für geeignetes M=M(F,u)0. Somit ist das Integral axF(t,u(t))dt für jedes x[a,b] wohldefiniert. Weiter ist

T(u)(x)T(u)(y)yxF(t,u(t))dtM|xy| .

Also gilt T(u)C([a,b];E), d.h., der Operator T ist wohldefiniert.

Damit dieser Operator im Sinne des banachschen Fixpunktsatzes kontraktiv ist, stattet man C([a,b];E) mit der gewichteten Supremumsnorm

uC([a,b];E):=supx[a,b]e2Lxu(x)E

aus, worin L0 die Lipschitz-Konstante von F in der zweiten Variablen bezeichnet. Da diese Norm äquivalent zur „normalen“ Supremumsnorm ist, bleibt C([a,b];E) auch in dieser Norm ein Banachraum. Es gilt

e2LxT(u)(x)T(v)(x)E=e2LxaxF(t,u(t))F(t,v(t))dtELe2Lxaxe2Lte2Ltu(t)v(t)EdtLe2Lxaxe2LtuvC([a,b];E)dt12uvC([a,b];E) .

Also gilt

T(u)T(v)C([a,b];E)12uvC([a,b];E) ,

und somit sind die Voraussetzungen des banachschen Fixpunktsatzes erfüllt. Es gibt daher eine eindeutig bestimmte Lösung yC([a,b];E) des Fixpunktproblems

y(x)=T(y)(x)=y0+axF(t,y(t))dt .

Nach dem Fundamentalsatz der Analysis ist y stetig differenzierbar mit y(x)=F(x,y(x)).

Wikipedia-Verweis